Ab kommenden Mittwoch (27. Juli) fahren die Busse der Stadtwerke Osnabrück im Notfahrplan. Was vorerst nur für die Sommermonate gelten soll, ist ein fatales Signal an alle auf die persönliche Mobilität angewiesenen Osnabrückerinnen und Osnabrücker. Und auch für die vielfach beschworene „Verkehrswende“ ist es ein fatales Signal, das gut auch als Signal des Scheiterns interpretiert werden kann. Bis zum Ende der Sommerferien müssen die Stadtwerke es hinbekommen, wieder einen attraktiven und verlässlichen Service anzubieten.
Eine Kommentar von Heiko Pohlmann.
Wer in den vergangenen Tagen seinen Arbeitsplatz oder die Ausbildungsstelle erreichen musste, hatte die Wahl: Das Fahrrad, das den Fahrradweg bei der kürzlichen Sommerhitze wahlweise zum „Highway to Herzinfarkt“ machte, beziehungsweise zu einer sehr, sehr feuchten Angelegenheit im Starkregen – oder den Bus, der leider immer seltener fährt – ab Mitte nächster Woche dann im „Notfahrplan“.
Oder natürlich das private Auto, bei dem inzwischen selbst bei Kleinwagen eine Klimatisierung zum Standard gehört, die ab der gehobenen Mittelklasse oft auch per App vor der Abfahrt aktiviert wird.
Kann es bei der Sommerhitze etwas Schöneres geben? Gut gekühlt vorbei an Bushaltestellen, wo oft nur noch alle 20 Minuten ein Bus vorbeikommt – wenn denn einer kommen sollte. Vorbei an Fahrradfahrern, die im Winter dick eingemummelt wie Michelin-Männchen oder im Hochsommer nassgeschwitzt oder von Starkregen durchfeuchtet bei der Arbeit ankommen?
Dabei sollten wir doch gar nicht mehr mit dem Auto fahren. Nicht nur, weil die trotz Tankrabatt massiv gestiegenen Spritpreise die individuelle Mobilität zum teuren Vergnügen machen.
Eine Mehrheit im Stadtrat hat über Jahre alles daran gesetzt, eine ominöse „Verkehrswende“ einzuleiten.
Neben dem im Winterhalbjahr oder eben auch bei Sommerhitze und Starkregen völlig untauglichen Fahrrad sollte der Stadtbus eine echte Alternative zum Automobil bieten. Nur leider fährt der jetzt und fuhr er auch während der Lockdowns nicht so, wie er sollte.
Gerade dann, wenn man auf den Bus angewiesen ist, das haben wir gelernt, dann fährt er nicht.
Konnte ja keiner ahnen, dass man für jeden Bus auch Fahrer braucht und die auch mal krank werden. Wobei zu Zeiten des Lockdowns wohl auch so etwas wie eine Arbeitsverweigerung zu vermuten war. Während alle systemrelevanten Berufe – vor allem in der Pflege aber auch im Einzelhandel – „auf Posten“ waren, verabschiedeten sich die Fahrer der Stadtwerke massenhaft in die Krankschreibung, die Folge war seinerzeit ein 70-Minuten-Takt.
Wie auch jetzt: Angeblich sind schon wieder rund 20 Prozent der Stadtwerke-Busfahrer derzeit krankgeschrieben. Was für eine rekordverdächtige Krankheitsanfälligkeit bei den busfahrenden Mitarbeitern der Stadtwerke.
Wie kann das sein? Was läuft da schief? Ist der „gelbe Schein“ für viele Busfahrer ein Ausweis der inneren Kündigung (der Definition nach ein „Rückzug aus der engagierten Leistungsbereitschaft„)?
Der extern und wegen der im Energieeinkauf entstandenen Millionenverluste besorgte Krisen-Vorstandschef Stefan Grützmacher hat auch im Nahverkehrsbereich der Stadtwerke eine Baustelle, für die er schnell eine Lösung finden muss.
