Das Wort “Zugang”, im Sinne von “Gehen”, bekommt beim geplanten Neubau der Humboldtbrücke am Osnabrücker Hauptbahnhof eine besondere Bedeutung, denn Fahrstühle zu den Gleisen sind auch beim Neubau nicht geplant.
Nur am Rande und ohne Begründung wurde bei der Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses (StUA) in der vergangenen Woche bekannt, was vielen Reisenden der Bahn auch bei der neuen Brücke fehlen wird. Es wird zwar künftig einen Zugang von der Brücke auf die Bahnsteige des unteren Bahnhofes geben, jedoch keine Fahrstühle für Behinderte, Radfahrer und Reisende mit schwerem Gepäck.
Treppen von der Humboldtbrücke zu den Bahnsteigen kommen später
Tatsächlich werden die Zugänge zu den Bahnsteigen auch nicht direkt mit dem Neubau verfügbar gemacht, sondern nur “vorbereitet”. Die Treppen können erst dann hinzugefügt werden, wenn die Deutsche Bahn die Bahnsteige saniert und Anpassungen in der Höhe der Bahnsteige vorgenommen hat. Es wird also zunächst die Brücke selbst gebaut und Aufgänge dann zu einem späteren Zeitpunkt hinzugefügt.
Wer die Treppe nicht nehmen kann, muss weiter Umwege in Kauf nehmen
Einen Fahrstuhl wird es weiterhin nur für den Aufgang in Höhe des Busbahnhofes geben, so dass es auch in Zukunft möglich sein wird barrierefrei von der Buerschen Straße zum Bahnhofsvorplatz zu gelangen.
Wer wegen Behinderung oder Gepäck die Treppen nicht nutzen kann, muss weiter bis zum Ende der Brücke laufen (Fahrstuhl runter), dann halb um das Bahnhofsgebäude herum, durch die Bahnhofshalle (Fahrstuhl rauf), schließlich über den Bahnsteig an Gleis 1 und von da dann wieder zu den unteren Bahnsteigen (Fahrstuhl runter) um zu den Zügen in Richtung Berlin, Amsterdam, Bielefeld via Bünde, Oldenburg und Delmenhorst zu gelangen. Für einen flotten Fußgänger fünf Minuten Umweg – mit Rollstuhl oder schwerem Gepäck auch gerne die doppelte Zeit.
Lediglich eine “Schiene”, auf der Radfahrer ihr Gefährt herauf- und herunterschieben können, wird es wohl geben, die regte das grüne Ratsmitglied Volkmar Seliger an; die Verwaltung wird den Einbau prüfen.
Umweg an Gleis 1 vorbei geht über privates Grundstück
Alternativ können Behinderte oder Reisende mit schwerem Gepäck von der Buerschen Straße kommend ‘vielleicht’ auch in Zukunft an der Bahnpolizei vorbei seitlich über Gleis 1 zu den unteren Bahnsteigen gelangen.
Allerdings, auch das wurde bei der Sitzung im Rathaus öffentlich, muss dabei Privatgelände gekreuzt werden, das zudem auch noch über einen Gehweg in einem schlechten Erhaltungszustand verfügt.
Dieser Umweg, den während der Bauarbeiten alle bisherigen Nutzer der Humboldtbrücke nutzen sollen, könnte also noch am Veto des Eigentümers, der die Flächen vor Jahren von der Bahn gekauft hat, scheitern.
Verwaltung hat alternative Wegführung nicht geklärt
Ob der private Eigentümer der Zuwegung zum Gleis 1 tatsächlich der alternativen Route zum Hauptbahnhof zustimmen wird, der Gehweg womöglich noch auf Kosten der Stadt ausgebessert wird und wann überhaupt nach dem Abriss mit dem Neubau begonnen werden kann? Auf diese Fragen wussten die Vertreter der Verwaltung im Ausschuss keine Antwort.
Es steht bislang nur der Termin für den Abriss
Auch hinsichtlich des Neubautermins ist man abhängig von Dritten, hier der Deutschen Bahn. Die hat bislang nur einen Zeitrahmen für den Abriss der alten Brücke vorgegeben, nicht jedoch für den Neubau.
Ohne Unterstützung durch die Bahn sind Arbeiten an der neuen Brückenkonstruktion nicht möglich, weil dafür entsprechende ‘Sperrzeiten’ in den Fahrplan eingefügt werden müssen, an denen kein Zugverkehr die Bauarbeiten stört. “Anfang 2025”, so der bisherige Stand der Verwaltung, könnte der insgesamt etwa 1,3 Millionen Euro teure Neubau begonnen werden – wenn die Bahn mitspielt.
Kommentar des Redakteurs
Die aus gammeligem Tropenholz gefertigte alte Humboldtbrücke muss weg, das steht außer Frage. Und dass die neue Brückenkonstruktion endlich auch einen direkten Zugang auf die Bahnsteige haben wird, ist eine sinnvolle und logische Neuerung. Dass aber in einer alternden Gesellschaft und angesichts des Ziels, das Bahnfahren attraktiver zu gestalten, auf einen barrierefreien Zugang zu den Bahnsteigen verzichtet werden soll, ist wohl ein schlechter Witz?
Fast schon absurd mutet es an, dass der für die Bauarbeiten dringend notwendige Umweg über Gleis 1 noch nicht mit dem Grundstückseigentümer geklärt wurde – immerhin soll der Abriss bereits in vier Monaten beginnen. Und was ist nach dem Neubau für die, denen die Fitness für die Treppe fehlt? Mit scheint, die Baubehörde unter dem scheidenden grünen Stadtbaurat Frank Otte ist derzeit etwas führungslos – wie eigentlich schon seit Jahren.
Barrierefrei von der Buerschen Straße zum Bahnhofsvorplatz gibt es nicht. Schon an dem Weg hoch zur Brücke ( von der Bushaltestelle kommend) gibt es eine höheren Bordsteinkante die mit Rollstuhl genommen werden muss. Und der Bürgersteig am Parkplatz hat keine abgesenkten Bordsteine. Die Straße zu den Gleisen ist zwar ausgebessert worden, aber im Dunkeln ein Zick Zack fahren um nicht ein Schlagloch trifft.
Ein Gleis-Zugang von der Humboldbrücke wäre ein Fortschritt, wichtiger wäre aber ein Ostausgang aus dem Tunnel unter den Gleisen 1 bis 5 heraus zur Hamburger Straße. Es wäre völlig unverständlich, wenn dieser Ausgang, der meines Wissens seit über 100 Jahren(!) gefordert wird, nicht endlich verwirklicht würde, zumal gerade die Brücke hinter dem Bahnhof neu gebaut und das Areal des ehemaligen Güterbahnhofs neu gestaltet wird. Die Stadt und die Bahn sollten doch wohl selbst daran interessiert sein.