Guten Abend,
in den letzten Tagen ist wieder mal das Thema „German Angst“ durch die Tagespresse gegeistert. Denn aktuelle Umfragen belegen, daß ein Großteil der deutschen Bevölkerung nach wie vor Angst hat. Doch während wir uns noch vor ein paar Jahren hauptsächlich vor Arbeitslosigkeit, Geldproblemen und der Zerstörung der Umwelt fürchteten, stehen nun die Sorgen vor Überfremdung, Terroranschlägen und der Flüchtlingskrise im Vordergrund. Des weiteren glauben die Deutschen mittlerweile, daß ihre Politiker angesichts der zu bewältigenden schweren Aufgaben schlichtweg überfordert sind. Das ist allerdings eine Angst, die ich durchaus teile. Ich habe im Rahmen meiner wöchentlichen Kolumne immer wieder darauf hingewiesen, daß die Politiker das Volk nicht für dumm verkaufen dürfen. Menschen haben im allgemeinen ein feines Gespür dafür, wenn etwas aus dem Ruder zu laufen droht, wenn Gefahren lauern und Vorsicht angebracht ist. In der erhitzten und teilweise völlig überzogenen öffentlichen Diskussion der letzten Monate über Fremdenfeindlichkeit und Rassismus ist eine Sache leider so gut wie nie zu Rate gezogen worden: der gesunde Menschenverstand. Das ist ein wenig schade, denn er kann in vielen Fällen als guter Leitfaden und Wegweiser dienen. Und wenn die Lautsprecher in den großen Medien und Pressestellen dieser Republik sich von Anfang an des gesunden Menschenverstandes bedient und in ihren Verlautbarungen, Schuldzuweisungen und Ausgrenzungen auch ein wenig Platz für differenzierende Zwischentöne gelassen hätten, dann würde das Thema „German Angst“ wahrscheinlich nicht schon wieder bemüht werden müssen, um auf die schwierige Stimmungslage im Deutschland des Jahres 2016 aufmerksam zu machen.
Wenn eine mir völlig fremde Person an meiner Haustür klingelt, dann frage ich sie doch zunächst einmal nach ihrem Begehr und dem Zweck ihres Besuchs. Niemand wird von mir erwarten, daß ich ihr ohne vorherige Überprüfung und Begutachtung den Zutritt in meine privaten Räume gewähre. Deshalb bin ich weder fremdenfeindlich noch rassistisch, ich bin nur ein wenig vorsichtig. Diese Vorsicht liegt allerdings in meiner menschlichen Natur, sie ist mir sozusagen angeboren. Sie ist ein Teil meines gesunden Menschenverstandes und Selbsterhaltungstriebs, der nicht zuletzt auch meinem persönlichen Schutz dient. Seit einigen Monaten werden diese grundlegenden Elemente und Selbstverständlichkeiten der menschlichen Koexistenz von willfährigen Regierungsbeamten außer Kraft gesetzt. Die Bundeskanzlerin hat schließlich durch fragwürdige Deals mit despotischen Regierungschefs an der südöstlichen europäischen Außengrenze versucht, Schadensbegrenzung zu betreiben und die unmittelbaren Folgen des verantwortungslosen Treibens ihrer Handlanger ein wenig abzuschwächen – der Erfolg läßt aber nach wie vor auf sich warten. Zwar sind die Flüchtlingszahlen in Deutschland in den letzten Wochen um fast 50 Prozent zurückgegangen, dafür ist das Problem jetzt Ländern wie Italien und Griechenland überlassen worden, die innenpolitisch und wirtschaftlich zudem wesentlich instabiler als Deutschland sind. Verantwortliches Regierungshandeln sieht anders aus. Deshalb dürfen sich die Politiker jetzt nicht wundern, mit welch erschreckend hohen Werten die „German Angst“ in unseren Alltag zurückgekehrt ist. Politik muss aktiv gestalten, statt nur zu reagieren. Und Politik hat in erster Linie dem Wohl ihres Volkes zu dienen, von dem sie schließlich den Regierungsauftrag bekommen hat. All das scheint ein wenig aus den Augen verloren worden zu sein. In der Berauschtheit über die eigene Barmherzigkeit und das Mitgefühl für die Armen und Verfolgten in dieser Welt ist der gesunde Menschenverstand irgendwo auf halber Strecke verloren gegangen. Wenn nur die wieder aufflackernde Angst vor den daraus resultierenden Gefahren das einzige Problem wäre, dann würde ich nun feststellen, daß sich Ängste widerlegen lassen, daß man durch rationale Argumente und ordentliches Regierungshandeln dem Volk schnellstmöglich zeigen kann, daß man die Lage im Griff hat. Viel schwerwiegender als die „German Angst“ scheint mir aber der völlige Verlust an Vertrauen zu sein, der den Politikern in Deutschland nun entgegenschlägt. Aus eigener Erfahrung aus meiner Zeit als Justizrat in Osnabrück weiß ich, wie schwer es ist, einmal verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. Das ist ein Prozeß, der sich über viele Jahre, wenn nicht sogar Generationen hinziehen kann. Wenn zeitgleich eine große Mehrheit der Bevölkerung glaubt, daß ihre Politiker schlichtweg überfordert sind, dann beschleichen mich erhebliche Zweifel, ob dieser Prozeß am Ende Erfolg haben wird.
Ich habe am frühen Montagabend einen guten alten Bekannten aus Aachen am Osnabrücker Hauptbahnhof wiedergetroffen. Die Sonne schien, und wir haben uns kurz auf einen Kaffee nach draußen gesetzt. „Wie schön das doch bei Euch ist!“ sagte mein Bekannter plötzlich und ganz unvermittelt. „Solche Ruhe haben wir in Aachen nicht. Bei uns ist immer was los, manchmal völliges Chaos. Hier ist die Welt ja wirklich noch in Ordnung!“ Und dann zeigte er in Richtung Möserstraße(!) und dem advena Hotel Hohenzollern. Ich folgte seiner Handbewegung und mußte ihm innerlich Recht geben. An diesem Montagabend machte Osnabrück für die Besucher von außerhalb wirklich einen einladenden und zutiefst friedlichen, sauberen und ruhigen Eindruck. Ich ertappte mich dabei, wie ich ein wenig stolz auf meine Heimatstadt war. Ich hoffe nur, daß das nicht die Ruhe vor dem Sturm ist.
(Dieser Text entstand am Vorabend vor dem feigen Anschlag in Nizza)
Ich wünsche allen HASEPOST-Lesern ein Wochenende, an dem es nichts zu kritisieren gibt. Die Hoffnung stirbt zuletzt!
Ihr
Justus Möser