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Rat entscheidet: „Hans Calmeyer“ wird nicht im Namen des neuen Museums genannt

Technisch – nach Logik der Politik – war es eine einstimmige Entscheidung, was sicherlich die rund um die Namensfindung der neu konzeptionierten Villa Schlikker emotional erhitzenden Gemüter beruhigen wird. Der Entscheidung für die Namensgebung haftet einzig der Makel an, dass der Kompromiss nur bei Enthaltung von CDU, BOB und AfD zustande kam.

Bevor es zur Abstimmung kam, erlebte der Stadtrat eine in weiten Teilen ungewöhnlich ruhige Debatte, in der Vertreter der Fraktionen nochmals für ihren Namensfavoriten warben, zumeist überaus sachlich das Für und Wider gegeneinander abwogen und mit guten Argumenten für ihre Position warben.

Kalla Wefel zeigte Foto von Carsten Maschmeyer – warum auch immer …

Einzig Ratsherr Kalla Wefel fiel völlig aus der Rolle, als er sich – was überhaupt nur sehr selten vorkommt – zu Wort meldete, sich schnell in Unterstellungen unter anderem gegen Fritz Brickwedde (CDU) verstieg und dabei zunehmend lauter und ausfallend wurde.

Nachdem Wefel auch noch den Ex-Bundespräsidenten und Ehrenbürger der Stadt Christian Wulff dafür verurteilte, dass er sich vergangene Woche für Hans Calmeyer ausgesprochen hatte, in der Vergangenheit aber auch schon mal auf einem Foto zusammen mit Höhle der Löwen-Investor Carsten Maschmeyer abgelichtet worden war (Wefel hielt ein Foto als Beweisstück für die angebliche Niedertracht von Wulff in die Höhe), folgte ein Monolog über Wefels Verständnis von Ehre, was zahlreiche Ratsmitglieder mit Zwischenrufen über Wefels frühere Tätigkeit als Komiker quittierten.

Bracke: Name ist kein Urteil über Calmeyer oder Schlikker

Zuvor hatte Sebastian Bracke (Grüne) die Debatte mit einem sehr persönlichen Redebeitrag eröffnet und dargelegt, warum seine Fraktion gegen einen Museumsnamen mit dem Namen Calmeyers stimmen werde.
Wichtig war es dem Ratsmitglied der Grünen zu betonen, dass unabhängig davon, welche Entscheidung am Ende gefällt werden würde, es in keiner Weise um ein Urteil über das Leben oder Wirken von Hans Calmeyer oder angehörige der Familie Schlikker geht, deren Name die Villa bislang trägt.

Mit dem Ausspruch „wer wollte, konnte innerhalb dieser Debatte klüger werden“, beschrieb Bracke den Prozess, in dem er und seine Fraktion sich unter Begleitung eines wissenschaftlichen Beirats ihr Urteil bildeten.
Dass mit „Forum Erinnerungskultur und Zeitgeschichte“ nach der Abstimmung womöglich ein Name dabei herauskommen werde, der keinen besonderen Klang habe, sei kein wirklicher Makel, so Bracke. „Auch das Museum Schölerberg oder Kalkriese haben keinen besonderen Esprit im Namen.“ Wichtig sei: „Wir schaffen ein Haus, dass die Gefühle von Opfern nicht verletzt.“

Bracke schloß mit der Aussage, dass er es zwar bedauere, aber auch respektiere, dass die CDU einen anderen Namen favorisiere. „Bitte respektieren Sie auch unsere Entscheidung“, so Bracke.

CDU zitierte mit Namensvorschlag eine gerettete Jüdin

Für die Union konterte Fritz Brickwedde in einem Debattenbeitrag, der schließlich mehr als zehn Minuten umfassen sollte: „Natürlich respektieren wir ihren Vorschlag.“ Brickwedde begrüßte, dass es zumindest Konsens sei, dass man auf den Namen „Schlikker“ verzichten wolle. „Schlikker muss raus, aber auch Calmeyer muss rein“, so Brickwedde zum Namensfavoriten der CDU: „Forum Calmeyer – Täter oder Menschenretter?“.

