Foto: Braunkohlekraftwerk, über dts
Berlin (dts) – Der Energieverbrauch in Deutschland wird im Jahr 2022 voraussichtlich um 2,7 Prozent unter dem Niveau des Vorjahres liegen. Zu dieser Einschätzung kommt die Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen auf Grundlage der aktuellen Daten zum Energieverbrauch der ersten neun Monate des laufenden Jahres, wie sie am Mittwoch mitteilte.
Die Arbeitsgemeinschaft rechnet dabei mit einem Gesamtverbrauch von 12.040 Petajoule (PJ) oder 410,9 Millionen Tonnen Steinkohleneinheiten (Millionen t SKE). “Positive Effekte” auf den Energieverbrauch gingen demnach im zu Ende gehenden Jahr von der wirtschaftlichen Entwicklung aus, hieß es. Obwohl das Bruttoinlandsprodukt im dritten Quartal nur noch leicht zunahm und im vierten Quartal 2022 voraussichtlich schrumpft, sei für die ersten neun Monate insgesamt noch mit einem Plus von 1,9 Prozent und für das Gesamtjahr mit einem deutlich geringeren Wachstum zu rechnen. Verbrauchssteigernd wirkte auch die Zunahme der Bevölkerung um etwa 900.000 Menschen (plus 1,1 Prozent).
Die drastisch gestiegenen Energiepreise führten dagegen sowohl zu kurzfristigen, verhaltensbedingten Einsparungen sowie zu mittel- bis langfristigen Investitionen in die Energieeffizienz, so die Arbeitsgemeinschaft. Einen verbrauchssenkenden Effekt habe zudem die im Vergleich zum Vorjahr sowie gegenüber dem langjährigen Durchschnitt mildere Witterung. Nach vorläufigen Berechnungen der AG Energiebilanzen lag der Energieverbrauch in Deutschland in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres wie der voraussichtliche Jahreswert um 2,7 Prozent unter der Vorjahresperiode. Insgesamt erreichte die Energienachfrage bis Ende September 2022 ein Niveau von 8.565 PJ. Unter Ausschaltung des Witterungseinflusses wäre der Primärenergieverbrauch in den ersten neun Monaten des Jahres nur um 2,2 Prozent gesunken, bereinigt um den Einfluss der Witterung sowie von Lagerbestandsbewegungen beträgt die Minderung 1,6 Prozent.
Der Verbrauch von Mineralöl erhöhte sich in den ersten drei Quartalen 2022 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 5,2 Prozent auf 2.981 PJ. Während der Verbrauch von Ottokraftstoff um knapp 4 Prozent zunahm, verharrte der Verbrauch von Dieselkraftstoff etwa auf dem Vorjahresniveau (minus 0,2 Prozent). Der Verbrauch von Flugkraftstoff stieg um 48,5 Prozent. Wesentliche Ursache für den Verbrauchsanstieg sei die gesteigerte Nachfrage bei der individuellen Mobilität auf der Straße und in der Luft durch Lockerungen der Corona-Maßnahmen, so die Arbeitsgemeinschaft. Der Absatz von leichtem Heizöl nahm vor allem aufgrund höherer Nachfrage aus der Industrie um rund 13 Prozent zu.
Die Lieferungen von Rohbenzin an die chemische Industrie waren um knapp 4 Prozent höher. Der Erdgasverbrauch ging in den ersten drei Quartalen 2022 um gut 12 Prozent auf 2.022 PJ zurück. Hauptursache dieser Entwicklung sei neben der vergleichsweise milden Witterung das hohe Preisniveau für Erdgas, hieß es weiter. Der Verbrauch an Steinkohle nahm im Berichtszeitraum um knapp 12 Prozent auf 851 PJ zu.
Infolge einer spürbar gestiegenen Stromerzeugung erhöhte sich der Brennstoffeinsatz in den Steinkohlekraftwerken um etwa 32 Prozent. Zum einen verbesserte sich die Wettbewerbsfähigkeit der Steinkohlestromerzeugung gegenüber Gaskraftwerken, außerdem ersetzte Strom aus Steinkohle auch Erzeugung aus Wasserkraft und Kernenergie. Der Kohlebedarf der Stahlindustrie verminderte sich vor dem Hintergrund einer rückläufigen Eisen- und Stahlproduktion um 4,7 Prozent. In den ersten drei Quartalen des Jahres 2022 lag der Primärenergieverbrauch von Braunkohle mit 29,5 Millionen Tonnen oder 865 Petajoule um 8 Prozent über dem Niveau des Vorjahreszeitraumes.
Die Stromerzeugung aus Braunkohle schaffte damit einen Ausgleich zu der in geringerem Maße zur Verfügung stehenden Stromerzeugung auf Basis anderer Energieträger. Die Stromerzeugung aus Kernenergie ging in den ersten drei Quartalen 2022 verglichen mit dem Vorjahresquartal um rund die Hälfte zurück. Der starke Rückgang sei dabei auf die planmäßige Abschaltung der Blöcke Grohnde, Brokdorf und Gundremmingen C zum 31.12.2021 zurückzuführen. In den ersten neun Monaten des Jahres wurden zudem 20,8 Milliarden Kilowattstunden (Milliarden kWh) Strom mehr ins Ausland exportiert als umgekehrt nach Deutschland flossen.
Nachdem die Stromexportneigung Deutschlands seit 2017 kontinuierlich zurückgegangen war, kehrte sich diese Entwicklung im laufenden Jahr wieder um. Der Beitrag der erneuerbaren Energien stieg in den ersten neun Monaten um 4,2 Prozent auf 1.479 PJ an. Zu diesem Ergebnis trugen vor allem die Stromerzeugung aus Wind (plus 15 Prozent) sowie Sonne (plus 23 Prozent) bei. Die Biomasse blieb witterungsbedingt um rund 2 Prozent unter dem Vorjahreswert. Auch die Stromerzeugung aus Wasserkraft verringerte sich. Die energiebedingten CO₂-Emissionen nahmen in den ersten drei Quartalen des Jahres 2022 nach Schätzung der AG Energiebilanzen trotz des gesunkenen Gesamtverbrauchs aufgrund von Substitutionseffekten im Energiemix hin zu CO2-intensiveren Energieträgern um rund 2 Prozent gegenüber der Vorperiode zu. Für das Gesamtjahr rechnet die AG mit einem Anstieg der energiebedingten CO2-Emissionen um gut ein Prozent.