Jedes Jahr im Frühjahr der gleiche Gedanke: „Ich muss meinen Resturlaub nehmen“. Dann ist doch wieder viel zu viel zu tun – und eigentlich ist es im Juni ja auch viel schöner auf Mallorca oder am Nordseestrand als im kühlen Februar oder März. „Muss ich wirklich jetzt meinen Resturlaub abbummeln, sonst verfällt der einfach so?“, fragen sich viele Arbeitnehmer.
Passend zum Stichtag 31. März, bis zu dem bislang in vielen Firmen der Resturlaub genommen werden musste, hat sich das Bundesarbeitsgericht in der vergangenen Woche der europäischen Rechtsprechung angeschlossen. Nun gelten andere Regeln, als die, die viele Arbeitgeber und Arbeitnehmer bislang für richtig angesehen haben.
Allerdings scheint die Verwirrung groß zu sein. Unsere Redaktion hat den Osnabrücker Rechtsanwalt Daniel B. Jutzi gebeten die Rechtslage zu erläutern.
In Deutschland gilt nun ein neues Urlaubsrecht
Arbeitgeber müssen ihre Mitarbeiter jetzt konkret, vollständig und rechtzeitig darüber informieren, welche Urlaubsrechte sie haben und unter welchen Umständen nicht genommener Urlaub verfallen kann; ggf. müssen sie ihre Angestellten sogar „förmlich auffordern“, Urlaub zu nehmen. Nur wenn ein so informierter Arbeitnehmer aus freien Stücken auf seinen Urlaub verzichtet, kann dieser verfallen – beweisen muss das der Arbeitgeber. Andernfalls verfällt der Urlaubsanspruch nicht und er ist am Ende des Arbeitsverhältnisses in Geld auszubezahlen. Dieser Anspruch kann sogar vererbt werden.
Wieder einmal gibt es eine Kehrtwende im Urlaubsrecht. Bislang verfiel der Anspruch auf Urlaub grundsätzlich am Ende des Jahres bzw. Ende März des jeweiligen Folgejahres. Der EuGH hatte dazu bereits früher die Ausnahme entwickelt, dass Urlaub erst nach 15 Monaten verfällt, wenn er aufgrund von Krankheit nicht genommen werden kann. Nun wurde am 06.11.2018 entschieden, dass der Arbeitgeber das Recht des Arbeitnehmers auf Urlaub ernst nehmen muss, dass er diesen informieren und ggf. auffordern muss, den Urlaub zu nehmen. Nur wenn er beweisen kann, dass er alle seine Pflichten erfüllt hat, kann Urlaub verfallen. Wenn nicht, ist er am Ende abzugelten.
Das Bundesarbeitsgericht hat sich am 19.02.2019 dem EuGH angeschlossen und die in Deutschland gängige Urlaubspraxis auf den Kopf gestellt.
Nach Ende des Arbeitsverhältnisses kann abgerechnet werden
Für Arbeitnehmer bedeutet dies eine große Erleichterung. Einerseits können Sie jetzt Urlaub deutlich leichter nehmen und andererseits ist die Geltendmachung von Abgeltungsansprüchen nun ganz erheblich vereinfacht worden. Trennungen von Arbeitnehmern, die noch Resturlaubsansprüche haben, dürften nun teurer für den Arbeitgeber werden.
Interessant ist dabei auch, dass sogenannte Verfall- oder Ausschlussklauseln in Arbeitsverträgen unwirksam sein können, wenn diese eine schriftliche Geltendmachung der Ansprüche verlangen oder aber den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn nicht ausnehmen. Ohne diese Klausel gilt die normale Verjährungsfrist von drei Jahren. Dann können Arbeitnehmer nun sogar rückwirkend prüfen, ob sie aus bereits beendeten Arbeitsverhältnissen noch Urlaubsansprüche haben – und sich diese nun auszahlen lassen.
Der Autor Daniel B. Jutzi ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht in der Kanzlei rechtsinformer Rechtsanwälte in Osnabrück.