Wenn mich in den vergangenen Jahren jemand mitten in der Nacht geweckt hätte um mich zu fragen, was denn die drängendsten Probleme der Stadt Osnabrück sind, dann hätte ich wohl ohne viel zu überlegen folgende drei Punkte genannt:
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- Neumarkt
- Güterbahnhof
- Stadtbaurat Frank Otte
Zumindest hinter zwei der genannten Probleme hat Oberbürgermeister Wolfgang Griesert im vergangenen Jahr einen Haken setzten können. Und was das ganz spezielle „Problem“ Frank Otte angeht: Vielleicht habe ich mich einfach geirrt und die zweite Amtszeit des Stadtbaurats zeigt uns diesmal andere Aspekte seiner Tätigkeit, die es Otte erlauben die bisherige Kritik an seinen Handlungen abzuschütteln.
Und natürlich war und ist Corona in den vergangenen Monate so sehr zum Problem geworden, dass alle anderen Probleme im Vergleich zu „Problemchen“ wurden.
Zum Corona-Management der Stadt Osnabrück und der Person, die dafür wie keine andere steht, dazu unten noch mehr.
Ein etwas anderer und persönlicher Jahresrückblick von Heiko Pohlmann
Der Neumarkt erinnert 2021 noch immer an Bukarest 1989
Doch zurück zum Neumarkt. Es stimmt schon, der Problemplatz sieht noch immer aus wie Bukarest oder irgendeine andere heruntergekommene Metropole des Ostblocks kurz vor dem Herbst 1989, in Folge jahrzehntelanger sozialistischer Misswirtschaft.
Leerstand, Verfall – und was die Johannisstraße angeht auch zunehmend Kriminalität und allgemeine Verwahrlosung – prägen die Mitte der Stadt. Hinzu kommen die Streitereien mit der Berliner Planungsfirma, die, flankiert von den Osnabrücker Grünen, immer noch darauf besteht die Oberflächen mit Beton zu gestalten, was bereits am Rosenplatz zu einem schrecklichen Ergebnis geführt hat.
Grüne und Linkspartei als schlechte Verlierer am Neumarkt
Das zentrale Element des Schreckens am Neumarkt, die Bauruinen des Kachelhauses und des ehemaligen Hertie/Wöhrl/Ypso Komplexes sind aber inzwischen verkauft und Investor Alexander Lindhorst hat beim Pressetermin Anfang Dezember keinen Zweifel aufkommen lassen, dass er es ernst damit meint mit den Johannishöfen“ neue städtebauliche Akzente zu setzen. Ein modernes Konzept, das mehr auf Wohnen denn auf innerstädtischen Einzelhandel setzt.
Dass diesem mutigen Unternehmer inzwischen vor allem aus Reihen der Osnabrücker Jusos, den Grünen und der Linkspartei Vorwürfe entgegengebracht werden, sein Vater würde mit der AfD sympathisieren, kann man wohl unter „schlechte Verlierer“ abtun und als Versuch den beginnenden Kommunalwahlkampf um einen grotesken Aspekt anzureichern.
Jahrelang, gekrönt von einer inzwischen schon zu einem Meme gewordenen Fake-News-Abrissanzeige, waren auch die beiden öko- und hardcore-linken Fraktionen des Stadtrats einer französischen „Heuschrecke“ hinterhergelaufen, die vermutlich niemals geplant hatte tatsächlich ein Shoppingcenter am Neumarkt zu errichten, sondern Osnabrück lediglich als Spekulationsobjekt genutzt hatte um Investoren an der Börse auch weiterhin Zukunftsprojekte vorzugaukeln.
Güterbahnhof hat endlich eine Zukunft
Auch der Güterbahnhof ist von meiner imaginären Problem-Liste der Stadt verschwunden. Hier hat die Coppenrath-Stiftung im Herbst den Gordischen Knoten durchschlagen und die Stadt von dieser riesigen Brache befreit, um dort nicht weniger als einen neuen kleinen Stadtteil zu entwickeln, der auch die Heimat für Zukunftstechnologien und neue Arbeitgeber bieten soll.
Vorbei der Ärger mit der ominösen Zion GmbH, ihrem Geschäftsführer Ralf „le Frisur“ Gervelmeyer und der Freikirche, die dort einen kleinen Gottesstaat errichten wollte.
Kann Frank Otte in zweiter Amtszeit mit Ergebnissen überzeugen?
Und was ist mit dem sicher nicht nur von mir lange Zeit als „Problem“ empfundenen Stadtbaurat? Egal ob XXL-Fahrradweg oder Ärger mit den „Berliner Kissen“, Frank Otte war während seiner ersten Amtsjahre immer gut für ein Aufregerthema und erlangte dadurch auch überregionale Bekanntheit.
Allerdings hat Otte in den vergangenen Monaten die Grenzen seiner Eigenmächtigkeit aufgezeigt bekommen und erlebte vor dem Lokalparlament mit seinen Plänen für den Anbau am Ratsgymnasium und der Bebauung des ehemaligen Klostergartens („Stadthaus 3“) zwei fulminante Niederlagen.
Dadurch, dass die Verantwortung für die Umgestaltung der Rheiner Landstraße inzwischen bei Stadtkämmerer Thomas Fillep liegt, hört man den Namen Otte auch nicht mehr in Verbindung mit diesem Großbauprojekt… und man wundert sich: Die Baustelle der Rheiner Landstraße funktioniert hervorragend und geht gut voran.