Brickwedde erinnerte daran, dass es nicht nur Angehörige von Opfern gebe, die sich kritisch zur Leistung von Calmeyer äußern würden, „sondern es gibt auch Opfer, die unsere Position vertreten“. Explizit erinnerte der CDU-Politiker an die von Calmeyer gerettete Jüdin Ruth van Galen-Herrmann, die mit ihrer Buchveröffentlichung „Calmeyer – dader of mensenredder?“ die Blaupause für den von den Konservativen favorisierten Museums-Namen lieferte. Das Fragezeichen im Namen und der damit aus Perspektive der CDU deutlich werdende Dissens mache klar, so Brickwedde, dass es sich nicht um Heldenverehrung handele.
Es gebe aber keinen Zweifel daran, dass Calmeyer die Leben von mindestens 3.000 jüdischen Menschen habe retten können – dreimal so viele wie Oskar Schindler.

Schlatermund erinnert an die, die nicht gerettet wurden

SPD-Ratsherr Heiko Schlatermund betonte, dass es selten ein kulturpolitisches Thema gab, bei dem eine solche Diskussionkultur ausgemacht werden konnte (das war allerdings vor dem Redebeitrag von Kalla Wefel). Schlatermund betonte seinen Respekt auch vor denen, die die Sache anders sehen würden als seine Fraktion.
Besonders hervorgehoben wurde von Schlatermund die Rolle des ehemaligen SPD-Ratsmitglieds Peter Niebaum in der Aufarbeitung des Wirkens von Calmeyer. Aber inzwischen müsse man auch einiges kritischer bewerten, als es Niebaum am Anfang der Calmeyer-Forschung konnte. Zudem, so Schlatermund, habe es in Osnabrück zahlreiche meist unbekannte Opfer gegeben, die vor und nach 1933 aktiv gegen das NS-Regime eintraten und dafür ihr Leben lassen mussten. „Aus Respekt vor diesen Opfern – die Zahl von 3.000 Geretteten zweifelt keiner an – verbietet sich eine Benennung nach Calmeyer“, resümierte Schlatermund.

Nach weiteren Redebeiträgen von Dr. Thomas Thiele (FDP), Wulf-Siegmar Mierke, Susanne Hambürger dos Reis (SPD), Volker Bajus (Grüne) und schließlich Kalla Wefel erläuterte Oberbürgermeisterin Katharina Pötter, warum sie sich für den von der CDU favorisierten Vorschlag entschieden habe.
Dabei machte Pötter klar, dass der von der Mehrheitsgruppe bevorzugte Name so oder ähnlich in jeder Stadt für ein Museum über die NS-Zeit verwendet werden könne. Erst der Name Calmeyers böte die Chance, das Dilemma des Zwiespalts zu thematisieren, für das Calmeyer in der NS-Zeit exemplarisch stünde.

Pötter kritisierte falsche Behauptungen im Vorfeld der Debatte

Bevor es zur Abstimmung kam, stellte die Oberbürgermeisterin klar, dass sie eine unter anderem von dem von Ratsherr Wefel betriebenen Blog in Umlauf gebrachte Behauptung über eine mögliche Aberkennung des Ehrentitels „Gerechter unter den Völkern“ nicht habe überprüfen können.
Bei der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem sei ein entsprechendes Prüfverfahren nicht bekannt, so die Oberbürgermeisterin über den Stand ihrer Recherche. Auch gäbe es von der Bundesregierung, wie zuvor von Grünen-Fraktionschef Volker Bajus angedeutet, keine Koppelung von Fördermitteln an eine bestimmte Namensgebung für das geplante Museum.

Die Mehrheit der Ratsmitglieder stimmte bei Enthaltung von CDU, BOB und AfD für den Namen „Die Villa_ Forum Erinnerungskultur und Zeitgeschichte„; mit dem nicht ganz erklärlichen Unterstrich „_“, der so gewollt ist.


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Heiko Pohlmann
Heiko Pohlmann
Heiko Pohlmann gründete die HASEPOST 2014, basierend auf dem unter dem Titel "I-love-OS" seit 2011 erschienenen Tumbler-Blog. Die Ursprungsidee reicht auf das bereits 1996 gestartete Projekt "Loewenpudel.de" zurück. Direkte Durchwahl per Telefon: 0541/385984-11

  

   

 

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