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Osnabrücker Modehaus L&T stellt sich seiner Vergangenheit in der NS-Zeit

Viel zu lange her und nur eine Fußnote in der Geschichte des Unternehmens L&T? Für Geschäftsführer Mark Rauschen, einen Urenkel des Namensgebers Alfred Trieschmann, ist die Auseinandersetzung mit der Firmengeschichte eine fortdauernde Aufgabe, in die zukünftig die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter noch stärker eingebunden werden.

Das Umdenken beim Osnabrücker Modehaus Lengermann und Trieschmann (L&T) begann im Jahr 2010. Damals initiierte der frisch in die Geschäftsführung aufgerückte Mark Rauschen eine historische Untersuchung der Unternehmensgeschichte während der NS-Zeit. Eine Erinnerungstafel wurde im Erdgeschoss eingeweiht, und Projekte für ein friedliches Zusammenleben von Juden und Christen werden regelmäßig unterstützt.

Neben einem Firmenjubiläum, bei dem man – so wie es in der Nachkriegsgeschichte nicht nur bei L&T lange eingeübt war – die Wurzeln des Unternehmens in der Zeit des Nationalsozialismus aussparte, war es auch ein fast schon zufälliger Kontakt mit einem der eigentlichen Kaufhausgründer, der durch die „Arisierung“ sein Eigentum verloren hatte und aus Deutschland in die USA fliehen musste, der den Anstoß dazu gab, sich aktiv der Vergangenheit zu stellen.

Rauschen ärgert sich noch immer über falsche Reaktion auf Kooperationsanfrage

Dass trotzdem nicht immer alles so läuft, wie man es sich wünscht, darüber schweigt Mark Rauschen nicht. Im Pressegespräch betont er, dass es ihn immer noch sehr ärgert, dass man vor drei Jahren eine Anfrage zur Unterstützung eines Schülerprojekts hausintern falsch behandelt habe. Eine Anfrage zur Unterstützung des Projekts, bei dem eine Skulptur entstand, mit der vor dem OSC an die 1924 aus dem Osnabrücker Turnverein ausgeschlossenen jüdischen Sportlerinnen und Sportler erinnert wird, wurde während der Corona-Zeit mit einem Formbrief beantwortet, was zu lautstarker Kritik an L&T geführt hatte.

Auch aktuelle Entwicklungen motivieren zur Auseinandersetzung mit der Geschichte

Das Unternehmen, das 1935 aus dem Kaufhaus Alsberg & Co. hervorging, möchte sich nun noch stärker seiner Vergangenheit stellen und die daraus entstandene Verantwortung leben. „Wir möchten unserer Verantwortung im Heute mehr gerecht werden, vor allem aufgrund unserer Geschichte, aber auch mit Blick auf aktuelle Entwicklungen in unserer Gesellschaft“, erklärt Rauschen. Das Kaufhaus Alsberg & Co., gegründet von jüdischen Kaufleuten, wurde nach Boykotten und einem „Arisierungsprozess“ durch die NSDAP von Alfred Trieschmann und Friedrich Lengermann übernommen. Trotz Restitutionszahlungen an die früheren Eigentümer, bleibt das geschehene Unrecht ein schweres Erbe.

Unterlagen aus der NS-Zeit werden Landesarchiv übergeben

Nun gehen Rauschen und sein Team einen Schritt weiter: Alle Unterlagen aus der NS-Zeit werden zur öffentlichen Einsicht an das Niedersächsische Landesarchiv übergeben. „Wir möchten mit der Unternehmensgeschichte offen umgehen. Deswegen informieren wir inzwischen auf unserer Internetseite darüber und machen in wenigen Wochen alle Unterlagen aus dieser Zeit im Landesarchiv öffentlich zugänglich“, so Rauschen. Zudem wird das historische Gutachten mit dem Geschichtsbüro Reder, Roeseling, Prüfer aus Köln aktualisiert.

