Vor dem Amtsgericht Bad Iburg müssen sich seit Montag (16. Januar) zwei Tierärzte aus dem Landkreis Osnabrück verantworten. Sie sollen als vom Landkreis amtlich bestellte Veterinäre bei den Tierquälereien am Bad Iburger Schlachthof „bewusst und gewollt nicht eingeschritten“ seien.
Bereits im August des vergangenen Jahres wurden der Chef des Schlachthofes in Bad Iburg, in dem mehrere hundert kranke Kühe brutal geschlachtet wurden, sowie zwei seiner Mitarbeiter zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Sie sollen Rinder durch Schubsen und Ziehen am Schwanz, teilweise auch durch Elektroschocks oder andere massive Gewalt zum Aufstehen bewegt haben. Andernfalls wurden sie mit einer Seilwinde vom Fahrzeug gezogen. Jetzt stehen die beiden amtlich bestellten Veterinäre vor Gericht. Sie sollen von diesen Praktiken gewusst und diese gebilligt haben; sie werden in jeweils 53 und 27 Fällen im Zeitraum von August und September 2018 angeklagt.
Vorwürfe zurückgewiesen
Der heute 65-jährige pensonierte Tierarzt wies die Vorwürfe durch seinen Anwalt zurück. Seit 1986 habe er für den Landkreis Osnabrück mit 19 Stunden gearbeitet, führte seine eigene Tierarztpraxis parallel. Deshalb habe eine Lebendtierbeschau auch nur teilweise stattfinden können, dies sei mit dem Landkreis Osnabrück so vereinbart gewesen. Er habe zudem Tiere regelmäßig als „untauglich“ – etwa durch Transportschäden oder Krankheit – aussortiert. Diese seien dann vollständig zur Tierverwertung nach Icker gebracht worden, bereits tot angelieferte Tiere seien nicht verbotenerweise zu Fleisch verarbeitet worden – zumindest nicht während seiner Arbeitszeit. Auch für ihn seien Bilder und Videos aus dem Schlachthof unerträglich. Den Ausführungen schloss sich auch die Verteidigung der heute 52-jährigen praktizierenden Tierärztin an. Auch sie wolle nichts von dem Leidensspiel im Iburger Schlachthof gewusst haben.
In der Verhandlung am Montag wurden zunächst Zeugen vernommen, unter ihnen zwei leitende Beamte des Veterinäramtes des Landkreises Osnabrück oder auch der bereits verurteilte Betreiber des Schlachthofes.
Landkreis widerespricht Angeklagten
Rund 170 überwiegend Milchkühe wurden täglich im Bad Iburger Schlachthof geschlachtet. Angeliefert wurden sie nicht nach einem festen Plan, sondern zum Teil spontan. Dadurch sei nicht immer ein Tierarzt vor Ort gewesen. Oftmals seien festliegende Kühe dort angekommen, die dann mittels Notschlachtung ohne vorherige Prüfung des Tierarztes geschlachtet wurden. Erst im Nachgang sei dann die obligatorische Fleischschau erfolgt. Die beiden Vertreter des Landkreises widersprachen der Aussage der beiden Angeklagten. Es sei stets auch eine Lebendbeschau nötig.
Monatlich mussten die beiden Tierärzte Tagebuchblätter abgeben und auf ihnen Besonderheiten sowie Untauglichkeiten dokumentieren, kontrolliert wurden die Veterinäre vom Landkreis Osnabrück nicht. Betriebe kontrollierte die Behörde allerdings schon, Auffälligkeiten habe man in Bad Iburg dabei nicht feststellen können. Sollte es tierschutzrechtliche Bedenken gegeben haben, hätten diese von den dort eingesetzten Vetrerinären gemeldet werden müssen.
Aus dem Bad Iburger Schlachthof sollen allerdings auch tote Tiere verbotenerweise zu Wurst und Co. verarbeitetet worden sein. In Beisein des 65-Jährigen, so die Anklage, soll etwa eine Kuh mit durchschnittener Kehle angeliefert und das Fleisch im Anschluss verkauft worden sein. Verletzte, gar tote Tiere, dürfen nicht transportiert werden.
Tierschützer mit Verhandlung bisher zufrieden
Herausgekommen waren die Tierquälereien in Bad Iburg durch Tierschützer des SOKO Tierschutz e. V., die heimliche Videoaufnahmen vom Anlieferungsbereich des Schlachthofes veröffentlichten. Auch Friedrich Mülln, Vorsitzender des SOKO Tierschutz, verfolgte die Verhandlung im Amtsgericht. „Es ist eine spannende Verhandlung, die ich mir die ganze Zeit so gewünscht habe“, fasst Mülln zusammen. Vorher seien Verhandlungen seiner Ansicht nach „systematisch vereitelt“ worden, viele Dinge nicht öffentlich gemacht worden. „Diese Aufarbeitung heute wird dem Fall halbwegs gerecht.“ Insbesondere das Veterinäramt des Landkreises Osnabrück hätte sich nach dem Tierrechtsaktivisten um „Kopf und Kragen geredet“ und habe gezeigt, dass es seinen Pflichten durch „Überforderung, Unfähigkeit und Korruption“ – etwa weil sich zu viele Beteiligte seit Jahren kennen – nicht nachgegangen sei. Über Jahre sei so Fleisch ohne Lebendbeschau in die Vermarktung gegangen. Mülln sprach von dem „größten Fleischskandal der deutschen Geschichte“.
Weiter geht es mit der Verhandlung am Mittwoch (18. Janaur), bislang sind drei Fortsetzungstermine angesetzt. Der Prozess soll das letzte Verfahren um den mittlerweile geschlossenen Schlachthof in Bad Iburg sein.