Guten Abend,
endlich ist die Zeit wieder reif für Frühlingsgefühle. Der März ist da, die Menschen werden fröhlicher, die Herzen werden weiter, die Liebe übermannt uns. Na ja, zumindest dürfen wir jetzt die berechtigte Hoffnung auf besseres Wetter hegen. Vielleicht beginnt endlich eine Zeit der allgemeinen Sorglosigkeit, der Unbeschwertheit, der guten Laune, der Mitmenschlichkeit. Ich habe da allerdings so meine Zweifel. Zum Monatsanfang mache ich traditions- und pflichtbewußt immer gerne eine Runde durch ausgewählte Schankstuben der Stadt. Ich möchte wissen, was die sogenannten einfachen Bürger denken und fühlen, wie es ihnen geht, ob sie mit ihrem Leben zufrieden sind. Vorher statte ich meiner Hausbank am Haarmannsbrunnen noch einen Höflichkeitsbesuch ab. Dort versorge ich mich mit ein wenig Bargeld, weil es die Wirte heute genauso wie vor 250 Jahren nicht gerne sehen, wenn man anschreiben läßt.
Ich finde es gut, Bargeld in der Tasche zu haben. Mir ist die Aufregung völlig fremd, die um die Abschaffung dieses Zahlungsmittels seit einigen Wochen gemacht wird. Ich möchte nicht auf den 500Euro-Schein verzichten, auch nicht auf 1- und 2Cent-Münzen, von mir aus kann es auch 30-, 40- oder 400Euro-Scheine geben. Geld kann man gar nicht genug haben, ich gönne jedem meiner Mitmenschen ein fettes Portemonnaie. Das gibt einem doch ein gewisses Gefühl der Sicherheit. Und jeder Mensch sollte für sich ganz persönlich entscheiden können, wie er seine Rechnungen bezahlt, auf welche Art und Weise er seine Finanzgeschäfte tätigt, ob er sein Geld zur Bank trägt oder es lieber unter dem Kopfkissen versteckt (wofür es heutzutage wirklich gute Gründe gibt). Für mich ist Bargeld ein Stück Freiheit, etwas eigenes, etwas, das nur mir gehört, das ich mir verdient habe und über dessen Verwendung ich ausschließlich selber entscheiden möchte. Ich weiß natürlich, daß der Staat es nur ungerne sieht, wenn seine Bürger ihre Vermögensverhältnisse nicht bis ins letzte Detail offenlegen. Aber beim Geld hört ja bekanntlich die Freundschaft auf, und vielleicht könnte sich unser Staat viel mehr Freunde machen, wenn er seinen Bürgern möglichst viel von ihrem sauer verdienten Geld läßt und endlich aufhört, ihnen vorzuschreiben, auf welche Art und Weise sie es aufzubewahren, anzulegen und auszugeben haben. Der Staat sollte sich an die eigene Nase fassen und seinen Umgang mit Geld einmal kritisch hinterfragen. Das Geld, das der Staat ausgibt, ist zuvor von seinen Bürgern verdient worden. Deshalb finde ich es auch höchst befremdlich, wenn der Bundesfinanzminister von einem Überschuß spricht, den der Staat erwirtschaftet habe. Diesen Überschuß hat er ausschließlich den Steuerzahlern zu verdanken, der Staat hat wenig zu den schwarzen Zahlen beigetragen, der Staat nimmt unbarmherzig, was er nur kriegen kann, und gibt wenig bis gar nichts zurück. Sollte er wirklich einmal Geld über haben, so wäre es doch nur gerecht, wenn er dieses Geld seinen Bürgern auf direktem Wege wieder zukommen ließe. Aber es werden sich schon genug Mittel und Wege finden, diesen Überschuß auch noch zu verbraten. Bis endgültig nichts mehr da ist. Der Bürger muß am Ende sehen, wie er zurecht kommt und wo er bleibt. Hauptsache, die Staatsfinanzen sind in Ordnung. Ich finde diese Einstellung der Politiker in hohem Maße gefährlich.
