(Symbolbild) LKW von Osnabrücker Spedition Koch
Wie steht es um die Versorgungssicherheit in Lieferketten in Krisenzeiten? Mit dieser Frage beschäftigten sich zahlreiche Logistik-Experten im Rahmen des vierten Osnabrücker Logistik-Forums der hiesigen Hochschule. Quintessenz: Um Herausforderungen wie Pandemie, Krieg, Ressourcen- und Fahrermangel besser bewältigen zu können, braucht es in Zukunft unterschiedliche Ressourcenzugänge und ein besseres Risikomanagement. Und: Für Verbraucher wird es zwangsläufig teurer.
Ob globale Krisen oder bekannte Probleme wie Fachkräftemangel – die Liste der Herausforderungen, die die Logistik-Branche belasten, ist lang. „Irgendwelche Störfaktoren gab es immer schon, aber so intensiv und folgenreich für die Verbraucher wie in den letzten Jahren war es sonst nicht“, kommentiert Prof. em. Dipl.-Ing. Wolfgang Bode von der Hochschule Osnabrück. Eine Patentlösung für die Herausforderungen sieht der Experte von der Hochschule jedoch nicht. Klar sei allerdings, dass man den Aufwand für höhere Qualität und mehr Zuverlässigkeit in der Lieferkette erhöhen muss. „Das wiederum kostet dann natürlich Geld und wird sich somit auf die bei den Endverbrauchern ankommenden Preise auswirken – anders geht es nicht“, führt Bode aus. Beim Logistik-Forum sei einmal mehr deutlich geworden, dass Aussagen über Zukunftsperspektiven heute wesentlich schwerer zu treffen seien als früher. „Daher müssen wir davon ausgehen, dass Logistik in der Summe teurer wird und die Servicegarantie, an die wir uns gewöhnt haben, nicht mehr selbstverständlich ist“, macht Prof. Dr.-Ing. Marcus Seifert, Leiter des Logistik-Forums, deutlich.
„Da geht es anderen Regionen durchaus schlechter“
Hinsichtlich von lokal anzugehenden Herausforderungen wie Fahrermangel sieht Seifert die Region Osnabrück derweil besser aufgestellt als andere Wirtschaftsregionen: „Osnabrück ist natürlich eine wichtige Logistikdrehscheibe in Deutschland mit vielen Leuchtturmunternehmen wie Hellmann, die schauen, wie sie als Arbeitgeber attraktiv sein können, oder auch der Hochschule, die sich diesbezüglich auch viele Gedanken macht.“ Insgesamt sei die Situation zwar angespannter, aber immer noch lösbar. „Insofern glaube ich, dass es da anderen Regionen deutlich schlechter geht.“
Dieser Umstand alleine bedeute allerdings nicht, dass automatisch auch alle Regale in der Region voll sind, schließt Seifert an: „In einer Logistikkette kommt es nicht nur auf ein Glied an, sondern auf viele. Nur weil Osnabrück vielleicht funktioniert, heißt das nicht, das auch die Regale voll sind. Das spürt Osnabrück genauso wie jeder andere deutsche oder europäische Standort.“
Neuer Studiengang an der Hochschule?
