Foto: Reichstagskuppel bei Sonnenaufgang, über dts
Paris (dts) – Mathias Cormann, Generalsekretär der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), fordert die Bundesregierung auf, eine große Steuerreform anzugehen. Er habe eine „lange Liste mit den Herausforderungen für den Standort“, sagte Cormann dem „Spiegel“.
Fehlende oder marode Infrastruktur, Fachkräftemangel, alternde Bevölkerung und nicht vorhandene Digitalisierung kosteten Wachstum. „Da muss das Land ran“, so Cormann. „Wir empfehlen eine große Steuerreform.“ Die Lohnnebenkosten seien im internationalen Vergleich ziemlich hoch.
Auch müssten umgehend mehr Frauen in den Arbeitsmarkt integriert werden, vor allem, weil die Bevölkerung stark altere. „Dafür muss die Einkommensteuer so angepasst werden, dass Zweitverdiener entlastet werden, damit sich dieses Modell für die Haushalte auch lohnt.“ Er verstehe, dass „die vielen Krisen und der erhebliche Transformationsdruck derzeit ziemlich überwältigend wirken können“, sagte Cormann. „Wir sind am Ende einer Ära und am Beginn einer neuen, das lässt viele Menschen grundlegend zweifeln.“
Trotzdem hätten Demokratie und freier Handel nie da gewesene Stabilität, Frieden und Fortschritt gebracht. „Deshalb warne ich davor, das Kind mit dem Bade auszuschütten“: Man müsse Kapitalismus und Globalisierung „verbessern, nicht ablösen.“ Dennoch müssten das globale Handelssystem und die Welthandelsorganisation WTO dringend reformiert werden. Zwar habe es bei der WTO zuletzt entscheidende Reformen gegeben.
Dennoch, so Cormann, gaube er kaum „dass es möglich ist, in absehbarer Zeit ein Handelssystem zu schaffen, dem sich alle Länder der Welt gleichermaßen verpflichten“. Er plädiert stattdessen für ein System regionaler Handelsabkommen auf der Grundlage angemessener, durch die WTO garantierter Prinzipien. Das biete „zumindest die Möglichkeit, Fortschritte zu erzielen“. Cormann warnte vor einem globalen Subventionswettlauf, wie er derzeit wischen den USA und Europa bei der Ansiedlung von Zukunftstechnologien wie Chip-Fabriken zu beobachten ist.
„Ich glaube nicht, dass letztlich irgendjemand davon profitiert, wenn es nur noch darum geht, wer mehr subventionieren kann“, sagte der gebürtige Australier. Globalisierung und Kapitalismus hätten für gewaltige Innovationen, eine massive Erhöhung des Lebensstandards und große ökonomische Sicherheit gesorgt. „Wir sollten sehr vorsichtig sein, den globalen Wettbewerb zu verzerren, indem wir den privaten Sektor in unangemessenem Umfang staatlich unterstützen.“