Sobald die Zeiten etwas schlechter werden, taucht diese Forderung zu Anfang jeder Legislaturperiode auf, egal wo, von der kleinsten Landgemeinde bis hin zum Bundestag wird das Volk darauf vorbereitet, sich mit künftigen Haushaltskürzungen abzufinden.
Und woran wird als erstes gespart? Mit Vorliebe an der Bildung und an der Kultur, zumal dann, wenn die Sozialleistungen ohnehin schon am untersten Limit sind.
Streichungen im Bildungssektor sind aufgrund der maroden Zustände in den Schulen und eines nicht mehr zu bewältigenden Lehrkräftemangels derzeit schwer vor den Augen der Öffentlichkeit durchzusetzen – und solange man an der Osnabrücker Universität Religionen als Wissenschaften bezeichnet, ist zu befürchten, dass demnächst Kurse wie „Selber Atmen“, „Bauchtanzkurse nur für Dicke“ oder „Astrologie für Homöopathen“ angeboten werden. An Kürzungen ist in Hochzeiten religiös esoterischen Wahnwitzes jedenfalls nicht zu denken.
Wenn schon kürzen, dann an der Kultur
An der Kultur ließ sich schon immer leichter sparen als an der Bildung. Wer aus dem hundsgemeinen Volk interessiert sich schon für ein kleines Figuren- oder Kindertheater oder gar für eine freie Bühne, solange RTL2 senden darf und ein Sechserpack zum Jubelpreis von ein paar Euro zu erhalten ist?
Also wird an der Kultur gespart, und zwar „überall“ an der Kultur, wie dann immer wieder gern betont wird. Na ja, fast überall …
Unanfechtbare Hochkultur oder Luxuskultur?
Sparen? Klar, aber in Osnabrück niemals am Stadttheater, der unantastbaren heiligen Kuh. Niemals! Im Gegenteil, da wird seit Christi Geburt regelmäßig jedes Jahr ordentlich drauf gepackt. Wenn nun aber stets als erstes an der Kultur gespart wird, dann zählt das hoch subventionierte Stadttheater ja offenbar gar nicht zur Kultur, anders lassen sich die 80.000.000 € Renovierungskosten und die jährlichen Zuschüsse von über 20.000.000 €, von denen die Stadt „nur“ die Hälfte trägt, ja gar nicht erklären. Vielleicht sollte man die neue Kategorie „unanfechtbare Luxuskultur“ einführen, um dann irgendwelchen aufmüpfigen und eigenbrötlerischen Kulturschaffenden der Alltagskultur das Geld leichter streichen zu können, zumal sich sonst nur Weltstädte wie New York, Berlin, London, Pjöngjang oder Paris ein Fünf-Sparten-Theater gönnen.
Effizientes Arbeiten bei sozialer Gerechtigkeit
Wenn sich zum Beispiel ein Ehepaar aus dem Osnabrücker Westerberg-Ghetto nur zwei Theatervorstellungen pro Monat leistet, nein: ansieht – leistet ist schlichtweg der falsche Ausdruck, denn leisten tut sich das allein die Stadt –, dann erhält dieses Ehepaar pro Monat fast auf den Euro genau denselben staatlichen Zuschuss wie ein Hartz-IV-Empfänger – durchaus eine Klientel also, die gern bei einem Gläschen Sekt über „die arbeitsscheuen“ Hartz-IV-Empfänger die Nase rümpft (nur hoffnungslose Romantiker sprechen immer noch vom Arbeitslosengeld 2).
Also könnte man eigentlich der Logik zuliebe die Geschäftsführung des Stadttheaters gleich dem Sozialamt übertragen, immerhin würde sich dann der Hartz-IV-Satz an der Bezuschussung von vier Theaterplätzen pro Monat richten und hätte endlich eine Chance, regelmäßig, also jährlich, ohne große Diskussionen erhöht zu werden.
Das würde ich dann mal wirklich effizientes Arbeiten bei sozialer Gerechtigkeit nennen.
PS 1: Das größte Theater steht im Nahen Osten der Stadt
Würde der VfL dieselbe Unterstützung pro Vorstellung und Platz wie das Stadttheater erhalten, dann stünde dem VfL jedes Jahr (!) bei etwa zwanzig Pflichtspielen und 16.667 Plätzen eine staatliche Unterstützung von jährlich (!) 33.334.600 € zu, also nur etwa zehn Millionen mehr als das Stadttheater erhält. Bevor man sich nun über die regelmäßige Bezuschussung des VfL durch die Stadt aufregt, sollte man also niemals die „Hochkultur“ aus dem Blick verlieren. Es geht auch nicht darum, das städtische Theater gegen die VfL Osnabrück GmbH & Co. KGaA auszuspielen, sondern um Relationen und auch darum, dass im Schinkel tatsächlich das größte Ein-Sparten-Privattheater Osnabrücks steht, das im Verhältnis zu seinem Fassungsvermögen im Grunde nur minimal bezuschusst wird, doch beim Publikum für weitaus mehr Emotionen sorgt als Shakespeare und Goethe oder Büchner und Brecht (meine persönlichen Favoriten) zusammen.
PS 2:
Mit den Zuschüssen für den Zoo hat das alles rein gar nichts zu tun, dafür aber umso mehr mit Verhältnismäßigkeiten.
Eine schöne Woche wünscht euch Kalla with a K.
Anmerkung der Redaktion: Karla, Kalla… kleine Namensverwirrung. Gab es da in den vergangenen Wochen nicht auch die Kolumne einer „Karla with a K.”? Geahnt hatten es die meisten, aber da Kalla noch woanders unter Vertrag steht, mussten erst die Rechte geklärt werden. Bild, Axel-Springer, Tempo … es war gar nicht so einfach, aber nun schreibt Kalla Wefel auch unter eigenem Namen seine Kolumne bei uns – das Versteckspiel hat ein Ende!