Guten Abend,
diesen Montag feiern die Deutschen mal wieder den Tag der Deutschen Einheit. Jetzt hat die Ostbeauftragte bzw. „Die Beauftragte der Bundesregierung für die neuen Bundesländer“, wie es im schönsten Amtsdeutsch heißt, mit Namen Iris Gleicke (SPD) den Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der deutschen Einheit veröffentlicht. Darin stellt sie unter anderem fest: „Der Rechtsextremismus in all seinen Spielarten stellt eine sehr ernste Bedrohung für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung der neuen Länder dar. Ein entschlossenes Handeln der Bundesregierung, der Länder, der Kommunen und der Zivilgesellschaft ist notwendig, um den gesellschaftlichen Frieden in Ostdeutschland zu sichern. Die große Mehrheit der Ostdeutschen ist nicht fremdenfeindlich oder rechtsextrem. Aber ich würde mir schon wünschen, dass diese Mehrheit noch lauter und deutlicher Stellung bezieht. Wir Ostdeutschen haben es selbst in der Hand, ob wir unsere Gesellschaft, unsere Städte und unsere Dörfer beschützen oder ob wir sie dem braunen Spuk überlassen. Die Gesellschaft darf nicht wegschauen, wenn Menschen angegriffen oder Flüchtlingsunterkünfte angezündet werden. Es steht für Ostdeutschland viel auf dem Spiel.“
Ich mußte ein wenig schlucken, nachdem ich diese Zeilen gelesen habe. Extremismus ist immer eine Gefahr für den Zusammenhalt einer Gesellschaft, egal ob er politischer oder religiöser Natur ist, ob er auf halbwegs legale Weise durch den Versuch der politischen Einflussnahme oder durch schlichte Gewalt versucht, seine Ansichten durchzusetzen. Doch die „neuen Länder“, die im Jahr 26 nach der Wiedervereinigung so neu gar nicht mehr sind, auf die Pöbeleien einiger Spinner zu reduzieren, steht gerade einer Ostbeauftragten nicht gut zu Gesicht.
Der Bundespräsident hat vor einigen Monaten das Wort vom „Dunkeldeutschland“ benutzt, um Ostdeutschland zu diskreditieren. Hier zeigt sich auf Seiten der Mächtigen in diesem Land eine Gesinnung, die nichts zum weiteren Zusammenwachsen unseres mehr als 45 Jahre geteilten Volkes beizutragen vermag, sondern ganz im Gegenteil die gesellschaftliche Spaltung weiter fördert.
Vielleicht sollte sich Frau Gleicke statt ihres Lamentierens über den braunen Spuk lieber mal ein paar Gedanken machen, warum rechtes Gedankengut überhaupt in Deutschland auf fruchtbaren Boden fallen kann. Zudem sind meines Wissens Orte wie Solingen, Mölln, Salzhemmendorf oder Oersdorf in Schleswig-Holstein, wo jetzt der Bürgermeister mutmaßlich wegen seines Einsatzes für Migranten zusammengeschlagen worden ist, geografisch nicht unbedingt Ostdeutschland zuzurechnen. Und doch hat sich grade hier eine Fremdenfeindlichkeit gezeigt, die nicht nur schockiert und abstößt, sondern auch zeigt, wie fragil unsere Zivilgesellschaft eigentlich ist und wieviel Zivilcourage wir aufbringen müssen, um solchen extremistischen Auswüchsen entschlossen entgegenzutreten.
Bekanntermaßen liegen die wirtschaftlich stärksten Regionen in Ostdeutschland im wunderschönen Sachsen, daß besonders gerne als Heimat des Rechtsextremismus bezeichnet wird. Nur an der schwachen Finanzkraft und strukturellen Problemen kann dieses Phänomen also nicht liegen. Vielleicht haben die Ostdeutschen auch einfach nur keine Lust mehr auf die angeblich so großen und epochalen Herausforderungen, denen sie sich seit 1990 unablässig gegenübersehen. Sie mußten sich zunächst auf dem Arbeitsmarkt ganz neu orientieren, dann kam die Digitalisierung, die Eurokrise, die Energiewende und jetzt seit einem Jahr die sogenannte Flüchtlingskrise. Ganz schön viel, was da alles in noch nicht einmal einem halben Menschenleben passiert ist. Und die Lösungen, die von den politischen Machthabern auch gerne mal als alternativlos bezeichnet werden, finden nicht immer die uneingeschränkte Zustimmung und das vollste Vertrauen in der Bevölkerung. Das ist in Leipzig und Cottbus nicht anders als in Osnabrück und Köln. Frau Gleicke sollte also zunächst mal ihre Hausaufgaben machen und zusammen mit ihren Kolleginnen und Kollegen eine Politik machen, die Zukunftsperspektiven aufzeigt und den Menschen ihre Ängste nimmt. Und nicht mit dem Zeigefinger auf das böse Volk weisen und auffordern, Städte und Dörfer zu beschützen. Optimismus sieht anders aus, und ich empfinde es nach wie vor als einer der obersten und auch schönsten Pflichten eines Politikers, den Menschen Mut zu machen und ihnen Hoffnung zu geben. Aber das scheint in der aktuellen Bundesregierung niemand mehr zu begreifen. Und das macht mir mehr Angst als die Taten einiger brauner Spinner.
Ich wünsche allen HASEPOST-Lesern ein Wochenende, an dem es ausnahmsweise mal nichts zu mösern gibt. Und einen schönen Tag der deutschen Einheit. Die Hoffnung stirbt zuletzt!
Ihr
Justus Möser