„Eine Klage mit massiver Sprengkraft für die ganze Branche“ urteilt das Branchenmagazin Meedia über die überraschende Wendung im Fall des ehemaligen Sonntagsblatt-Verlegers Norbert Fuhs.
Der durchaus als schillernd, am Ende aber vor allem als tragisch anzusehende Verleger, der lange Zeit mit den Produkten aus dem Medienhaus der NOZ konkurrierte, ist offenbar immer noch für Überraschungen gut. Nach Auffassung des ehemaligen Medienunternehmers hat erst die Berichterstattung seines Wettbewerbers für ein vorzeitiges Ende seines sonntäglichen Anzeigenblatts und den Zusammenbruch der eigentümlichen Finanzierung durch „Medienbriefe“ gesorgt.
Norbert Fuhs – verurteilt zu sechs Jahren – schlägt zurück
Ende vergangenen Jahres verurteilte das Landgericht Osnabrück Norbert Fuhs, zu sechs Jahren Haft. Das Gericht erkannte auf gewerbsmäßigen Betrug und Insolvenzverschleppung. Wer erwartet hatte, das damit das letzte Kapitel der Geschichte(n) rund um die Osnabrücker Sonntagszeitung geschrieben wurde, sieht sich getäuscht.
Wie das Branchenmagazin Meedia am Dienstag berichtete, will der ehemalige Medienunternehmer in Revision gehen und soll zudem eine Klage über rund 30 Millionen Euro gegen das Land Niedersachsen, den Verlag Werben & Verkaufen und die Neue Osnabrücker Zeitung (NOZ) eingereicht haben.
Welche Rolle spielte die Staatsanwaltschaft?
Nach Recherchen von Meedia ist der ehemalige Anzeigenblattverleger davon überzeugt, dass erst die Berichterstattung des Fachmagazins Kontakter (aus dem Verlag Werben & Verkaufen) und des lokalen Wettbewerbers Neue Osnabrücker Zeitung (NOZ) den Anfang vom Ende seiner unternehmerischen Tätigkeit eingeläutet hätten.
Tatsächlich richtet sich die Klage aber vor allem gegen die Staatsanwaltschaft und damit das Land Niedersachsen. Die beiden beklagten Medien hatten Informationen und auch das Aktenzeichen staatsanwaltlicher Ermittlungen zum Gegenstand ihrer Berichterstattung gemacht, in denen es um eine mögliche Insolvenzverschleppung und die Finanzierung des Enorm-Verlags durch die Herausgabe von „Medienbriefen“ ging.
Die Information über die staatsanwaltlichen Ermittlungen hätten nach Ansicht des Ex-Verlegers nicht an die Presse gelangen dürfen. Gegenstand der Klage ist daher auch die Haftung des Staates und eine möglich „Amtspflichtverletzung“.
Nach Angaben Recherchen von Meedia wird der vorläufige Streitwert auf rund 30 Millionen Euro beziffert.
NOZ berichtete bereits über drohende Schadenersatzklage
Bevor durch den Meedia-Bericht von der Streitfall bundesweit Aufmerksamkeit erlangte, berichtete die Neue Osnabrücker Zeitung bereits am 4. Januar 2017 selbst über die drohende Klage (Abruf ggf. kostenpflichtig).
Sonntagsblatt-Anwalt vertrat auch Erdogan und Kachelmann
Die NOZ wie auch das Branchenmagazin Meedia ließen in ihren Artkeln nicht unerwähnt, dass der Anwalt des Ex-Verlegers der Sonntagszeitung kein Unbekannter ist.
Die Kanzlei Höcker aus Köln erlangte bundesweite Aufmerksamkeit, als sie im vergangenen Jahre den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan gegen Jan Bömmermann wegen seines satirischen „Schmähgedichts“ vertraten.
Für den Wettermoderator Jörg Kachelmann konnte die Kölner Kanzlei ein hohen Schadenersatz vom Axel Springer Verlag einklagen.
Deutsche Bank musste in ähnlichem Fall 2 Milliarden zahlen
Das Branchenblatt Meedia sieht in dem vorliegen Fall, bei dem nach Ansicht der Anwälte von Norbert Fuhs „einfach ins Blaue hinein“ behauptet wurde, dass das Sonntagsblatt und sein Verleger insolvent seien, parallelen zu einem weiteren prominenten Fall: Die Erben des Medienmanagers Leo Kirch erhielten 2013 von der Deutschen Bank nach einem Vergleich die stolze Summe von 2 Milliarden Euro. Auch im Fall Kirch war die eigentliche Insolvenz durch eine öffentliche Äußerung über eine mögliche wirtschaftliche Schieflage in Gang gesetzt worden.
Ex-Verleger hat angeblich „Prozesskostenhilfe“ beantragt
Ob die Klage überhaupt vom Gericht zugelassen wird, ist wohl noch offen. Angeblich soll der Ex-Verleger Norbert Fuhs einen Antrag auf Prozesskostenhilfea gestellt haben, über den noch nicht entschieden wurde.
Vielleicht war die Verurteilung zu sechs Jahren Haft dann doch das letzte Kapitel in der Geschichte der Sonntagszeitung. Kommt es jedoch zum Sequel, könnte das Verfahren nicht nur für die dann aktuell Beklagten spannend werden, sondern auch für viele andere Redaktionen.
Das Branchenmagazin Meedia sieht nicht nur Auswirkungen für die zukünftige Berichterstattung über in Schieflage geratene Unternehmen, sondern auch eine mögliche Klagewelle über vergangene Insolvenzprozesse und die begleitende Berichterstattung der Medien.