Wer „blau“ macht, gehört entweder gefeuert – was sich die Stadtwerke angesichts der Personalknappheit nicht leisten können – oder es muss nach den Ursachen geforscht und es müssen entweder die Arbeitsbedingungen oder die Bezahlung verbessert werden. Vermutlich beides, auch wenn das Geld bei den Stadtwerken gerade knapp ist.
Bessere Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen sind wohl auch notwendig, um die 75 Prozent der jetzigen Fahrer, die bis 2030 in den Ruhestand gehen, zu ersetzen.
Aber was interessieren die internen Probleme der Stadtwerke und die Gründe für den Bus-Notfahrplan diejenigen, die auf einen verlässlichen Transport zu Beruf oder Ausbildung angewiesen sind?
Jede und jeder, der jetzt und angesichts der hohen Spritpreise vor der Entscheidung steht, ob er sich ein neues (Elektro-)Auto anschaffen, oder den unbequemen aber ökologisch und oft auch ökonomisch sinnvollen Wechsel zu Fahrrad und Bus wagen könnte, wird sich jetzt wohl für das Auto entscheiden! Sofern es denn finanziell möglich ist.
Die Verkehrswende als Ausweis der finanziellen Möglichkeiten und weiterer Beleg der sozialen Spaltung unserer Gesellschaft?
Stadtverwaltung und Lokalpolitik sollten das im Hinterkopf haben, wenn wieder ideologisch geprägte Planspiele gegen das Automobil in die Tat umgesetzt werden sollen: Ihr bekommt selbst die Basics einer Verkehrswende nicht hin! Ohne attraktive Alternativen zum Automobil können und werden die Osnabrückerinnen und Osnabrücker nicht auf ihre Autos verzichten.
Gab es da nicht neulich ein Seminar zum Thema „Fehlerkultur„, bei dem auch die Stadtwerke, der gegen die individuelle Mobilität agierende Stadtbaurat und ein ganz besonderer „Rufbus“ eine Rolle spielten?
Warum nicht eine „ganzheitliche Verkehrswende“?
Wenn sich die einseitig auf Bus- und Radverkehr konzentrierte Mobilitätswende als Fehler und nicht durchführbar erweisen sollte, dann hört bitte auch auf, unsere Stadt für teures Geld umzubauen. Dann sorgt bitte dafür, dass der Autoverkehr ebenso wie der ÖPNV und der Radverkehr rollt und fördert zum Beispiel auch eine ordentliche Ladeinfrastruktur und ausreichend Parkmöglichkeiten in den Stadtteilen. Das wäre dann eine „ganzheitliche Verkehrswende“; warum eigentlich nicht?
„Vorerst“ soll der Notfahrplan bis zum Ende der Sommerferien gelten. Es besteht die Hoffnung, dass die Stadtwerke bis dahin ihre Fahrerinnen und Fahrer wieder in ausreichender Stückzahl hinter das Lenkrad bekommen.
Schaffen die Stadtwerke es aber nicht und bleiben die millionenteuren und öffentlich geförderten elektrischen Metrobusse weiterhin in großer Stückzahl im Depot, dann war es das mit der Verkehrs- oder Mobilitätswende in Osnabrück.
Selbst für passionierte Autofahrer wäre das ein Szenario, das nicht wünschenswert ist!
Wünschenswert wäre hingegen, wenn die Verantwortlichen sowie Politik und Verwaltung die Lehre ziehen, bei der Verkehrsplanung zukünftig wieder alle Optionen – also auch den motorisierten Individualverkehr – gleichberechtigt im Blick behalten. Im Augenblick und bis der Busverkehr zurück zu seinem alten Fahrplan findet, erleben wir eine Renaissance des Automobils, das da einspringt, wo die öffentliche Hand kein Angebot machen kann. Und auch wenn die Busse wieder rollen, wird das private Auto so schnell nicht verschwinden; und dann muss es Teil eines ganzheitlichen Verkehrskonzepts sein.
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„Denken ist schwer, darum urteilen die meisten.“ (C. G Jung)
Bitte denken Sie mehr, Ihr Heiko Pohlmann.
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