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Kommentar: Black Lives Matter ist kein Instagram-Trend

Die “Black Lives Matter” – Proteste erregten in den vergangenen Monaten die Aufmerksamkeit der Bevölkerung. Zahlreiche Menschen gingen auf die Straße, um sich gegen Polizeigewalt und Rassismus auszusprechen. Die Problematik ist allerdings keine “rein amerikanische”.

Noch vor wenigen Wochen war die internationale “Black Lives Matter”-Bewegung nicht aus dem täglichen Diskurs wegzudenken. Bilder von Protesten mit tausenden Teilnehmerinnen und Teilnehmern gingen durch die Medien. Kaum verging ein Tag, an dem Bilder von protestierenden Jugendlichen “bewaffnet” mit Plakaten und Mund-Nasen-Schutz es nicht auf die persönliche Facebook- oder Twitter-Timeline schafften. Und auch in Deutschland zog es zahlreiche Menschen auf die Straße, um gegen Polizeigewalt und Rassismus zu demonstrieren.

Black Lives Matter ist kein Trend

Und die Proteste dauern an. Am 25. Juli 2020 überquerten hunderte Fahrradfahrer, im Zeichen von Black Lives Matter, die New Yorker Brooklyn Bridge. “Wir können nicht aufhören, Druck auszuüben”, sagte ein Demonstrant gegenüber Spectrum News NY1. “Ich bin sicher, jeder würde sich gerne an einem Samstagabend mit all seinen Rechten, Gleichheit, Gerechtigkeit und Zugang zur Gesundheitsversorgung zur Ruhe finden. Aber wir haben diese Dinge nicht und marschieren weiter, wir finden neue Wege, und wir tun es mit Beständigkeit.” Schwarze Leben zählen immer – Black Lives Matter ist kein “Trend”. Es ist eine Bewegung und kann nicht auf einen Instagrampost oder einen Hashtag heruntergebrochen oder reduziert werden.

Ursprung der Bewegung

Ihren Ursprung hat die Bewegung 2013 mit der Verbreitung des Hashtags #BlackLivesMatter in den sozialen Medien. Auslöser war zu diesem Zeitpunkt der Freispruch von George Zimmermann, Mitglied einer Nachtbarschaftswache, der wenige Monate zuvor den unbewaffneten, afroamerikanischen Highschool-Schüler Trayvon Martin erschossen hatte. “Notwehr” lautete die Begründung des 28-jährigen. Der Vorfall löste sowohl in den USA als auch international eine Rassismusdebatte aus.

“I can’t breathe”

In diesem Jahr führte der Tod des Afroamerikaners George Floyd zu Protesten gegen Polizeigewalt und Rassismus. Der 46-Jährige war während eines Polizeieinsatzes im amerikanischen Minneapolis getötet worden. Derek Chauvin, ein weißer Polizeioffizier, kniete fast acht Minuten lang auf dem Nacken des in Handschellen gelegten Floyd. Währenddessen bettelte der 46-jährige Mann um sein Leben: “They’re going to kill me. I can’t breathe. Please, sir. Please.” Der Auslöser für den Einsatz: Floyd wurde vorgeworfen, eine Schachtel Zigaretten mit einem gefälschten 20-Dollar-Schein erworben zu haben. Schockierender Weise sind Vorfälle dieser Art keine Seltenheit: Tamir Rice, Walter Scott und Breonna Taylor sind nur wenige Namen auf der Liste der durch Polizeiaktionen oder in Polizeigewahrsam verstorbenen Afroamerikaner.

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Wandgemälde: George Floyd.

Ein “rein amerikanisches Problem”?

An dieser Stelle wäre es “einfach”, das Problem als ein rein amerikanisches zu betrachten. Es wäre “einfach” zu sagen, dass Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland keine ungleiche Behandlung durch Polizeibeamte erfahren – doch entspricht dies tatsächlich der Realität?

Erstickungstod durch Einwirkung von Gewalt

Zum Zeitpunkt seines Todes war Aamir Ageeb 31 Jahre alt. Der sudanesische Flüchtling starb bei seiner Abschiebung an Bord des Lufthansa-Fluges von Frankfurt am Main nach Kairo. Zusätzlich zur Fixierung an Beinen und Armen wurde dem Mann ein Motorradhelm aufgesetzt. Die Rechtsmedizin sprach später von einem “lagebedingten Erstickungstod durch massive Einwirkung von Gewalt”. Minutenlang drückten Polizeibeamte den Kopf des schreienden Ageeb nach vorne.

Rassismus ist ein Problem – auch in Deutschland

Die Dimensionen dieser Problematik sind in Deutschland, verglichen mit den USA, eine andere. Allerdings wäre es zu einfach, nur mit dem Finger auf andere zu zeigen und Rassismus-Probleme in der Bundesrepublik zu ignorieren. Rassismus ist nicht nur dann problematisch, wenn Menschen körperlich zu Schaden kommen. Ob unterschwellig oder öffentlich präsentiert – Rassismus ist ein Problem: auch in Deutschland.

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“Deutschland ist nicht unschuldig. Say their names.”

