Alles Begann 1977 in der Wüste Ägyptens, wo Dr. Ibrahim Ablouleish seine Vision einer Gemeinde, in der Ökologie, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur im Einklang stehen, umzusetzen begann. Rund 46 Jahre später findet sich dieser Ansatz immer noch in den Aktivitäten der Entwicklungsinitiative SEKEM wieder. Am Freitag (21. April) hält nun der Sohn des Gründers und heutige Präsident, Helmy Abouleish, einen Vortrag in Osnabrück.
Doch ganz von vorn: Der mittlerweile verstorbene Dr. Ibrahim Abouleish wanderte in den 1950er-Jahren zum Studieren nach Graz aus. Als er Jahre später zurückkehrte, hatte er die Idee dabei, all sein in Europa erlerntes Wissen zum Thema Nachhaltigkeit und Menschenentwicklung in seine krisendurchschüttelte Heimat zu transportieren. „Für Nachhaltigkeit war es 1977 nicht nur in Ägypten noch sehr früh, und auch die Idee, Menschenentwicklung statt Profitmaximierung in den Vordergrund zu heben, war zunächst einmal verrückt“, berichtet Sohn Helmy Abouleish im Gespräch mit der HASEPOST. Dennoch habe sein Vater an seiner Vision festgehalten. „Konkret wollte er eine Gemeinde in Ägypten gründen, die in der Wüste ökologisch zusammen lebt und in der jeder einen fairen Anteil am Mehrwert erhält“, erklärt Helmy Abouleish.
Kooperation mit der Hochschule Osnabrück ins Leben gerufen
Nach und nach gründete Ibrahim Abouleish mittels der SEKEM-Initiative mehrere Unternehmen, um landwirtschaftliche Produkte weiterzuverarbeiten, und rief Verbände ins Leben, um die biodynamische Idee weiterzuverbreiten. „Mittlerweile betreiben rund 1.000 Bauern und um die 2.000 Mitarbeitende biologische Landwirtschaft und verkaufen hauptsächlich in Ägypten die so entstehenden Produkte“, sagt Helmy Abouleish. So sei mittlerweile einer der größten Märkte in der Branche außerhalb Europas entstanden.
Unter Federführung SEKEMs wurde 2009 zudem die Heliopolis Universität gegründet, deren Ziel es ist, Konzepte und Prinzipien der nachhaltigen Entwicklung für die Studenten und die ägyptische Gemeinde voranzutreiben. Auch eine Schule gehört mittlerweile zu dem weltweit kooperierenden Netzwerk. Über einen Vortrag Helmy Abouleishs kam schließlich auch der Kontakt zur Hochschule in Osnabrück zustande. „Der erste Kontakt wurde dann immer weiter intensiviert. Im vergangenen Jahr kamen erstmals Studierende aus Osnabrück nach Ägypten und umgekehrt“, so Abouleish selber.
Ägypten soll klimaneutral werden – Vorbild für Deutschland?
Helmy Abouleish betont, dass es bei SEKEM nicht ausschließlich um Nachhaltigkeit gehe, sondern auch um die Menschen an sich: „Die Idee ist nach wie vor, möglichst viele Menschen zu inspirieren, nicht nur in Ägypten, sondern weltweit.“ Die Ziele dabei sind hoch angesetzt: „Wir wollen, dass Ägypten als Ganzes biologisch anbaut und klimaneutral wird“, so der Präsident. Dabei sei es offensichtlich, dass sich die biologische Landwirtschaft nur langsam entwickele und globale Krisen Fortschritte wieder zunichte machen würden. Oft würden zudem die hohen Preise biologischer Produkte Menschen abschrecken. Dabei müsse biologischer Anbau nicht zwingend teurer sein, weiß Abouleish.
Beispielsweise über Klimazertifikate wolle man den Bauern in Ägypten ein zusätzliches Einkommen ermöglichen, sodass ihre Landwirtschaft ökologisch sein kann, ohne dabei teurer zu werden. „Rechnet man dann noch die Impacts etwa auf die Umwelt hinzu, dann wird biologisch-ökologischer Anbau sogar günstiger“, erklärt Abouleish. Basierend auf den aktuellen Erfolge wolle man künftig die ganze Masse erreichen. Der SEKEM-Präsident ist überzeugt, dass eine Umsetzung auch in Europa möglich wäre, weshalb mittlerweile auch Kooperationen etwa nach Deutschland bestünden.
Bildung und Mut für weniger CO2-Ausstoß
Positive Worte findet Abouleish in diesem Zusammenhang dafür, dass sich viele europäische Städte, darunter auch Osnabrück, der Klimaneutralität verschrieben haben. Von den Verantwortlichen wünsche er sich bei der Umsetzung zwar noch mehr Mut, aber auch jeder Einzelne könne dazu beitragen: „Man sollte nie vergessen, dass es dieses Race-to-zero, also die komplette Vermeidung von CO2-Ausstoß, nicht gibt. Man kann es reduzieren, aber nie ganz verhindern. Dafür kann jeder auf seinen ökologischen Fußabdruck achten. Ich bin überzeugt, dass wir durch gute Bildung viel Mitverantwortung als Gesellschaft übernehmen können und nicht alles auf Politiker schieben können. Dann halte ich die Ziele auch für realistisch.“
Darüber, dass so eine globale Klimakrise wirklich noch abgewendet werden kann, zeigt sich Abouleish ungewiss, aber: „Der Wandel kommt sowieso, sei es aus Einsicht oder aus Krise. Wir kämpfen für die Einsicht, sehen aber auch, dass die Krise näher rückt. Fangen wir bei uns selbst an: Wenn nur die Bauern umstellen würden, könnten wir schon vieles lösen. Andererseits muss die Politik auch erkennen, dass es die Landwirtschaft auch in Zukunft brauchen wird.“
Vortrag am Freitag
Am kommenden Freitag (21. April) wird Helmy Abouleish im Rahmen eines Vortrags mit anschließender Diskussion zum Thema „Klimaschutz ist möglich – jetzt! Aktionen und Visionen, die Hoffnung machen mit SEKEM und Greenpeace“ noch mehr zur SEKEM-Initiative erzählen und seine Ideen zu mehr Nachhaltigkeit konkretisieren. Gemeinsam mit dem Greenpeace-Experten Dr. Thomas Henningsen werden zudem innovative und konkrete Möglichkeiten präsentiert, wie die Klimakrise noch abgewendet werden könnte. Start ist um 18 Uhr, zur Anmeldung sowie zu weiteren Informationen geht es hier.