Jedes Jahr, alle paar Monate, wieder die gleichen Bilder: Unter einem LKW ist ein Fahrradfahrer zu Tode gekommen. Jetzt geht es wieder los mit der Schuldfrage. Es muss wohl immer einen Schuldigen geben. Aber es gibt keinen individuell Schuldigen und es darf auch keine Schuldzuweisung an “die” Radfahrer oder LKW-Fahrer geben. Es gibt eine grundsätzliche Fehleinschätzung der im Rathaus für den Verkehr verantwortlichen Politiker, was schwere LKW in der Innenstadt angeht. Es Zeit jetzt endlich zu handeln!
Ein Kommentar von Heiko Pohlmann
Schaue ich mir heute Morgen die Kommentare unter dem Facebook-Beitrag zu dem tragischen Unfall gestern auf dem Wall an, dann scheint es doch sehr einfach zu sein, einen Schuldigen zu benennen – oder aber eine Gruppe, die dann kollektiv die Wurzel allen Übels sein soll. Oft sind es “diese” Fahrradfahrer oder “die” LKW-Fahrer oder sogar der Kapitalismus ganz allgemein, denn weil wir nicht im Sozialismus darben wollen, fahren so viele LKW durch die Gegend.
Und auch die ersten Reaktionen der Parteien gehen in Richtung Verallgemeinerung. Versäumnisse beim Radwegebau sollen es sein oder die Verwaltung müsse jetzt ganz schnell Tempolimits, mehr Fahrradwege oder neue Fahrspuren etc. einrichten. Dann wird schon alles gut. Wird es aber nicht!
Nein, weder “die” Fahrradfahrer noch “die” LKW-Fahrer sind schuldig an den vielen Toten der vergangenen Jahre. Auch nicht die Osnabrücker und Osnabrückerinnen, die lieber den motorisierten Individualverkehr nutzen wollen, als sich bei widrigem Wetter auf ein Fahrrad setzen oder in einem sticken Bus fahren wollen. Selbst die Osnabrücker Stadtverwaltung und die Lokalpolitik, die sich viel zu lange vom Bundesverkehrsministerium haben abspeisen lassen, dass die Bundesstraße 68 mitten durch Osnabrück erst dann verlegt werden könne, wenn der Autobahnring um die Hasestadt geschlossen ist.
Und nein, mehr Fahrradwege zu bauen ist auch nur ein Herumdoktern an einem viel größeren Problem, und “dieses Problem” gehört einfach nicht in Innenstädte oder auf den Osnabrücker Wallring.
Schwere LKW gehören auf die Autobahn, nicht auf den Wall
Schuld ist der Irrglaube, dass ein für den Fernverkehr konzipiertes Gefährt, wie ein 40 Tonner Sattelzug, auch nur irgendetwas in einer Innenstadt zu suchen haben könnte.
Wir bekommen auch in Zukunft noch unseren Joghurt und unsere Flachbildfernseher, wenn wir diesen, auf den Transport von Gütern über lange Strecken optimierten, LKW nicht mehr in unsere Innenstadt einfahren lassen!
Derartig große LKW sind ideal um ein paar Zehntausend Joghurts von einer Molkerei im Allgäu über das Autobahnnetz bis in ein Warenverteillager am Stadtrand zu bringen. Auf so einen LKW passen auch hunderte Flachbildfernseher, die zum Beispiel aus dem Hamburger Hafen geholt werden, um in einen Elektromarkt im Industriegebiet gefahren zu werden.
Wenn es darum geht, die Geschäfte innerhalb des Wallrings zu beliefern, dann geht das hervorragend auch mit kleineren LKW, die zwar auch in Unfälle verwickelt werden können, dabei aber einen Fahrradfahrer nicht regelrecht zermalmen. Der Unterschied ist im besten Fall ein gebrochener Arm statt ein verlorenes Leben.
Natürlich kann und muss auch bei einem Durchfahrverbot für schwere LKW jede Gefahrenstelle entschärft werden. Aber es macht schon einen riesigen Unterschied, wenn in einer Innenstadt der maximalst größere Unfallgegner eines Radfahrers ein kompakter 7,49-Tonner oder ein langer Sattelzug mit einem Gesamtgewicht von 40 Tonnen und einer Länge von fast 20 Metern ist.
Mautpreller und Durchgangsverkehr sind das Hauptproblem
Aber es ist ja auch gar nicht der Lieferverkehr, der nur selten mit schweren LKW durchgeführt wird, der unseren Wallring so wahnsinnig gefährlich macht. Es sind die bewussten Mautpreller und die Speditions-Disponenten, die den LKW-Fahrer dazu nötigen, immer den kürzesten Weg zu fahren – auch wenn der massiv risikoreicher ist als der Umweg über das Lotter Kreuz.
Bleiben vielleicht noch gelegentlich ein paar größere Umzug-Möbellaster oder Baustellen-LKW. Dafür sollte es aber doch möglich sein Ausnahmegenehmigungen zu erteilen, gerne automatisiert und digital.
Von China lernen…
Wer schon mal in einer chinesischen Großstadt war, wird sich vielleicht gewundert haben, wie dort überall riesige Hochhäuser entstehen, ohne dass man einen Sattelzug mit Baumaterial oder Erdaushub sieht. Ganz einfach: Alle schweren LKW brauchen eine Sondergenehmigung für die Einfahrt in die inneren Ringe, die jede chinesische Metropole umschließen (in Beijing gibt es sechs davon um das Zentrum, und es ist sehr genau geregelt welche LKW welche Ringstraße nehmen dürfen) – je näher es ans Zentrum geht, desto weniger LKW und desto kleiner werden sie. Mit Ausnahme der verkehrsarmen Tagesrandzeiten, dann wird der Erdaushub von den Baustellen abgeholt und der Beton geliefert.
Warum geht das eigentlich nicht auch bei uns? Wir haben nur einen Ring um Osnabrück, und ich kann wirklich nicht erkennen, warum über diese Strecke so viele LKW fahren, von denen jeder potentiell den nächsten Radfahrer zermalmen könnte. Unsere Industrie- und Gewerbegebiete lassen sich bequem alle von den Autobahnen erreichen! Schwere LKW haben in der Innenstadt nichts zu suchen!
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„Denken ist schwer, darum urteilen die meisten“ (C. G Jung).
Bitte denken Sie mehr, Ihr Heiko Pohlmann.
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