Stattdessen präsentierte Otte im vergangenen Jahr Pläne für die Umgestaltung des Ledenhofes, die Hoffnung machen, dass eine architektonische Sünde aus den späten 70er Jahren (eben der Ledenhof) endlich aus dem Stadtbild getilgt wird.
Und Frank Otte präsentierte ein innovatives Verkehrsregelsystem, das zwar an einigen Stellen den Individualverkehr mit individuellen Eingriffen ein wenig ausbremsen soll, in der Gesamtheit aber die Erreichbarkeit der Stadt auch weiterhin mit allen möglichen Verkehrsmitteln sicherstellen wird.
Wenn das so weitergeht, dann zeigt sich womöglich auch noch, dass es eine gute Entscheidung von Oberbürgermeister Wolfgang Griesert war, diese kontrovers diskutierte Personalie nicht ausgerechnet vor der Kommunalwahl und Oberbürgermeisterwahl 2021 neu zu besetzen und darauf zu setzen, dass die zweite Amtszeit von Frank Otte nun Ergebnisse zeigt, die auch seine bisherigen Kritiker überzeugen.
Gute Wahl: Corona-Verantwortung an Katharina Pötter delegiert
Ach, und was ist mit Corona? Oberbürgermeister Griesert hat der Versuchung widerstanden sich als Verwaltungschef hier selbst in die erste Reihe zu drängen.
Mit der frühzeitigen Übergabe der Verantwortung an Sozialvorstand Katharina Pötter hat Griesert ein glückliches Händchen bewiesen. Schon fast „geräuschlos“ arbeitet Pötter seit März die immer neuen Herausforderungen der Pandemie ab.
Gibt es einmal öffentlichkeitswirksame Termine, wie die ersten Corona-Impfungen zwischen den Feiertagen, gelingt es Griesert zwar immer „mit“ auf die Pressefotos zu gelangen, aber niemals hat man dabei als journalistischer Beobachter den Eindruck, dass das Auftauchen des Rathauschefs hier jemanden in die zweite Reihe drängen soll.
Geht Griesert mit Schwung in die OB-Wahl im Herbst?
Nun wird es spannend, wie das frisch begonnene Jahr 2021 weitergehen wird. Kann Wolfgang Griesert den Schwung aus dem vergangenen Jahr nutzen um bei der im Herbst anstehenden Oberbürgermeisterwahl erneut erfolgreich zu sein? Oder bereitet Griesert seinen nächsten Coup vor?
Ein Abgang auf der Höhe und vor dem Hintergrund einiger Erfolge (Neumarkt, Güterbahnhof), vielleicht um die bewährte Krisenmanagerin Katharina Pötter als seine mögliche Nachfolgerin zu präsentieren? Das kommende Jahr wird auch in dieser Hinsicht spannend werden.
Ich persönlich traue Griesert durchaus eine weitere Amtszeit zu. Eine junge noch dazu krisen- und verwaltungserfahrene Frau als Nachfolgerin aus den Reihen der CDU, wäre aber eine interessante Option.
Auch aus den Reihen der Osnabrücker Grünen hört man immer wieder von einer möglichen grünen Spitzenkandidatin für Osnabrück, statt Volker Bajus. Und es ist weiterhin offen, ob Frank Henning für die SPD in den Ring steigen wird. Der OB-Wahlkampf verspricht also spannend zu werden; es wird nun langsam Zeit, dass die Parteien ihre Kandidaten benennen.
Neue Probleme der Stadt sind viel größer als der Neumarkt
Und was sind die drei neuen grundsätzlichen Probleme der Stadt Osnabrück, die ich ab sofort nennen werde, wenn Sie lieber Leser oder liebe Leserin mich tief in der Nacht wecken?
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- die Zukunft des Einzelhandels und der Osnabrücker Innenstadt
- das Stadttheater, für dessen Renovierung mindestens 80 Millionen Euro gebraucht werden
- die einbrechenden Einnahmen, die auch Osnabrück nach der Pandemie sicher hart treffen werden
So gesehen wünsche ich mir die doch viel einfacheren „Probleme“ aus dem Vorjahr wieder her, denn was das zukünftig immer knappere Geld angeht, das auch bei der Zukunft der Innenstadt und der Theaterrenovierung benötigt wird, kann die Lokalpolitik leider nur abwarten. Die benötigten Mittel dafür werden auf viel höherer Ebene in Hannover, Berlin und Brüssel bereitgestellt werden müssen. Aus eigener Kraft wird Osnabrück weder sein Theater sanieren können noch die Innenstadt retten.
Die bislang auf lokaler Ebene zu lösenden Probleme hat Wolfgang Griesert jedenfalls gerade noch, bevor wir mit den Post-Corona-Folgen zu kämpfen haben werden, gut abgearbeitet. In den kommenden Jahren wird es vor allem darum gehen mit immer weniger Geld um die Runden zu kommen. Keine leichte Aufgabe für denjenigen oder diejenige, die diesen Posten im Herbst nach der OB-Wahl übernehmen wird.
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„Denken ist schwer, darum urteilen die meisten” (C. G Jung).
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