Guten Abend,

AFP

die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die unsäglichen Nazi-Vergleiche des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan und einiger seiner Minister als traurig und deprimierend bezeichnet. „Das ist so deplatziert, daß man es eigentlich gar nicht ernsthaft kommentieren kann. Zu rechtfertigen ist es schon überhaupt gar nicht“, ließ Frau Merkel im Rahmen einer Regierungserklärung zum aktuellen EU-Gipfel in Brüssel verlauten. Nazi-Vergleiche führten immer nur ins Elend und verharmlosten die Verbrechen des Nationalsozialismus. Merkel wolle das auf gar keinen Fall zulassen und forderte, daß diese Vergleiche unverzüglich aufhören müßten. Leider hat sie vergessen, irgendwelche Konsequenzen anzukündigen. Für den unwahrscheinlichen Fall, daß man ihrer Aufforderung nicht nachkommt. Schade ist auch, daß sie sich mit ihrer leisen Kritik an den Beleidigungen und Unterstellungen von Leuten, die Freiheit und Menschenrechte mit Füßen treten und die ihre in Deutschland lebenden Landsleute schamlos für die eigenen korrupten politischen Ziele instrumentalisieren, soviel Zeit gelassen hat. Und daß sie es dennoch nicht schafft, die Machenschaften von Erdogan & Co. als das zu bezeichnen, was sie eigentlich sind: eine Herabwürdigung des deutschen Volkes, eine Umkehrung des Täter-Opfer-Prinzips, eine fahrlässige Gefährdung des friedlichen Zusammenlebens zwischen Türken und Deutschen. Für den erbärmlichen Preis des Machterhalts eines Politikers, der wie kein anderer dazu beigetragen hat, daß sich die Türkei mittlerweile meilenweit von Europa entfernt hat, mit den Konsequenzen eines kontinuierlichen wirtschaftlichen Niedergangs und der Unterdrückung aller liberalen und pluralistischen Bestrebungen. Dieses Handeln wird flankiert von angeblichen sozialen Wohltaten für das türkische Volk, deren Finanzierung aber nicht erst seit dem Putschversuch des Militärs im vergangenen Sommer auf tönernen Füßen steht. Und von der Beschwörung der einstigen Größe des Osmanischen Reichs, daß nach dem ersten Weltkrieg zusammengebrochen ist. Sowie zu guter letzt natürlich von der Revision des Laizismus-Prinzips, daß der Gründer der modernen Türkei, Mustafa Kemal Atatürk, vor mehr als 90 Jahren durchgesetzt hat, um den Bürgern seines Landes mehr Wohlstand, Freiheit und Lebensqualität zu ermöglichen. Diese Werte tritt Erdogan mit Füßen. Er ist als führender Politiker der Türkei zu unvorstellbarem Reichtum gelangt, hat Familienangehörige und Vertraute in wichtige Funktionen gehievt und verwendet nun den Hauptteil seiner politischen Arbeit auf die Unterdrückung seiner politischen Gegner und die Zementierung seiner Macht. Und die deutsche Bundeskanzlerin findet sein Verhalten traurig, deplatziert und deprimierend. Viel mehr traut sie sich nicht, öffentlich über diesen Mann verlauten zu lassen. Aus welchen Gründen auch immer, vielleicht hat sie Angst vor einem Scheitern des sowieso höchst fragwürdigen sogenannten Flüchtlingsdeals mit der Türkei. Vielleicht fehlt ihr aber auch ganz einfach die Kraft, einem impertinenten und bösartigen Autokraten, der dabei ist, ein ganzes Land in den Abgrund zu reißen, entschlossen und energisch entgegenzutreten. Wie auch immer: Ich finde, daß man ihre mahnenden Worte zur unbedachten Nutzung des Nazi-Vergleichs auch gut auf die bundesdeutschen Verhältnisse anwenden kann. Denn in unserer angeblich so pluralistischen Gesellschaft wird ebenfalls zu jeder sich bietenden Gelegenheit die Nazi-Keule geschwungen, werden Menschen als rechtsradikal und rechtspopulistisch diffamiert, die es wagen, gegen Meinungen anzugehen, die als ultima ratio gelten und oft doch nichts anderes sind als der Versuch, die eigenen Interessen rücksichtslos und unter Umgehung aller demokratischer Spielregeln als Herrschaftsmeinung durchzusetzen. Diese Vorgehensweise unterscheidet sich kaum noch von den perfiden Machenschaften des Sultans vom Bosporus. Möglicherweise ist das ein Grund, warum die Kritik an ihm hierzulande doch eher verhalten ausfällt. Ich würde mir in diesem Zusammenhang doch etwas mehr Rückgrat von den verantwortlichen deutschen Politikern wünschen. Das, was sie ständig von ihren Bürgern fordern, sollten sie zuallererst mal selber praktizieren: die Dinge beim Namen nennen und Unrecht immer und unter allen Umständen anprangern. Was haben wir denn schon groß zu verlieren? Schlimmer als die verbalen Demütigungen der vergangenen Tage kann es wohl kaum noch kommen.

Ich wünsche allen Lesern der HASEPOST ein Wochenende, an dem es nichts zu mösern gibt. Die Hoffnung stirbt zuletzt!

Ihr

Justus Möser

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