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Meinung: Straftäter sind keine „Aktivisten“, sondern Kriminelle

Was ist ein Aktivist, worin unterscheidet er (oder sie) sich von einem Straftäter? Daniel B. Jutzi macht sich so seine Gedanken und hat für die HASEPOST einen Gastbeitrag verfasst, der auch die Berichterstattung unserer Redaktion kritisch beleuchtet.

Ein Gastbeitrag von Daniel B. Jutzi

Jüngst gab es in Osnabrück Farb-Anschläge auf die Büros der örtlichen SPD, der Grünen und auf das der FDP. Die Attacke richtete sich gegen die Politik der sog. Ampel in Berlin; den Parteien wurde Verrat an den Klimazielen vorgeworfen. Die Hasepost berichtete darüber, z. B. hier: wuetende-wuehlmaeuse-bekennen-sich-zu-farbschmierereien-an-osnabruecker-parteibueros-362407 .
Die Täter wurden als „Aktivisten“ bezeichnet. Diese Bezeichnung ist aus vielen Gründen falsch, wenn Straftaten begangen werden und sollte dann nicht weiter verwendet werden. Damit schadet man ansonsten den Parteien, den Politikern, den Mitarbeitern, den Eigentümern und der offenen, demokratischen Gesellschaft insgesamt.

1. Der Begriff „Aktivist“ ist nicht neutral

Der Begriff „Aktivist“ ist positiv besetzt und wird in der Regel für Menschen verwendet, die versuchen, politische Ziele auch und gerade durch „Taten“ zu erreichen, also „aktiv“ sind. Die wörtliche Herleitung ist mithin neutral, so dass der Begriff dann unproblematisch und richtig zu verwenden ist, wenn es um die schlichte Beschreibung der Fakten geht, also z. B. um eine Demonstration, wenn es künstlerische Aktion gibt, wenn Müll aus dem Meer gefischt wird oder wenn Bäume gepflanzt werden, etc. pp. Wenn gezeigt werden soll, dass es um „Aktivitäten“ geht, ist richtigerweise von Aktivisten zu sprechen.

Davon zu unterscheiden sind die Sachverhalte, bei denen Straftaten begangen werden. Denn wenn der Begriff dann (trotzdem) verwendet wird, ist er politisch aufgeladen und gerade nicht mehr neutral beschreibend. Das kann man in der Presselandschaft gut beobachten: Geht es um Straftaten, bei denen „gute“ Ziele verfolgt werden, verwendet die Presse oft (trotzdem) das Wort „Aktivist“. So z. B. hier, wenn es um den Klimaschutz geht. Es gibt Niemanden, der dagegen wäre, es ist ein allgemein anerkanntes Ziel. Bei „schlechten“ Zielen, verwendet die Presse den Begriff des Aktivisten allerdings nicht. Wenn es z. B. um Rassismus geht, wenn eine Flüchtlingsunterkunft angegriffen oder mit Hakenkreuzen beschmiert wird, spricht Niemand von „rechten Aktivisten“; auch z. B. sog. Reichsbürger werden gemeinhin nicht als Aktivisten bezeichnet, obschon diese für sich in Anspruch nehmen würden, hehre Ziele zu verfolgen.

Der Begriff Aktivist ist also auch in den Fällen, in denen Straftaten begangen werden, positiv konnotiert. Wer den Begriff dann gleichwohl verwendet, zeigt seine eigene Haltung dazu.

Fazit: Der Begriff ist (nur) neutral, wenn die Aktion im Rahmen geltenden Rechts erfolgt. Wenn durch die Aktion auch Straftaten verübt werden, trennt sich die Spreu vom Weizen: Steht der Journalist/Redakteur dem „guten“ Ziel nahe, verwendet er (trotzdem) den Begriff des Aktivisten, steht er dem Ziel fern, verwendet er diesen Begriff nicht.

2. Eine neutrale Presse ist aber wichtig

Die Presse übernimmt in diesen Fällen damit eine politische Sprechweise, ein Framing und macht sich dadurch gemein mit der Sache. Sie verliert die Distanz und wird (mehr oder weniger unbewusst) zum Unterstützer. Der Nimbus der neutralen Sachlichkeit sollte aber unbedingt gewahrt werden, andernfalls wertet die Presse sich selbst ab. Wem kann man dann noch glauben, ohne Sorge zu haben, manipuliert zu werden?

Eine neutrale Presse ist unabdingbar für einen echten, offenen Diskurs und damit letztlich auch für das Funktionieren einer demokratischen Gesellschaft. Das sollte den Pressemachen mehr Wert sein, als ein paar Clicks.

 Fazit: Die Presse verspielt den Nimbus der Neutralität, wenn sie je nach Ziel differenziert, ob sie Straftäter als Aktivist bezeichnet. Es gilt jedoch, sich gerade nicht mit einer Sache gemein zu machen – auch nicht mit den (vermeintlich?) guten Sachen.