Dass die Hochschule Osnabrück in den künftigen Entwicklungen in der Logistik-Branche eine entscheidende Rolle spielen kann, macht Bode noch einmal deutlich: „Bei vielen Maßnahmen wird eine bessere IT notwendig sein, wir brauchen mehr und bessere Daten und Künstliche Intelligenz, um die Daten besser zu verarbeiten. Daraus ergeben sich intelligente Algorithmen, die in der Logistik genutzt werden können.“ Dieser Umgang mit Daten erfordere wiederum höhere Qualifikationen. „Da sehen wir uns als Hochschule durchaus gefordert.“ Eine Idee, die Bode einbringt: „Wenn ich unseren Präsidenten beim Wort nehme, dann würde ich sagen, müssen wir einen neuen Studiengang einrichten: Transport-Management mit Bachelor-Abschluss.“
Auch sonst sehen Bode und Seifert lokal Verbesserungspotenzial, während man sich global auf mehr Unsicherheit einstellen müsse. Das macht Seifert am Beispiel des Berufsbildes eines Kraftfahrers fest. „Kein gutes Image, schlechte Rahmenbedingung. Einerseits ist die Bezahlung nicht gut, andererseits ist es damit nicht getan. Beispielsweise sind die Zustände auf Autobahnraststätten für Berufskraftfahrer nicht ausreichend, daran können aber die Unternehmen und Spediteure nichts ändern. Da muss also auf vielen Ebenen etwas passieren.“
Bald Lkw ohne Fahrer?
Mit Blick in die Zukunft hält Bode zudem den Einsatz von autonom fahrenden Lkw auf deutschen Autobahnen für denkbar, wenngleich die rechtlichen Grundlagen dafür noch fehlen. Eine andere Option für den Güterverkehr sieht der Logistik-Experte abseits der Straße: „Unsere Eisenbahn hat seit ihrer Erfindung das Problem, dass sie über Blockstrecken gesteuert ist, das heißt, ein Zug fährt immer in nur einer Blockstrecke von einem zu anderen Bahnhof. Da sich aus Sicherheitsgründen pro Blockstrecke und Zeit immer nur ein Zug befinden darf, ist der Durchsatz, also die Transportleistung, pro Strecke sehr gering.“ Diese Systematik resultiere auch aus dem Umstand, dass die Züge noch dazu sehr lange Bremswege hätten, was die Durchsätze an Gütern pro Strecke ebenfalls klein halte.
„Die Lkw sind da doch wesentlich leistungsfähiger und entsprechend wirtschaftlicher. Wenn aber die Waggons auf den Schienen einzeln gesteuert und angetrieben werden könnten, dann würden sie erheblich mehr Leistung schaffen und die Wirtschaftlichkeit der Bahn wäre zehnmal höher als auf der Autobahn. Vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeit wäre die Bahn zudem auch circa dreimal umweltfreundlicher“, führt Bode aus. Zwar gebe es bereits weltweit viele gute Ansätze und auch Pilot-Projekte, wie an der Universität Paderborn, die würden sich allerdings auf den Personentransport konzentrieren, wo die Wirtschaftlichkeit mit der neuen Technik im Gegensatz zum Gütertransport nicht so leicht realisierbar wäre. „Vermutlich hat deshalb leider noch kein zahlungsbereiter Investor das vorhandene Potenzial erkannt und entsprechende konkrete Produktentwicklungen in Auftrag gegeben.
Logistik wird teurer werden
Ein Schluss, zu dem die Experten immer wieder kommen: Logistik wird teurer werden und die hohe Servicegarantie wird immer schwieriger zu leisten sein. Die Auswirkungen auf die Verbraucher liegen dabei auf der Hand. Ihnen müsse man daher künftig mit „großer Offenheit und Ehrlichkeit begegnen“, so Bode. „Solange eine Fernbedienung funktioniert, merkt und lobt sie niemand. Man ärgert sich nur, wenn sie alle ist.“ So ähnlich sei es auch mit der Logistik. „Das ist auch der Grund, warum viele Jahre auf Kostensenkung gesetzt wurde. Jeder wollte bei Amazon und möglichst versandkostenfrei bestellen, aber die Leistung, die dahintersteht, wurde nicht honoriert. Das muss sich ändern“, erklärt Seifert. Dazu gehöre aber auch eine Weiterentwicklung der bestehenden Geschäftsmodelle von Leistungen, damit Kunden den Mehrwert hinter der Leistung spüre und dann vielleicht auch bereit sei, mehr zu zahlen. „Dafür brauchen wir kreative und gute Köpfe!“