45,98 Sekunden – Fabian Dammermann von der LG Osnabrück setzte nach seiner Rückkehr von den Olympischen Spielen in Paris ein besonderes Zeichen. Unter 46 Sekunden – das ist noch immer die Schallmauer zur europäischen Klasse und durchaus auch Weltklasse.
Berlin, Braunschweig, Rehlingen – nur in drei deutschen Stadien gab es in diesem Jahr schnellere Zeiten. 45,98 Sekunden – das ist Stadionrekord für den Sportpark Gretesch. Im Schlepptau unterbot auch Florian Kroll, frischgebackener deutscher U23-Meister, in 46,85 Sekunden den alten Rekord von 47,09 Sekunden des Berliners Florian Seitz aus dem Jahre 2003. Es war für den schnellsten Tischler Deutschlands das zehnte Saisonrennen unter der nächsten Schallmauer, den 47 Sekunden – ein Rekord der besonderen Art.
Siemer spricht von fairen Sportsleuten
„Beide zeigen eindrucksvoll, welch faire Sportsleute sie sind. Knapp an der Olympianominierung beziehungsweise gar am Olympiastart gescheitert, verlieren sie keine großen Worte über enttäuschende und nur schwer nachvollziehbare Entscheidungen, sondern zeigen auf der Bahn, was sie können und wozu sie vielleicht fähig gewesen wären. Beide wären eine Bereicherung für das deutsche Staffelteam gewesen“, so Trainer Anton Siemer.
Gut 100 Zuschauer und Aktive verfolgten begeistert das Rennen. Nicht ahnend, dass es vielleicht das letzte dieser Art in Osnabrück war. Mehr und mehr hat der Leichtathletik-Weltverband sein Wettkampfsystem durchorganisiert. Und mehr und mehr schlagen die Entscheidungen durchaus folgenschwer bis an die Basis durch. So gewinnt aktuell das World Ranking an Bedeutung, die Platzierung dort entscheidet in Teilen über die Zulassung zu Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen. Ein Athlet erhält bei einem Start Punkte für die erzielte Leistung, je besser, desto mehr (Result Score). Bei einer Leistung auf Europaniveau geht es dabei um etwa 1.000 Punkte. Dazu kommen, je nach Einordnung/Wertigkeit der Veranstaltung, Punkte für die Platzierung (Placing Score) von 375 Punkten als Olympiasieger über 100 Punkte als Deutscher Meister bis hin zu 15 Punkten als Sieger in der niedrigsten der angebotenen zehn Kategorien, der F-Kategorie, zu der erstaunlicherweise u.a. auch die Deutschen Meisterschaften der U23 und U20 gehören.
Wie viele Punkte gibt es für Fabian für sein Weltklasseergebnis in Gretesch? 0. In Worten NULL. Die Veranstaltung war als offizieller Wettkampf beim Verband angemeldet, auf die Anmeldung als World Ranking Competition hatte die LG Osnabrück verzichtet. „Das kostet Geld, wäre so kurzfristig gar nicht möglich gewesen, hätte nur für Fabian und Florian Relevanz gehabt und in der niedrigsten Kategorie maximal 15 Punkte gebracht“, erklärt Siemer. Bemerkenswert: „Mit null Platzierungspunkten kann man leben, aber dass die erzielte Leistung dann schlicht und einfach überhaupt keinen Einzug in die Weltrangliste erhält, ist ein Schlag ins Gesicht.“
Sportpark Gretesch hat eine bewegte Geschichte
Anton Siemer hat schon zu Saisonbeginn Erfahrungen mit dem System gemacht. Nevio Völkel, inzwischen Deutscher Hochsprungmeister in der U20, sprang gleich zweimal die Norm für die U18-Europameisterschaften. Aber da weder die Bezirksmeisterschaften in Dörpen noch in Oldenburg als World Ranking Competitions angemeldet waren, wurden die Ergebnisse auf europäischer und Weltebene nicht anerkannt, gelten quasi als nicht existent. „In die deutsche Bestenliste werden sie zumindest derzeit noch aufgenommen“, ist Siemer beim Blick in die Zukunft etwas bang.
Europarekorde, Weltjahresbestleistungen – der Sportpark Gretesch hat eine bewegte Geschichte, gehört zu den traditionsreichsten Anlagen in Deutschland. Die Liste der Stadionrekorde liest sich wie das „Who is who“ der deutschen Leichtathletik. Ulrike Meyfarth, Heide Rosendahl, Argentina Menis (Rumänien), Steffi Nerius, Christiane Krause – Olympiasieger, Weltrekordler, Medaillengewinner in bunter Reihe.
Deutsche Meisterschaften, die in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts mehrfach Station in Gretesch machten, sind inzwischen undenkbar. Eine Veranstaltung wie Gretesch live, die in den Jahren 2000 bis 2003 in Deutschland zu den Top Ten der deutschen Meetings zählte, wäre schon aufgrund der Weltverbandsanforderungen mit beispielsweise den vorgeschriebenen Prämien und Athletenzahlungen etc. nicht durchführbar.