Lisa Simon, L&T Geschäftsführer Mark Rauschen, Katharina Müller-Spirawski (Zweitzeugen e.V.) und André Gizinski (Leiter der Unternehmensentwicklung bei L&T) stellten sich den Fragen der Presse
Lisa Simon, L&T Geschäftsführer Mark Rauschen, Katharina Müller-Spirawski (Zweitzeugen e.V.) und André Gizinski (Leiter der Unternehmensentwicklung bei L&T) stellten sich nach einem ersten Workshop mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern den Fragen der Presse / Foto: Pohlmann

Workshops mit Mitarbeitern gegen das Vergessen

Neben der Veröffentlichung der historischen Dokumente engagiert sich L&T auch aktiv gegen das Vergessen des Holocausts sowie gegen Antisemitismus und Diskriminierung in jeglicher Form. Den Anfang macht in dieser Woche ein Workshop für Mitarbeitende in Zusammenarbeit mit dem Verein Zweitzeugen e.V. aus Essen, der in Osnabrück seinen Ursprung hat. Der Verein bildet junge Menschen und Erwachsene zu „zweiten Zeugen“ aus, um die Erinnerung an den Holocaust lebendig zu halten. „Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer lernen anhand einer persönlichen Lebensgeschichte, was es damals hieß, verfolgt zu werden“, berichtet Katharina Müller-Spirawski, Gründungsmitglied des Vereins.

Wenn Schulwissen plötzlich lebendig wird

L&T-Mitarbeiterin Malin Luczak (24), die aktiv an der Vorbereitung des ersten Workshops mit dem Zweitzeugen e.V. mitgearbeitet hat, berichtet, dass sie bereits beim „Onboarding“ in das Unternehmen von der Gründungsgeschichte erfahren habe. Aber allein das Wissen darum und das, was sie in ihrer Schulzeit vermittelt bekommen hat, sei nicht vergleichbar damit, wenn man in einem Workshop erfahre, wie es konkret einzelnen Zeitzeugen ergangen ist. „Schulwissen wird plötzlich lebendig“, fasst die gelernte Gestalterin für visuelles Marketing ihre Erfahrungen zusammen.

Erinnerungskultur fest im Unternehmen verankert

Das langfristige Engagement des Unternehmens umfasst auch weitere Projekte und Veranstaltungen mit der regionalen Initiative Judentum Begreifen e.V. und den Gedenkstätten Gestapokeller und Augustaschacht e.V. Ein Workshop mit der Stiftung Erinnerung Verantwortung Zukunft steht im Herbst an. „L&T ist es sehr wichtig, dass die Erinnerungskultur fest im Unternehmen verankert ist. Gleichzeitig ist der Wunsch für die Zukunft auch anderen Gruppen wie Schulklassen derartige Bildungsangebote zugänglich zu machen“, so Lisa Simon, die das Engagement mit dem Blick von außen begleitet.

Nachfahre von Kaufhausgründer wird bei Buchprojekt unterstützt

Ein weiteres großes Projekt ist die Veröffentlichung der Memoiren „But for a moment“ von Ronny Stern, einem Nachfahren von Ludwig Stern, einem der jüdischen Gründer des Kaufhauses Alsberg & Co. Mit ihm ist Mark Rauschen seit vielen Jahren in regelmäßigem Kontakt.
„Die Gräueltaten im Holocaust werden inzwischen manchmal verharmlost oder geleugnet — mit dem Engagement wollen wir einen Teil dazu beitragen, dass nicht vergessen wird und ein ‚nie wieder‘ gültig bleibt“, betont Rauschen. L&T wird die Veröffentlichung des Buchprojekts in deutscher Sprache unterstützen und finanziert dafür unter anderem eine professionelle Übersetzung.


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Heiko Pohlmann
Heiko Pohlmann
Heiko Pohlmann gründete die HASEPOST 2014, basierend auf dem unter dem Titel "I-love-OS" seit 2011 erschienenen Tumbler-Blog. Die Ursprungsidee reicht auf das bereits 1996 gestartete Projekt "Loewenpudel.de" zurück. Direkte Durchwahl per Telefon: 0541/385984-11

  

   

 

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