3. Straftaten sollten nicht verharmlost werden

Mit der Verwendung des Begriffs des Aktivisten auch im Rahmen der Begehung von Straftaten geht eine Verharmlosung einher. Die Täter werden aufgrund ihrer (vermeintlich) guten Gesinnung und den (vermeintlich) ehrenvollen Zielen geadelt. Diese Verniedlichung schafft auch eine gewisse Akzeptanz in der Gesellschaft und befeuert womöglich etwaige Nachahmer. Das aber wäre fatal, denn die Verharmlosung verschleiert die Folgen für die direkten und auch für die indirekten Opfer. Diese Verharmlosung leistet der Akzeptanz Vorschub und stellt die Opfer ein zweites Mal in den Regen. Sie schadet auch der Gesellschaft insgesamt.

Bei den Farb-Attacken auf die Büros der SPD, der Grünen und der FDP in Osnabrück ging es nicht um einen „Streich“, sondern um handfeste Straftaten, um Sachbeschädigung, um Einschüchterung der politischen Akteure und letztlich damit um Repression. Die Parteien sind zunächst auf einer ganz offensichtlichen Ebene geschädigt, sie wurden das unmittelbare Opfer dieser Attacke.

Mittelbar geschädigt sind aber auch die Mitarbeiter in den Partei-Büros: Man darf sich das ruhig einmal vorstellen: Ein Mitarbeiter einer politischen Partei, z. B. die angestellte Geschäftsführerin dort oder der angestellte Büroleiter, der selbst kein politisches Mandat hat, kommt morgens in sein Büro und findet dieses von außen stark beschmiert vor. Was denken sie sich? Werden sie sich wohlfühlen, das lustig finden? Wohl kaum. Derartige Attacken sind Angst einflößend, verbreiten ein Gefühl der Antastbarkeit, ein Gefühl, im Fokus zu stehen. Das dürfte dazu führen, dass diese Mitarbeiterinnen über einen Job-Wechsel nachdenken und, dass Parteien schlechter Mitarbeiter finden. Es kann auch insgesamt dazu führen, dass Menschen weniger bereit sind, sich für Parteien zu engagieren, da sie sich nicht exponieren möchten – aus Angst.

Wiederum direkt geschädigt sind die Eigentümer der Immobilien, die mit der Farbe beschmiert wurden. Die Farben zu entfernen (wenn es denn überhaupt geht), ist teuer und aufwändig. Auf den Kosten werden die Vermieter wohl sitzen bleiben, den Mietern (also den Parteien) werden sie diese zumindest nicht anlasten können. Im Fall der FDP hat es sogar das Rathaus selbst getroffen, dort wurde das Fraktionsbüro der FDP angegriffen, welches direkt im Rathaus seine Räumlichkeiten hat. Umso ärgerlicher für alle Bürger der Stadt und insb. für diejenigen, welche die Reinigung mit ihren Steuern bezahlen müssen.

Die Parteien sind also nicht nur unmittelbar geschädigt, sondern auch mittelbar, da Menschen abgehalten werden, sich politisch in Parteien zu engagieren und, da Vermieter es sich zweimal überlegen, ob sie Büros oder sonstige Veranstaltungsorte an Parteien vermieten.

Auch ein Polizist, der einen sog. Klimakleber vor sich sitzen sieht, wird für Klarheit in der Sprache dankbar sein. Es macht auch für ihn vielleicht einen Unterschied, ob er einen „Aktivisten“ vor sich hat, oder einen Straftäter (der auch als solcher bezeichnet wird). Klare Sprache ist auf allen Ebenen hilfreich.

Aber auch die freie, demokratische Gesellschaft an sich gerät durch solche Straftaten in Gefahr. Denn wer Sorge haben muss, Opfer einer Straftat zu werden, nur weil er sich politisch engagiert, wird vielleicht davon absehen, sich zu engagieren, wird sich nicht exponieren, wird sich zurücknehmen. So wird ein Klima der Repression und der Einschüchterung geschaffen. So werden Menschen mundtot gemacht, so werden Diskurs und Debatte erstickt. Damit wird an den Grundfesten der Demokratie gerüttelt.

4. Fazit

Wer solche Straftaten adelt und verharmlost, leistet der Akzeptanz von Straftaten Vorschub. Damit schadet die Presse sich selbst, den Parteien, den Mitarbeitern und den Eigentümern – und der gesamten Gesellschaft. Straftäter sollten nicht als Aktivist bezeichnet werden.

Daniel B. Jutzi

Der Autor ist Rechtsanwalt in Osnabrück und gibt, wie er es selbst formuliert „nur seine höchstpersönliche Meinung“ ab.

 


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