Alle zwei Jahre verleiht die Stadt Osnabrück in Kooperation mit der Universität Osnabrück den Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis, um literarische und künstlerische Leistungen, die sich mit Frieden beschäftigen, auszuzeichnen. Die Hauptpreisträgerin des Jahres 2023 ist die russische oppositionelle Schriftstellerin Ljudmila Ulitzkaja. Der Sonderpreis geht an den ukrainischen Künstler Sergiy Maidukov.
„Bei jeder Vergabe des Friedenspreises steht die Frage im Raum, welches Thema in den Mittelpunkt gestellt werden soll. Der Krieg in der Ukraine schien uns hier unumgänglich“, erklärt Oberbürgermeisterin und stellvertretende Vorsitzende der Remarque-Jury Katharina Pötter. „Wir haben uns in zwei Jurysitzungen beraten und viel diskutiert – es waren leidenschaftliche Sitzungen mit konstruktiven Diskussionen. Ljudmila Ulitzkaja als russische Regimekritikerin auszuzeichnen, war für uns eine bewusste Entscheidung.“ Ulitzkaja gilt als eine der wichtigsten zeitgenössischen russischen Schriftstellerinnen. In ihren Romanen und Erzählungen drückt sie ihre kritische Haltung gegenüber dem sowjetischen und russischen Regime aus. Sie gehört zu den Unterzeichnerinnen eines offenen Briefs, der den Krieg gegen die Ukraine als „Schande“ und als „Wahnsinn eines Mannes“ deklariert. Seit März 2022, kurz nach dem Beginn des Angriffskriegs auf die Ukraine, lebt die Schriftstellerin im Exil in Berlin. Ihre Bücher sind seit Februar 2023 in Russland verboten.
Differenzierteres Bild schaffen
Der Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis ist mit 25.000 Euro dotiert und wird von der Jury im Sinne des Namensgebers für belletristische, journalistische oder wissenschaftliche Arbeiten vergeben, die sich mit Frieden auseinandersetzen sowie für beispielhaftes Engagement für Frieden, Humanität und Freiheit. Dass es Kritik an der Auswahl der Remarque-Jury geben könnte, ist Susanne Menzl-Riedl, Präsidentin der Universität Osnabrück, bewusst: „Wir können uns der Macht des Krieges nicht entziehen. Mit der Verleihung des Preises an eine russische Staatsbürgerin wollen wir deutlich machen, dass man niemanden über seine Nationalität oder Staatsangehörigkeit in eine Ecke stellen kann. In Russland leben nicht nur Menschen, die den Krieg unterstützen. Die Auswahl unserer Preisträgerin soll dazu beitragen, ein differenzierteres Bild der Menschen in Russland zu zeichnen.“
Erbe Remarques würdigen
Komplementär zum Hauptpreis wird auch in diesem Jahr ein mit 5.000 Euro dotierter Sonderpreis ausgelobt. Dieser geht an den ukrainischen Künstler Sergiy Maidukov, der seine Erlebnisse und Eindrücke in der Ukraine seit Kriegsbeginn in Zeichnungen verarbeitet. Seine Illustrationen werden weltweit in bekannten Zeitungen abgedruckt, beispielsweise The Guardian, The New Yorker und Financial Times. „Der Friedenspreis steht als Zeichen der Hoffnung und soll einen Dialog schaffen“, ergänzt Menzl-Riedl. „Die Verleihung des Hauptpreises an Ljudmila Ulitzkaja und des Sonderpreises an Sergiy Maidukov soll das Erbe Remarques würdigen.“
Preisvergabe an zwei verschiedenen Tagen
Zu der Verleihung des Friedenspreises, die am 22. Juni – dem 125. Geburtstag Remarques – als Abendgala geplant ist, wird Sergiy Maidukov jedoch nicht erscheinen. In einer Antwort an die Jury des Friedenspreises bekundet er die Freunde über seine Auszeichnung, aber bittet um Verständnis. Aus kulturellen wie persönlichen Gründen wäre es für ihn aktuell nicht möglich, nach Osnabrück zu kommen. Zum einen, weil er nicht ausreisen dürfe. Zum anderen, weil seine Präsenz auf einer öffentlichen Veranstaltung, bei der auch eine russische Staatsbürgerin ausgezeichnet wird, unkalkulierbare mediale Wellen schlagen könnte. „Wir freuen uns, dass beide den Preis annehmen, müssen aber auch akzeptieren, dass sie sich, solange der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine nicht beendet ist, nicht gemeinsam auf einem Podium einfinden können. Deswegen werden wir die Preise an verschiedenen Tagen übergeben“, erklärt Katharina Pötter.