Dass es das Nachrichtenmagazin „der Spiegel“ mit der Recherche und der Wahrheit in der jüngsten Vergangenheit nicht immer so genau nahm, führte im vergangenen Jahr zur Entlassung des Journalisten Claas Reloutius und auch dazu, dass der Begriff „Relotius Medien“ inzwischen als Synonym für eine Berichterstattung steht, in der die Erwartung wichtiger scheint als die Fakten.
Spätestens seit dem Fall Relotius ist der Journalismus schwer beschädigt, doch hat der Spiegel vor Claas Relotius immer sauber gearbeitet? Durch den Podcast des disruptiv arbeitenden Gabor Steinhart kam in dieser Woche eine alte Geschichte des Spiegel wieder an die Öffentlichkeit, für die ein bisher als „Edelfeder“ gehandelter Journalist womöglich eine Quelle erfunden hatte, um die Erwartungen der Verlagsleitung und der in den 90er Jahren noch eher im linken Spektrum angesiedelten Leserschaft zu erfüllen.
Terrorist und Bundespolizist bei Festnahme getötet
Hintergrund der im Sommer 1993 von Hans Leyendecker veröffentlichten Spiegel-Titelstory war ein Einsatz der Spezialtruppe GSG9 im mecklenburgischen Bad Kleinen, bei dem die RAF-Terroristen Birgit Hogefeld und Wolfgang Grams festgenommen werden sollten. Ein Bundespolizist bezahlte den Einsatz mit dem Leben und auch der Terrorist Grams lag am Ende tot im Gleisbett des Bahnhofs der ostdeutschen Kleinstadt.
Wie später durch eine extra in der Schweiz durchgeführten Untersuchung festgestellt werden konnte, hatte sich der Terrorist Wolfgang Grams, nachdem er bereits durch Polizeikugeln verletzt worden war, mit der eigenen Waffe einen tödlichen Kopfschuss verpasst.
Zusammen mit dem TV-Magazin Monitor führte der Spiegel, bevor das Obduktionsergebnis bekannt war, eine Kampagne gegen führende Politiker der damaligen Bundesregierung, in der eine Kioskbesitzerin und ein niemals näher spezifizierter anonymer Zeuge angeführt wurden, mit der Behauptung es habe eine gezielte Exekution des RAF-Terroristen durch Bundespolizisten gegeben. Die Kioskbesitzerin relativierte später ihre Aussage, die nicht mit dem Obduktionsergebnis in Einklang zu bringen war. Über die Hintergründe seiner zweiten und anonymen Quelle wollte Star-Reporter Leyendecker nicht sprechen.
Ex-Generalbundesanwalt erhebt schwere Vorwürfe gegen den Spiegel
In Folge der Spiegel-Berichterstattung traten der aus Osnabrück stammende Bundesinnenminister Rudolf Seiters (CDU) und, nach Drängen der damaligen Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), auch Generalbundesanwalt Alexander von Stahl zurück.
Im Podcast von Gabor Steingart erläutert der damalige Generalbundesanwalt einige Hintergründe und wirft dem Spiegel und Hans Leyendecker direkt vor, die Geschichte erfunden zu haben. Eine Nachfrage an den Spiegel, die damalige Titelstory nochmals zu überprüfen, blieb unbeantwortet.
Ex-Innenminister Seiters zweifelt an Wahrheit der Spiegel-Story
Auch Ex-Innenminister Rudolf Seiters, der sein Abitur am Osnabrücker Carolinum gemacht hatte und inzwischen im emsländischen Papenburg wohnt, greift inzwischen den Spiegel und den später zur Süddeutschen Zeitung gewechselten Redakteur Hans Leyendecker an.
Gegenüber der Bild-Zeitung erklärte der gebürtige Osnabrücker „Da muss man schon eine große Fantasie entwickeln, wenn man das glauben will.“
Nach einem Bericht der Berliner Morgenpost hat die „Spiegel Aufklärungskommission“ inzwischen Ermittlungen gegen ihren einzigen Starreporter aufgenommen.