2002 gründete Jan Südmersen mit einigen anderen die nichtstaatliche Hilfsorganisation (NGO) @fire. Nach den Erdbeben in der südlichen Türkei und Nordsyrien brachen 38 Helfende des @fire-Teams aus Wallenhorst in die Katastrophenregion auf. Sie konnten fünf Menschen retten, darunter eine verschüttete Mutter mit ihrer sechsjährigen Tochter.
Vor 20 Jahren wäre ein solcher Großeinsatz für das @fire-Team noch nicht denkbar gewesen. Eine kleine Gruppe Feuerwehrleute gründete die Organisation als Reaktion auf die verheerenden Waldbrände in Europa. Sie empfanden die föderalen Strukturen in Deutschland als Hindernis für schnelle und unkomplizierte Hilfe im Katastrophenfall. „Die ersten drei Jahre waren wir noch auf Waldbrände spezialisiert“, erinnert sich Südmersen. „Unsere Anfänge waren wild! Damals waren wir noch zehn bis zwanzig Personen. Der richtige Einstieg in die Katastrophenhilfe war erst 2004/2005 nach den Tsunamis an den Küsten des indischen Ozeans.“
Zugangsvoraussetzung ist Zeit
Im Landkreis Osnabrück gegründet sind die @fire-Teams heute flächendeckend in ganz Deutschland organisiert. Auch in Österreich, der Schweiz und Italien gibt es freiwillige Helferinnen und Helfer im Katastrophenschutz. Die meisten von ihnen sind Feuerwehrleute oder im Rettungsdienst tätig. Die Qualifikationen der Ehrenamtlichen sind für die Hilfe bei @fire allerdings keine Zugangsvoraussetzung: „Viel wichtiger als Qualifikation ist Zeit. Zeit, sich fortzubilden und zu lernen. Natürlich gilt: ‚Je mehr Qualifikationen desto besser‘, aber man kann auch als Quereinsteiger anfangen.“ Wer beim @fire-Team mithelfen will, durchläuft zuerst eine gründliche Fortbildung und besucht mehrere Seminare. Hier lernt man unter anderem die Grundlagen der Selbstfürsorge im Katastrophenfall: Hygiene und Ernährung. Das Credo lautet „keine Hilfe ohne Selbsthilfe“.
Verarbeiten und trotzdem funktionieren
Die Ausrüstung für die Einsätze von @fire ist jederzeit einsatzbereit. In Aluboxen liegen die Einsatzgeräte an einem zentralen Ort und müssen nur noch per Flugzeug in das betroffene Gebiet gebracht werden. Südmersen selbst war schon bei mehreren Einsätzen dabei – unter anderem nach dem Erdbeben in Haiti 2010 und kürzlich in der Türkei. Das Geschehene zu begreifen, zu verarbeiten und trotzdem zu funktionieren, ist nicht leicht, wie der Osnabrücker Feuerwehrmann erklärt: „Nach so einer Katastrophe kann man nicht einfach einen Schnitt machen und die Einsätze sind nie vergleichbar. Im aktuellen Einsatz war ein riesengroßes Gebiet betroffen und der ganze Bereich ist zerstört. Sich durchzubeißen und sich auf das Wesentliche zu fokussieren, ist manchmal schwer.“ Im Einsatzteam können sich die Kräfte austauschen und in einer professionellen Nachbesprechung bekommen sie den Raum, über das Gesehene und Erlebte zu sprechen. „Wir lassen keinen zurück“, fasst Südmersen zusammen.
Guter Wille reicht nicht
Während akuter Katastrophen klingeln die Telefone der @fire-Teams teilweise im Minutentakt. Viele Menschen rufen an und wollen helfen; mitfahren und Leben retten. Der gute Willen dahinter reicht aber leider nicht aus, um in Katastrophengebieten zu helfen. „Die Helferinnen und Helfer brauchen eine entsprechende Ausbildung, gerade um sich nicht selbst zu gefährden. Abläufe und Strukturen sind wichtig, damit wir überhaupt Hilfe leisten können.“ Im Verein engagieren sich heute über 400 Ehrenamtliche in der Trümmerrettung und Vegetationsbrandbekämpfung – und das weltweit. Die Arbeit der Freiwilligen wird über Spenden finanziert. Weitere Infos zum @fire-Team gibt es hier.