Heutzutage sind auch in Osnabrück Sport- und Fußballplätzen Orte des Jubels. Doch dies war nicht immer so. Stichwort: Zwangsarbeit. Mit dem Projekt „Von einem Ort des Jubels zu einem Ort des Unrechts. NS-Zwangsarbeitslager auf Fußball- und Sportplätzen“ machen die Gedenkstätten Gestapokeller und Augustaschacht auf die Schattenseiten der Sportstätten aufmerksam.
Zwangsarbeitslager auf ehemaliger Spielstätte des VfL
Als man in Osnabrück auf einen ehemaligen Sportplatz des VfL Osnabrück stieß und herausfand, dass auf diesem früher Baracken eines Zwangsarbeitslager standen, wusste man noch nicht, wie verbreitet das Auftreten von Zwangsarbeitslager auf Fußball- und Sportplätzen ist. Im Stadtteil Gartlage hatte der VfL Osnabrück auf diesem Sportplatz am 26. Februar 1939 den damals amtierenden Deutschen Meister Hannover 96 mit 3:0 geschlagen. Ein riesiger und historischer Erfolg für die „Gartlager Elf“ vor mehr als 18.000 Zuschauern. Für Kriegszwecke wurden von den Nationalsozialisten später Baracken für ein Zwangslager für das benachbarte Osnabrücker Kupfer- und Drahtwerk (OKD) auf diesem Gelände errichtet.
Da wurde klar, dass man auf eine solche Geschichte hinweisen sollte, denn einerseits war dies ein Ort des Jubels, bei dem man den historischen Sieg gegen Hannover errungen hat, aber andererseits ein Ort des Leidens, wo die Nazis auf unmenschliche Art und Weise Zwangsarbeiter untergebracht hat. Die Gedenkstätten Gestapokeller und Augustaschacht hat dann in Kooperation mit dem VfL-Fanbündnis „Tradition lebt von Erinnerung“ sich mit dem Thema auseinandergesetzt. Weitergehend ist man bei der Recherche darauf gestoßen, dass dieser Sportplatz kein Einzelfall war.
Projekt wird ins Leben gerufen
Man fand 10 bis 15 Berichte von Zwangsarbeitslagern auf Sportplätzen und sagte sich laut dem Geschäftsführer der Gedenkstätten Gestapokeller und Augustaschacht Dr. Michael Gander: „Da wird ein Muster hinter sein“. Da es eine Ausschreibung der der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung, Zukunft“ (EVD) für Mapping im Bereich der Bildungsagenda „NS-Unrecht“ gab, hatte man die Idee dieser Spur nachzugehen. Nach der Bestätigung des Antrags startete das Projekt im Januar 2023. Für den Zeitraum bis Dezember 2024 wurden dafür vier neue Stellen geschaffen, bei denen sich die Mitarbeiter exklusiv mit dem Projekt beschäftigen. Neu sei es, dass man auf ein digitales Ergebnis hinarbeite und das mit einem dezentralen Team, das sich monatlich online trifft. Die Summe von 500.000 Euro Fördergeld ist nach Dr. Gander schon eine besondere Fördersatzhöhe und auch inhaltlich hält er das Projekt für sehr besonders. Es sei eine „große Freude und Verantwortung“, so der Projektleiter. Man schaffe ein komplett neues, originelles Projekt im Bereich des Fußballs.
Für das Projekt sammelt man Materialien und Informationen über Sportplätze in Deutschland und Österreich, bei denen es Hinweise auf ein Zwangsarbeitslager gibt. Man plant die gesammelten Orte übersichtlich auf einer interaktiven Karte auf der Internetseite des Projekts zusammenzufassen, womit man schauen kann, ob zum Beispiel früher auf einem Sportplatz bei einem selbst in der Nähe ein Zwangsarbeitslager war. Momentan kommen zwar nicht mehr so viele Hinweise rein, aber mit dem Launch der Website hofft man, dass neue Anfragen kommen.
Partizipativ und zielgerichtet auf Fußballfans
Um an neue Informationen zu kommen, braucht man die Mithilfe von Vereinen und Mitgliedern von betroffenen Sportstätten. Dabei kann jeder dann Materialien und Hinweise beispielsweise über die Sozialen Medien an die Projektverantwortlichen weiterleiten. Das können Informationen, Dokumente oder Fotos sein. Insgesamt 160 Orte wurden bisher gefunden, bei denen man jedoch einen unterschiedlichen Recherchestand hat. Bei manchen hat man lediglich ein Dokument, während es in Osnabrück in der Gartlage mit Fotos zum Lager, Pläne, Luftaufnahmen und auch Zeitzeugen(-interviews) eine breite Quellenlage gibt. Bei der Verteilung sei auffällig, dass es gerade in Großstädten und Ballungsräumen vermehrt Fälle gebe. Das betreffe vor allem hochindustrialisierte Gebiete wie das Ruhrgebiet. Es sei auch klar, dass es noch weitere betroffene Fußballplätze gebe als man bisher gefunden hat.
