[Update 6.11.2017]
Am frühen Morgen rückten die Kettensägen an, wir waren mit der Kamera vor Ort:

AFP


[Artikel vom 31.08.2017]
Pascal Rupp, der Wirt des Grünen Jägers, kennt die Kastanie im Biergarten von Osnabrücks Kultkneipe seit Kindertagen, seit seine Eltern im Jahr 1974 die Gastronomie übernahmen. Im November wird der Schattenspender leider Geschichte sein – eine bis vor kurzem vollkommen unbekannte Bakterieninfektion tötete den alten Baum binnen weniger Monate.

Wie wohl alle Osnabrücker Kinder der 70er und 80er Jahre sammelte auch der spätere Jäger-Wirt jeden Herbst „säckeweise“ Kastanien, um diese beim Osnabrücker Zoo als willkommenes Winterfutter gegen freien Eintritt einzutauschen – oder für die üblichen Bastelarbeiten in Kindergarten und Grundschule.

Doch in diesem Herbst gibt es keine Kastanien aufzusammeln. Es werden auch keine Kastanien auf das in der kälteren Jahreszeit verschlossene Glasdach prasseln, wie noch im letzten Jahr. In kürzester vollzog sich in diesem Sommer das Sterben der alten Kastanie.

Die Kastanie ist womöglich 150 Jahre alt

Kastanie im Grüner Jäger, Osnabrück
Kaum noch Blätter am kahlen Stamm

Pascal Rupp schätzt das Alter des Baumes auf etwa 150 Jahre, genaue Daten wird erst die Analyse des Stamms ermöglichen, wenn an einem Montag im November der Baumfälltrupp anrückt. Mit einem großen Autokran soll der Baum-Torso dann Stück für Stück über das Dach gehoben werden.
Vermutlich reicht das Alter des Baums dann tatsächlich an die 198 Jahre heran, auf die es der älteste Stammtisch Deutschlands bringt, der sich noch immer regelmäßig im nach ihm benannten „Klausenzimmer“ des Jägers trifft.

Alle Experten kamen zu vernichtendem Urteil

Noch vor zwei Jahren war ein „Baumdoktor“ vor Ort, um nach einem Sturmschaden die Gesundheit des Baums zu prüfen. Damals war alles in Ordnung, so der Jäger-Wirt.
Nachdem der alte Baum in diesem Jahr allerdings überhaupt nicht mehr grün werden wollte, wurden inzwischen zwei Spezialisten und ein Mitarbeiter der Stadtverwaltung zur Schadensbegutachtung konsultiert. Alle drei kamen zu dem Ergebnis, dass der Baum durch ein aggressives Bakterium derart geschädigt wurde, dass keine Rettung mehr möglich ist.

Eine Motte begünstigt den Krankheitsverlauf

Auslöser für die tödliche Erkrankung der Kastanie kann ein vorheriger Befall des Baumes durch die „Kastanienminiermotte“ gewesen sein – die Bakterien und zusätzlicher Pilzbefall erledigten dann den Rest.

Thomas Maag, als diplomierter Gartenbauingenieur beim Osnabrücker Servicebetrieb (OSB) tätig, erklärte auf Nachfrage unserer Redaktion die Zusammenhänge: „Die Kastanienminiermotte befällt fast alle Kastanien im Stadtgebiet mehr oder weniger jährlich wiederkehrend und führt zur Verbräunung der Blätter durch Minierfraß. Während die erste Generation der Miniermotte meist nur den unteren Kronenbereich des Baumes befällt, kann bei starkem Befall bereits die Sommergeneration die Blätter des ge­samten Baumes zu 100% befallen. In der Folge setzt der Laubfall bereits im August ein. Gerade in warmen Jahren mit großer Hitze-, Trockenheits- und Staubbelastung kann der Befall durch die Miniermotten sehr stark sein.

Kastanie, Herrenteichswall, Osnabrück
Auch hier, vor der Herz Jesu Kirche am Herrenteichswall, sind die Kastanien schon im August braun verfärbt

Die Kastanien sterben dadurch zwar nicht ab, aber die Assimilationsleistung der Bäume wird bei starkem Befall herabgesetzt und kann dauerhaft die Bäume in der Wuchsleistung schädigen.“

Vor zwei Jahren wurde die Schlossgarten-Kastanie gefällt

Wenn geschwächte Kastanien von dem Bakterium befallen werden, das in Deutschland erst seit wenigen Jahren bekannt ist, verfaulen die Bäume von innen heraus. Erste Berichte kamen 2002 aus den Niederlanden, 2007 gab es erste Opfer in Deutschland am Niederrhein. 2015 musste die große Kastanie im Schlossgarten nach einem entsprechenden Bakterienbefall gefällt werden.

Alte Kastanie im Schlossgarten Osnabrück
2015 wurde die stolze Schlossgarten-Kastanie gefällt. Ersatz gab es nicht.

Kein Ersatz möglich

Einen Ersatz für die alte Kastanie wird es nicht geben. Der Baum hat in seiner langen Lebensdauer ein weit verzweigtes Wurzelwerk bis unter einen begrünten Nachbarhof und den Platz vor der Gaststätte bilden können – der Hof des Jägers war schon immer versiegelt, solange sich der Wirt erinnern kann. Ein junger Baum könnte sich nicht schnell genug unterirdisch ausdehnen, um sich selbst zu versorgen. Daher endet mit der Jäger-Kastanie auch die Begrünung dieses innerstädtischen Biergartens.