Eine australische Ärztin hat sechs Wochen lang in der Clemens-August-Jugendklinik (CAJK) hospitiert. Dr. Christine Olesch aus Melbourne sagt, sie habe hier wertvolle Erfahrungen gesammelt. Ihre Hoffnung sei es, eine Kinder- und Jugendpsychiatrie nach deutschem Vorbild in Australien einzuführen. Denn dort gebe es nichts Vergleichbares.
In Australien würden Kinder und Jugendliche mit seelischen und psychischen Problemen oft in Abständen von Wochen oder Monaten von Kinderärzten gesehen, die häufig ein spezielles Interesse an Entwicklungs- oder Jugendpädiatrie hätten. Falls stationäre Behandlung nötig sei, würden diese Patienten auf somatischen (also Normalstationen) behandelt – im Allgemeinen nur für zwei bis drei Wochen. „Denn man möchte nicht, dass sich das Kind zu sehr an die Therapie gewöhnt“, so Dr. Olesch. Anschließend werde die Therapie ambulant fortgesetzt – mit häufigen Rückfällen.
In Deutschland sei das komplett anders: „Ich bin sehr beeindruckt von der ganzheitlichen Therapie hier in der Clemens-August-Jugendklinik, von der Tages- und ambulanten sowie stationären Therapie. Ebenso von der lebensfrohen Einrichtung der Klinik. Somatische Stationen und Klinikräume in der Ambulanz in Australien sind gewoehnlich steril mit wenigen Bereichen, wo Patienten sich wohlfühlen können.“
Es gebe in der CAJK Mototherapie, Schwimmen, Einzeltherapie, Elterntherapie, Elterneinbindung, holistische Konzepte und vieles mehr. „Ich möchte versuchen, auch bei uns in der Klinik dafür zu werben und einiges davon auch Schritt für Schritt einzuführen“, sagt die Medizinerin.
Aus Bochum nach Australien
Dr. Christine Olesch kommt ursprünglich aus Bochum und hat in Bonn Medizin studierte. Anschließend ging sie nach England. Dort arbeitete sie mit ihrem Mann, den sie während ihres Praktischen Jahres in Perth (Australien) kennengelernt hatte. Dann wechselte sie nach Melbourne, wo sie in der Entwicklungspädiatrie und Rehabilitation tätig ist und sich im Bereich Physio-Reha habilitierte.
Seit 13 Jahren arbeitet sie jetzt in einem Haus in der Kinderrehabilitation. Es ist das erste Haus in Victoria, Australien, das ein stationäres Therapie-Programm für Patienten mit Funktionellen Neurologischen Erkrankungen und Chronisch-Fatigue-Syndrom anbietet. Patienten mit anderen psychischen Erkrankungen werden teilweise nur ambulant behandelt, kurzfristig zur Krisenstabilisierung aufgenommen oder wie im Falle der Therapie der Anorexie längerfristig auf somatischen Stationen behandelt.
Australischen Ansatz ergänzen
Es sei ihr nach ihren Erfahrungen in der CAJK ein Anliegen, den australischen Ansatz, dass Kinder sich nicht zu sehr an die Therapie gewöhnen sollten, um einen neuen Ansatz zu ergänzen: Kinder lernen in der Therapie das Miteinander und sie profitierten sehr von der Therapie. Man erlebe Veränderungen/Entwicklungen – diese sehe sie in Australien nicht. Auch wenn es in der Therapie in Deutschland mal Rückfälle gebe, so hätten die Patienten dennoch eine Ebene erreicht, auf der man weiter aufbauen könne.
Die Therapie werde in der CAJK im Rahmen des Aufenthalts der Patienten gemeinsam mit dem Personal entwickelt und den Ansprüchen der Patienten angepasst, berichtet Dr. Olesch. Die Therapie betrachtet nicht nur die Patienten, sondern auch deren soziales Umfeld und zieht die Eltern in die Therapie mit ein. Wichtig sei es, eine Einrichtung zu haben, wo das Kind erstmal akzeptiert werde, aufgenommen werde und man sich in Ruhe anschaue, wie ihm geholfen werden könne. „Schön, dass die CAJK nicht die Atmosphäre eines Krankenhauses, sondern eher wie eine Wohngemeinschaft wirke, in der Patienten von einem Pflege und Erziehungsdienst be- und geleitet werden.“
Wie möchte Dr. Christine Olesch nach ihrer Rückkehr in Australien vorgehen? „Ich versuche, im bestehenden Betrieb kleine Entwicklungen vorzunehmen. Wenn ich zurückkomme, würde ich zunächst einen Vortrag halten und allen im Haus meine Erfahrungen aus Deutschland vorstellen.
Es gehe ihr auch darum, viele Maßnahmen zu hinterfragen und Versuche zu machen, zum Beispiel Patienten auch als Gruppe zu therapieren, Handyzeiten einzuschränken und Eltern einzubinden.
„Ich muss in Australien zeigen, dass es rentabel ist. Ich möchte Studien machen mit einigen Patienten, die wie gewohnt zwei bis drei Wochen aufgenommen werden und anderen, die zwei bis drei Monate aufgenommen werden. Ich möchte ein Konzept erstellen und etwas aufbauen, Interesse in der Gesellschaft schaffen und Gelder finden. Es geht mir darum die Idee einzubringen und Samen auszusäen.“
Deutscher Chefarzt kann australischen Ansatz nicht ganz nachvollziehen
Für die Hospitation in der CAJK bedankt sie sich bei allen Beteiligten: „Ich bin hier sehr herzlich aufgenommen worden, man hat mich schnuppern lassen. Ich durfte überall reinhören.“
Chefarzt Jürgen Gründkemeyer bestätigt die positiven Erfahrungen: „Wir wollen in Kontakt bleiben und die Arbeit von Dr. Christine Olesch begleiten. Gemeinsam Wachsen – ist unser Motto.“
Das australische Vorgehen, Kinder und Jugendliche in nur zwei Wochen zu therapieren, kann er nicht ganz nachvollziehen: „Die Menschen brauchen Zeit, um zu wachsen in der Psychiatrie.“ Die CAJK ist für rund 60 000 potentielle Patienten im Oldenburger Münsterland zuständig.