Das Projekt soll Fußballfans anregen sich über die Vereinsgeschichte kundig zu machen. Sie sind laut Michael Gander schließlich die adressierte Zielgruppe. Man spricht also nicht in erster Linie historisch interessierte Menschen an, da die Erfahrung im Stadion zu sein und zu jubeln Voraussetzung dafür sei, dass man die andere Seite des Unrechts zeigen kann. Für die Gestaltung und Bildsprache hat man auch bei der Auswahl des Unternehmens darauf geachtet, dass man sich explizit an Fußballfans richtet. Auch Jugendliche ab dem Alter von 14 Jahren will man auf das Thema aufmerksam machen.
Die Zwangsarbeitslager der Nationalsozialisten
Während des Zweiten Weltkriegs fielen durch das Einberufen von Soldaten viele Arbeitsstellen in Nazi-Deutschland weg, weshalb man neue Arbeitskräfte brauchte, die dafür sorgen, dass der Bedarf an Waffen, Munition und Verpflegung gedeckt wird. Dazu verschleppen die Nationalsozialisten ausländische Menschen und andere von den Nazis verfolgte Gruppen. Je nach Lager war die Situation unterschiedlich. Es konnten Menschen zu Tode kommen, auch, wenn das klare Ziel dieser Lager war, dass man die Menschen zum Arbeiten zwingt und nicht tötet. Michael Gander nennt zum Beispiel einen Vorfall als ein Mann vom Wachpersonal totgeschlagen wurde, da sie dachten, dass er sich weigert zu arbeiten. Dabei hatte dieser Mann einen Krampfanfall und konnte dies nicht kontrollieren. Insgesamt hing es von der Art der Gruppe, des Wachpersonals und von dem Zeitpunkt des Krieges ab, wie schlecht die Situation in den Lagern war.
Mit der Zeit gab es immer wieder Einberufungswellen zur Zwangsarbeit. Gerade zum Ende des Zweiten Weltkriegs kam es schnell zu vielen Einberufungen. Insgesamt acht Millionen Zwangsarbeiter wurden in Deutschland „beschäftigt“. Für diese vielen Menschen brauchte man wiederum Lagerorte in Deutschland und Österreich, aber auch in anderen (von den Nazis besetzten) Ländern wie der Niederlande. Da boten sich bereits existierende Scheunen, Hallen oder andere leerstehende Gebäude an, aber auch (aufgegebene) Sportplätze, denn diese haben eine nützliche ebene Fläche, auf der man Baracken errichten konnte. Der Grund für Zwangsarbeitslagern auf Sportplätzen war also schlichtweg der geringe Aufwand der Errichtung. In den Baracken stellte man dann Betten, Tische und Stühle rein und schon war es ein Lager. Der Anteil der Zwangsarbeitslager auf Sportplätzen war jedoch nur ein kleiner, weswegen dies auch erst in den letzten Jahren auffiel.
Launch der Website im November
Auf der Instagramseite des Projekts kann man auf dem Laufenden bleiben, was die Geschichte der Zwangsarbeit angeht. Man möchte mit dem Account dazu anregen mitzumachen und soll sich im Umfeld bezogen auf das Thema Zwangsarbeit auf Sportplätzen umhören. Außerdem will man an den historischen Orten auch kleine Schilder aufstellen, wenn die Kooperationspartner es denn wollen. Auf diesen Schildern sind dann erste Informationen zu den örtlichen Zwangsarbeitslagern zu sehen und ein Verweis, dass weitere Infos auf der Website zu finden sind.
Im November will man die Internetseite zu dem Projekt, die kurz und verständlich über das Projekt „Von einem Ort des Jubels zu einem Ort des Unrechts. NS-Zwangsarbeitslager auf Fußball- und Sportplätzen“ informiert, dann veröffentlichen. Diese soll über die Projektzeit hinaus Bestand haben und danach dann von dem Personal der Gedenkstätte betreut werden. Man verfolgt also über einen längeren Zeitraum das Ziel, fußballinteressierte Menschen auf Unrecht auf Fußballplätzen aufmerksam zu machen und dadurch das Bewusstsein für die Gegenwart stärken. Die Message des Projekts bleibt: Man muss aufpassen, dass Orte des Jubels nie wieder zu Orten des Unrechts werden können.