Grundsätzlich zählt Osnabrück zu den Großstädten, die eher gute Luftwerte vorweisen können. Das musste auch der klagefreudige Verein Deutsche Umwelthilfe (DUH) anerkennen, der zwar im März auch der Hasestadt eine Klage androhte, nach Fristablauf vor Ostern aber nichts dergleichen unternahm.
[Update 03.04.2018, 08:40] Bild des Passivsammlers vom Neumarkt unten im Artikel hinzugefügt.
[Update 30.07.2018, 10:45] Nach Hinweis eines Lesers fügen wir ergänzend hinzu, dass die Tageszeitung Münchner Merkur, auf die sich dieser Artikel bezieht, auf die seinerzeit strengeren Vorgaben einer EU-Richtlinie Bezug nimmt, die wohl nachträglich so abgeändert wurde, dass nun auch Messungen in eng bebautem Umfeld, wie am Osnabrücker Wall, regelkonform sind.
Vielleicht spielte bei der Klage-Zurückhaltung des Vereins, der durch seine Finanzierung (Abmahnungen gegen mittelständische Unternehmen und enge Zusammenarbeit mit Toyota) ins Gerede gekommen ist, auch eine Rolle, dass vieles, was Vereinschef Resch der Stadt als Versäumnis anlastet, bereits längst auf den Weg gebracht wurde, wie ihm die Stadtverwaltung in einem Antwortschreiben mitteilte.
Was die Stadtverwaltung allerdings noch nicht in Angriff genommen hat, ist die Überprüfung, ob die in Osnabrück ermittelten Luftschadstoffe überhaupt valide sind und den europäischen Normen entsprechend ermittelt werden.
Warum wird in Athen anders gemessen als in Osnabrück?
Der Bund Osnabrücker Bürger (BOB) teilte am Samstag auf seiner Facebook-Seite einen Artikel der BILD Zeitung, der fragt “Sind wir die Mess-Deppen der EU”.
Eindrucksvoll schildert die Boulevardzeitung, wie beispielsweise in Stuttgart ein Messcontainer direkt am verkehrsreichen Neckartor, knapp drei Meter neben dem Straßenrand postiert wurde, während in der griechischen Hauptstadt Athen ein vergleichbarer Messcontainer mit deutlichem Abstand und auch lediglich an einer zweispurigen Einbahnstraße seine Daten sammelt.
Man muss allerdings nicht ausgerechnet die BILD bemühen, um hinter das Phänomen der geradezu masochistisch und in Erwartung extremer Messwerte aufgestellten Mess-Standorte zu kommen. Die Tageszeitung Münchner Merkur steht sicher nicht in Verdacht zu boulevardesk an dieses ernste, weil Tausende in ihrer persönlichen Mobilität einschränkende Thema heranzugehen. Die Kollegen aus der bayerischen Landeshauptstadt deckten bereits Anfang März den Mess-Irrsinn deutscher Behörden auf.
Auch München steht unter Beobachtung von Öko-Aktivisten und auch die bayerischen Mess-Container liefern absurd hohe Schadstoffkonzentrationen. Und wie in Osnabrück an der Ortsdurchfahrt der Bundesstraße B68 am Wall, werden die Messwerte u.a. am Stachus, an den verkehrsreichsten Ecken der Stadt gemessen.
Zentimeter statt 10 Meter Entfernung zum Fahrbahnrand
Die wohl gravierendste Einflussgröße für die Osnabrücker Schadstoffmessungen dürfte die Platzierung des einzigen Messcontainers in der Stadt sein – direkt am Fahrbahnrand, an einer innerstädtischen Bundesstraße, wenige Zentimeter vom fließenden – dort aber oft gestauten – Verkehr. Dass die Mess-Fühler dabei nicht nur direkt am Verkehrsgeschehen ihre Daten sammeln, sondern auch noch auf gleicher Höhe mit den auf Höhe des Fahrzeugdachs angebrachten Abgasanlagen vieler Nutzfahrzeuge und Omnibusse, dürfte die Messwerte zusätzlich “pushen”.
Nicht einmal ein fester Fahrradweg oder Gehweg, wie am Stuttgarter Neckartor oder am Münchner Stachus, trennen die Messfühler in Osnabrück vom Verkehrsgeschehen.
Nach EU-Recht wären die Messwerte ungültig
Aber auch das, was sich auf der “anderen Seite” des Messcontainers abspielt, beeinflusst die Messwerte. Die Richtlinie 2008/50/EG über “Luftqualität und saubere Luft für Europa” soll eigentlich für europaweit vergleichbare Messwerte sorgen. In ihr wird auch festgelegt, wie der Abstand zu Häuserwänden und die Platzierung in Straßenschluchten zu betrachten ist.
„Der Luftstrom um den Messeinlass darf in einem Umkreis von mindestens 270 Grad nicht beeinträchtigt werden“, so die Vorgabe aus Brüssel – übersetzt bedeutet das: Hinter dem Messcontainer muss die Luft frei zirkulieren können.
Nun steht der Container in Osnabrück, nahe der Schlosswallhalle, keine 4 Meter von einer über mehr als 100 Meter reichenden dichten und mehrstöckigen Wohnbebauung, und auch die gegenüberliegende Häuserreihe ist durchgängig bis zur OsnabrückHalle und dem Ratsgymnasium geschlossen. Nach der EU-Richtlinie, die europaweit gelten sollte, wäre dies ein NoGo. Doch bei der Übernahme in deutsches Recht wurden aus vielen harten Vorgaben lediglich ein weiches “kann”. Und statt 270 Grad freier Zirkulation, sind es nur noch 180 Grad, die in Deutschland eingehalten werden “sollten” statt “müssen.”
Es ist allerdings nicht nur der aktiv Messdaten sammelnde Container vor der Schlosswallhalle, der bei Beachtung der EU-Vorgaben zweifelhaft postiert wurde, auch die Passivsammler am Osnabrücker Problemplatz Neumarkt wurden so montiert, dass sie ihre Messwerte direkt auf Augenhöhe mit den Abgasanlagen von Nutzfahrzeugen und Omnibussen sammeln, natürlich auch vor dem Hintergrund einer mehrgeschossigen Häuserwand und ohne Nutzung des möglichen Abstands von 10 Metern zur Fahrbahn, sondern erneut nur wenige Zentimeter neben der Fahrbahn.
Doch egal ob Absicht oder einfach nur Leichtfertigkeit hinter der Auswahl der Messpunkte in der Hasestadt steckt, die ermittelten Abgaswerte sinken im Jahresvergleich ständig und lagen im vergangenen Jahr zeiweise unter den geltenden Grenzwerten – trotz ungünstig postierter Messstationen.