Nichtsdestotrotz habe ich mir am Geldautomaten ein wenig Bargeld besorgt. Ohne Moos nix los, ohne Knete keine Fete. Das Leben muß ja irgendwie weitergehen. Als ich dann vom Haarmannsbrunnen Richtung Domplatz schlenderte, traf ich einen alten Bekannten. Wir sind kurz miteinander ins Gespräch gekommen. Er war viele Jahre Geschäftsführer einer Firma für Fleischverarbeitung irgendwo im Osnabrücker Südkreis. Mittlerweile hat er die 70 überschritten und genießt seinen Ruhestand. Er fragte mich, was ich vom allgemeinen Zustand des Landes halte. Ich tat so, als wüßte ich nicht, worauf er hinauswollte. Er machte einen betrübten Eindruck und erzählte mir, daß er zusammen mit seiner Frau überlege, in den Süden zu ziehen, nach Spanien. Die beiden fühlen sich hier offensichtlich nicht mehr wohl, in ihrer eigenen Heimat, wo sie ihr ganzes Leben zugebracht haben. „Alles verändert sich, und keiner fragt uns, ob wir das wirklich wollen. Ich habe mehr als 55 Jahre gearbeitet, ich habe wirklich schwere Zeiten erlebt, ich bin einigermaßen hart im Nehmen, aber was jetzt passiert, damit komme ich einfach nicht mehr klar. Und weit und breit kein Politiker, der das versteht. Ich möchte mal wissen, wie Adenauer oder Brandt mit der aktuellen Lage umgegangen wären. Ich glaube nicht, daß die uns so im Regen stehen lassen würden wie Merkel und ihre Konsorten. Man muß doch in erster Linie an die eigenen Bürger denken und kann uns nicht die Probleme der ganzen Welt aufbürden. Griechenland, Syrien, Pegida, AfD, Flüchtlinge, VW-Affäre, Donald Trump – wo man auch hinschaut, überall nur Elend. Und wir werden mit ein paar Worthülsen vertröstet. Ich habe mir im Internet schon einiges angeschaut. Hier hält uns wirklich nicht mehr viel. Im Grunde sitzen wir auf gepackten Koffern.“ Dann wünschte mir der Mann noch einen schönen Abend und ging seiner Wege.
Ich hatte den Eindruck, mein Bekannter fühlte sich im Stich gelassen. Er hatte sein Leben lang für dieses Land gearbeitet, für den Steuerüberschuß, den der Finanzminister kürzlich voller Stolz präsentierte. Er war hier zuhause, seine Kinder waren hier aufgewachsen, er hatte ein Haus gebaut, für seine Familie gesorgt und war alles in allem immer ein braver Bürger gewesen. Und plötzlich, im Herbst seines Lebens, wo er doch eigentlich die Früchte seiner Arbeit und Mühen ernten sollte, wollte er nur noch weg. In diesem Land scheint wirklich etwas fundamental schiefzulaufen und aus den Fugen zu geraten, wenn die, die ihr ganzes Leben hier zugebracht haben, die dieses Land viele Jahrzehnte lang am Laufen gehalten haben, plötzlich auf gepackten Koffern sitzen. Vielleicht sollten unsere Politiker sich mehr um die Sorgen und Ängste ihrer Bürger kümmern, statt über die Abschaffung des Bargeldes zu schwadronieren. Vielleicht sollten wir uns alle mehr umeinander kümmern, dann hätten nicht mehr so viele von uns den Eindruck, sie würden im Stich gelassen. Aber dafür müßte endlich mal jemand über seinen Schatten springen und den ersten Schritt wagen. Dazu gehört viel Mut. Und in einer Gesellschaft von Jasagern und Karrieristen ist Mut eine Tugend, die eher selten zu finden ist. Nachdenklich und schwermütig ging ich in eine Schankwirtschaft in der Hasestraße und bestellte mir etwas zu trinken. Fröhlichkeit und Unbeschwertheit kamen bei mir an diesem Abend nicht mehr auf.
Ich wünsche allen Hasepost-Lesern ein Wochenende, an dem es nichts zu kritisieren gibt. Die Hoffnung stirbt zuletzt!
Ihr
Justus Möser