Sieben Monate lang, von April bis Oktober, feierte die Stadt Osnabrück das 375-jährige Jubiläum des Westfälischen Friedens, der 1648 in Münster und Osnabrück unterzeichnet wurde. Ein historisches Ereignis, das den Grundstein für eine lang anhaltende Friedensperiode in Europa legte. Doch trotz der bedeutenden historischen Tragweite bleibt nach dem Jubiläum ein gemischter Eindruck zurück.
Ein Kommentar von Dominik Lapp
Einerseits ist es natürlich lobenswert, dass die Stadt Osnabrück versucht hat, dieses bedeutsame Ereignis angemessen zu würdigen. Die zahlreichen Veranstaltungen und kulturellen Beiträge sollten die Bürgerinnen und Bürger dazu anregen, sich mit der Geschichte ihrer Stadt und des Friedens auseinanderzusetzen. Außerdem sollte der Westfälische Frieden nach außen getragen und Menschen in die Friedensstadt gelockt werden. Nachdem die Stadt nun Bilanz gezogen hat und sich selbst für das Geleistete feiert, bleibt jedoch der Eindruck, dass viel Potenzial verschenkt wurde.
Strahlkraft? Fehlanzeige.
Es ist schon merkwürdig, dass 1,95 Millionen Euro für die Jubiläumsfeierlichkeiten ausgegeben und davon 500.000 Euro in Marketingmaßnahmen investiert wurden, das Kulturamt aber weder einen Gesamtpressespiegel vorlegen kann noch eine Übersicht hat, wie viele Menschen denn nun tatsächlich eine der Veranstaltungen besucht haben. Und wie viele Leute sind eigentlich nur wegen des Jubiläums nach Osnabrück gekommen? Die Stadt weiß es nicht. Die Zahlen des Tagungsgeschäfts sollen gut gewesen sein. Man hat auch Erkenntnisse darüber, wie viel Geld Tagungsgäste im Schnitt ausgegeben haben. Aber ob das Jubiläum nationale, vielleicht sogar internationale Strahlkraft hatte? Man weiß es nicht.
Offiziell wird von 100.000 Besuchern gesprochen. In einem Zeitraum von sieben Monaten erscheint das extrem gering, wenn man doch allein beim Weihnachtsmarkt in nur vier Wochen 800.000 Besucher zählte! Ganz zu schweigen von den jedes Mal fantastischen Besucherzahlen der Maiwoche. Die Veranstaltungen im Friedensjahr erreichten offenbar nicht annähernd so viele Menschen. Die breite Bevölkerung, so zeigt es auch eine Umfrage der HASEPOST, schien teilweise kaum von den Feierlichkeiten Notiz zu nehmen. Hier stellt sich die Frage, ob die Stadt nicht stärker darauf hätte achten müssen, die Events für eine breitere Zielgruppe zugänglich zu machen. Es scheint, als seien einige der Aktivitäten zu abgehoben und fernab der Lebensrealität vieler Bürgerinnen und Bürger gestaltet worden.
Programmdirektor hat in den Sack gehauen
Mit den Kunst-Installationen von Ibrahim Mahama und Volker-Johannes Trieb hat man zwei skandalträchtige Programmpunkte gehabt, aber dazu gibt es keine Besucherzahlen, weil man diese bei Kunst im öffentlichen Raum so schwer erheben kann, wie es vonseiten der Projektleitung in einem Pressegespräch hieß. Ein Pressespiegel zu den beiden Projekten, der auf Nachfrage der CDU-Ratsfraktion für den Kulturausschuss offenbar eilig erstellt wurde, ist zwar recht umfangreich ausgefallen, aber mit Vorsicht zu genießen, wie die HASEPOST aufdeckte.
Angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen der Stadt Osnabrück wirkt die finanzielle Prachtentfaltung des Jubiläums letztendlich fehlplatziert – zumindest unter dem Gesichtspunkt, dass man weder eine genaue Besucherzahl noch die wirkliche Strahlkraft des Ereignisses nachweisen kann. Im Grunde war dieses Jubiläum wie ein Silvesterfeuerwerk: Ist vielleicht ganz nett gewesen, aber am Tag danach spricht niemand mehr darüber. Man hätte allerdings etwas erschaffen können wie das Fußball-Sommermärchen von 2006, an das man sich selbst heute noch erinnert, wenn man es miterlebt hat. Dazu hätte es aber an der Spitze des Jubiläums andere Menschen benötigt. Dass der ursprünglich vorgestellte Programmdirektor Stefan Schmidtke in Osnabrück ziemlich schnell in den Sack gehauen hat, um stattdessen die Geschäftsführung der Kulturhauptstadt Europas Chemnitz 2025 zu übernehmen, hätte ein Alarmzeichen sein müssen.
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