“Racial Profiling”

Von „racial profiling“ bis zu rassistischen Aussagen: Menschen mit Migrationshintergrund erleben auch hierzulande täglich Rassismus. Erst kürzlich hat die HASEPOST über einen Vorfall in einem Osnabrücker Linienbus berichtet. „Nachdem ich in den Bus gestiegen bin, muss ich mir anhören, dass ein Ausländer, der Hartz 4 bekommt, sich keinen Hund leisten kann. Es ist wohl unmöglich, dass ein Ausländer seinen Hund zur Arbeit nimmt“, schrieb der Betroffene dazu auf Twitter.

“Wie kleine Mückenstiche”

Das sind Blicke, Anstarren, Kommentare und Fragen – und das sehr oft von fremden Menschen. Schwarze Menschen grundsätzlich auf Englisch anzusprechen ist auch Rassismus. Denn es suggeriert, dass sie nicht Deutsche sein können. Das alles sind die sogenannten Mikroaggressionen. Sie fühlen sich wie kleine Mückenstiche an, sehr nervig und verletzend, aber gleichzeitig sehr subtil und dadurch für viele Nichtbetroffene unsichtbar“, erklärt Kalsoumy Balde im Gespräch mit dem „Tagesspiegel“. Eine weitere Variante des Rassismus ist das „racial profiling“. Das bedeutet: Menschen werden aufgrund ihrer Hautfarbe oder ihres „fremden Aussehens“ vermehrt von Polizeibeamten kontrolliert. Auch hierzu finden sich online zahlreiche Berichte von Betroffenen.

Studie zum “racial profiling”?

Natürlich gibt es Polizeibeamte, die sich gezielt für Minderheiten einsetzen. Den Blick nur auf das Positive zu lenken und Problematiken zu ignorieren oder zu leugnen, ändert allerdings wenig an der tatsächlichen Situation. Daher wurden vermehrt Forderungen nach einer Studie zum „racial profiling“ laut. Für eine empfohlene Studie gibt es, so Innenminister Horst Seehofer, allerdings „keinen Bedarf“. Frei nach dem Motto: „Wer nicht testet, kriegt auch keine positiven Ergebnisse – oder?“

Im Interesse der Polizei

“Das Thema Racial Profiling ist ein sensibles. Wir sind überzeugt, dass es im eigenen Interesse der Polizei ist, sich in eine solche Studie einzubringen, die eine Faktenbasis für weitere Maßnahmen in diesem Feld schafft”, sagte die Vorsitzende der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz Maria Marouda der “taz”.

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Schild einer Demonstratin am Schlossgarten./Foto: Tatjana Rykov

Wieso “All Lives Matter” problematisch ist

Rassismus wird nicht dann erst problematisch, wenn Menschen körperlich zu Schaden kommen. Die Problematik ist für viele PoC (Person of Colour) eine alltägliche – bei der Wohnungs- oder Jobsuche oder auch nur bei einfachen Konversationen. Wer sich mit „Black Lives Matter“ solidarisiert, spricht sich nicht dafür aus, dass nicht „alle Leben zählen“ (All Lives Matter). Natürlich zählt jedes Leben. Und natürlich haben auch Weiße Probleme – um die geht es allerdings gerade nicht.

Ein Reddit-User veranschaulicht die Problematik hinter „All Lives Matter“ in einem einfachen Beispiel: “Wenn ein Haus brennt, rufen wir auch nicht die Feuerwehr und bitten sie das eigene Haus auch zu löschen – obwohl es nicht brennt – weil alle Häuser wichtig sind.” Ist es demnach in jedem Fall rassistisch auf “Black Lives Matter” mit “All Lives Matter” zu antworten? Nein. Ist es ignorant? Ja.

Benachteiligung aufgrund der Hautfarbe

Wer auf die Rassismus-Erfahrungen von PoC hinweist und die damit verbundenen Probleme (angefangen bei der Wohnungssuche etc.) aufzeigt, sagt nicht, dass weiße Menschen keine Probleme oder Sorgen haben. Der Unterschied: Der weiße Herr Meier wird nie erfahren, wie es sich anfühlt, aufgrund eines „fremd-klingenden“ Nachnamens bei Job- und Wohnungssuche Schwierigkeiten zu haben. Es wird nie erfahren, wie es sich anfühlt, aufgrund der eigenen Hautfarbe ständig auf Englisch angesprochen zu werden – obwohl er akzentfrei Deutsch kann. Er wird nie erfahren, wie es sich anfühlt, als Einziger weit und breit einer Polizeikontrolle unterzogen zu werden.

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#BlackLivesMatter

#BlackLivesMatter

Weiße Menschen werden nie zu einhundert Prozent verstehen können, wie es ist, aufgrund ihrer Hautfarbe, in Deutschland benachteiligt zu werden. Was wir tun können, ist uns mit PoC zu solidarisieren und auf die Problematik aufmerksam zu machen – uns gegen Rassismus, ob unterschwellig oder offen zur Schau getragen, einzusetzen. In diesem Sinne – #BlackLivesMatter!

Mit diesem Kommentar möchte ich mir nicht das Recht nehmen, für PoC zu sprechen. Ich möchte dazu aufrufen, Betroffenen zuzuhören und ihre Erfahrungen nicht unter den Teppich zu kehren. Ob eine unterschwellig rassistische Aussage verletzend ist, entscheidet der Betroffene und nicht der Zuhörer.

 


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