Autos bauen, teilweise sogar nur lackieren, für die es in anderen Werken des Volkswagen-Konzerns zeitweise mal keine Kapazitäten gibt? Für Jörg Müller, dem neuen Chef der Volkswagen Osnabrück GmbH, ist das keine Option mehr für das ehemalige Karmann-Werk im Osnabrücker Fledder.
Müller, der im vergangenen Jahr den Posten als Sprecher der Geschäftsführung in Osnabrück übernommen hat, stellte seine Strategie und seine Sichtweise auf den Traditionsstandort Osnabrück beim Mittagsgespräch der Industrie- und Handelskammer vor.
IHK: Osnabrück ist Autostadt wie Wolfsburg, Stuttgart oder Rüsselsheim
IHK-Präsident Uwe Goebel ebnete in seiner Begrüßungsrede dem Gast, der zuvor für Volkswagen schon in Brasilien, China und Indien tätig war, den Weg, in dem er an die lange Geschichte der Firma Karmann erinnerte. Osnabrück sei genauso Autostadt wie Wolfsburg, Stuttgart und Rüsselsheim, so Goebel lokalpatriotisch.
Die mehr als 2.400 direkt bei Volkswagen beschäftigten Mitarbeiter und die zahllosen indirekt abhängigen Arbeitsplätze, machen Volkswagen sehr wichtig für das Wohl von Osnabrück. IHK-Präsident Goebel würde sich es persönlich wünschen, “dass die politisch Verantwortlichen dies gelegentlich intensiver berücksichtigen würden”.
Im Fledder sollen wieder mehr komplette Autos produziert werden
VW-Chef Müller berichtete, wie er in seiner ersten Zeit in Osnabrück häufig damit konfrontiert wurde, dass die “Überlauf-Fertigung”, die in den vergangenen Jahren das Bild bei Volkswagen Osnabrück prägte, von zahlreichen Osnabrückern kritisch betrachtet wurde.
Mal wurden für den europäischen Markt längst nicht mehr produzierte Tiguan der alten Modellreihe für die USA weitermontiert – überwiegend aus Teilen die als Bausatz aus Wolfsburg zugeliefert wurden. Dann wieder wurden Skoda aus Tschechien angeliefert um in Osnabrück lediglich eine Lackdusche zu erhalten – weit unter den Fähigkeiten, die Osnabrück als Standort eigentlich hätte.
Und auch die Fertigung von Porsche Boxster und SUV vom Typ Cayenne erfolgte nur, weil die Heimatwerke zeitweise nicht genügend Kapazitäten hatten.
Von Karmann alle Kompetenzen übernommen
Als Glücksfall bezeichnete Müller, dass Volkswagen von Karmann eine komplette technische Entwicklung übernehmen konnte. Das macht den Standort Osnabrück zu etwas Einzigartigem unter den weltweiten Werkstandorten. Hier konnten bereits für den Konzern Kleinserien, zum Beispiel für den Hamburger Mobilitätsdienstleister MOIA entwickelt werden.
Aber auch die aus dem SUV T-ROC abgeleitete Cabrioversion wurde in Osnabrück entwickelt und wird auch am gleichen Standort gebaut. Mit dem inzwischen einzigen Cabrio im Vertriebsprogramm von Volkswagen setzt Osnabrück eine Tradition fort, die mit dem Käfer Cabriolet begann und nach drei Generationen des Golf Cabrio zwischenzeitlich beendet schien.
Das T-Roc Cabrio im Video
Gene und Kompetenzen der Mitarbeiter sollen “revitalisiert” werden
Die persönliche Geschichte, die viele Mitarbeiter in Osnabrück mit Karmann verbindet, will Müller in Zukunft verstärkt nutzen und diesen Mitarbeitern die Wertschätzung entgegen bringen, die sie verdienen.
Er nennt das die “Revitalisierung vorhandener Gene und Kompetenzen”. So soll eine Repositionierung des Standorts im Wettbewerb der weltweiten VW-Werke gelingen.
Der Begriff “Wettbewerb” ist dabei wörtlich zu nehmen. Jörg Müller machte keinen Hehl daraus, dass sich Osnabrück jedes Mal aufs Neue bei internen Ausschreibungen mit Preis und Qualität durchsetzen muss, nicht anders als es Karmann früher musste. Hilfreich sei dabei aber auch, dass man in der Konzernzentrale die Osnabrücker als technisch versiert und zuverlässig kenne.
Werkstandort auch bereit für Elektroauto-Fertigung
Obwohl das T-ROC Cabriolet noch mit konventionellen, wenn auch besonders effizienten Motoren produziert wird, sieht Müller den Standort Osnabrück für die elektrifizierte Zukunft gerüstet. So habe man nicht nur vor einigen Jahren mit dem elektrischen Kleinserienfahrzeug XL1 technologische Grundlagen für die jetzige Konzernstrategie erforscht, die inzwischen bereits im Werksmuseum steht. Man sei auch an der Entwicklung eines elektrischen Minibus beteiligt, der wie sein technisch eng verwandter Bruder ID3 ein rein elektrisches Fahrzeug sein wird.
Ob der elektrische Minibus bald auch in Osnabrück vom Band laufen wird, wollte Müller nicht sagen und signalisierte einerseits, dass die notwendige Entscheidung in Wolfsburg noch nicht gefallen sei, andererseits in seiner Strategie für den Standort Osnabrück durchaus noch Platz wäre um so ein Auto an der Hase zu bauen.
Video: glomex/neuwagen.de