Moritz Gallenkamp, FDP-Politiker aus Osnabrück, will seine Parteifreunde aufrütteln und eine öffentliche Debatte über eine Strafverschärfung von sexuell motivierten Straftaten zu Lasten von Kindern anstoßen.
Inzwischen hat sogar das Onlineportal FOCUS Online die Forderungen des Osnabrückers aufgenommen und zitiert Gallenkamp:
“Ein Einbruchsdiebstahl und der sexuelle Missbrauch von Kindern haben den gleichen Strafrahmen; der Einbruch in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung hat sogar eine höhere Mindeststrafe und wird als Verbrechen gewertet. Damit gibt der Gesetzgeber zu erkennen, dass er den Schutzraum einer Wohnung höher einschätzt, als das Recht des Kindes auf seine Würde, seine unbeschwerte gewaltfreie Kindheit, sein Lachen.“
Wir haben mit dem Osnabrücker Rechtsanwalt gesprochen, der sich auch in der „Sicher-Stark-Initiative“ engagiert.
Allein gegen alle? Herr Gallenkamp, warum engagieren sich scheinbar so wenige Politiker für eine Strafverschärfung bei sexuellem Missbrauch von Kindern und Besitz, Verbreitung und Herstellung Kinderpornographischer Schriften?
Ich bin zum Glück nicht alleine, es könnte aber mehr und vor allem bekannte Politiker geben, die sich einschalten.
Es ist kein Thema, mit dem man Samstagabend bei einer Talk-Show einen entspannten Talk-Abend machen kann.
Jemand der sich möglicherweise aus bestimmten Gründen gegen eine Verschärfung ausspricht, der würde sofort in die Kritik geraten, weil es um Kinder geht. Es gibt Für und Wider für die Verschärfung, deswegen fordere ich auch nicht die pauschale Verschärfung des Strafrechts bei diesem Thema.
Wenn es um das Thema geht, hört man oft: „Alle wegsperren“ oder sogar noch ganz andere Aussagen. Man muss das Thema aber sehr sensibel angehen und nicht mit Stammtischparolen draufhauen.
Das Schwierige ist eben, dass man auch berücksichtigen muss, dass der Missbrauch nicht nur von reinen Gewalttätern begangen wird, sondern auch von Pädophilen und Pädophilie ist eine Krankheit, die sich niemand aussucht. Das Thema muss man daher von mehreren Seiten betrachten. Aus Sicht des Opfers, aus Sicht eines krankhaften Täters, dem eventuell mit einer Therapie geholfen werden kann und somit weitere Kinder geschützt werden und dann der reine Gewalttäter.
Ist das Thema in der Öffentlichkeit ein Tabu? Woran könnte es liegen?
Aus meiner Sich ja! Kinder haben in diesem Land eine zu kleine Lobby. Kinder sind keine Prominenten, die einem Thema, wie beispielsweise der #MeToo Debatte ein Gesicht geben können. Aber Kindern brauchen eine Stimme. Wir Erwachsene haben die Pflicht, die Stimme der Kinder zu sein. Und es ist traurig, dass man den Eindruck gewinnt, dass Kinder zwar „da sind“ und man „ja auch“ was für sie und müsse, aber das ist mir zu wenig. Es geht um Kinder und ihre Zukunft. Politiker sprechen immer über die Zukunft, wobei man aber zu sich ehrlich sein muss und sich eingestehen muss, dass unsere Zukunft schon zeitlich ziemlich messbar ist.
Kinder, die jedoch mit drei Jahren sexuell missbraucht wurden, haben noch eine Zukunft von 80 oder 90 Jahren. Und diese 80 oder 90 Jahre werden von diesem Missbrauch überschattet, teilweise mit schweren körperlichen und seelischen Folgen. Sich mit dem Thema auseinanderzusetzen ist nicht einfach. Die Vorstellung, dass, wie jüngst bekannt wurde, ein Junge zum Missbrauch verkauft wurde, dass Säuglinge gefesselt werden, um sie zu missbrauchen oder jemand via Live-Video den Missbrauch von Kindern im Ausland veranlasst du dabei zuschaut ist unangenehm.
Das sind keine schönen Bilder im Kopf, mit diesem Thema kann man sich nicht in einem Saal beim politischen Aschermittwoch feiern lassen, aber wir müssen uns mit dem Thema nur auseinandersetzen, die Kindern erleben es am eigenen Leib. Kinder sind unser kostbarstes Geschenk. Deswegen ist es so wichtig, sich für Kinder einzusetzen, egal welche demokratische Partei dies tut.
Wir fragen unsere Leser:
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Wie gehen andere Länder mit derartigen Straftaten um? Gibt es für die deutsche Politik ein „Best Practice“, also ein Vorbild?
Wir sollten nicht danach schauen, was andere machen, da jedes Land unterschiedliche Grundpfeiler des Rechts hat. Das körperliche Wohlbefinden ist durch Art. 1; 2 GG klar geschützt. Ein Schutzgedanke, der sich auch in Art. 19 UN-Kinderrechtskonvention wiederfindet. Wir müssen vernünftige Gesetze schaffen und vor allem umsetzen. Vor ein paar Tagen hat die Justiz ein klares Zeichen gesetzt, wozu unser Rechtsstaat in der Lage ist. Es wurde ein Mann verurteilt, der den Missbrauch von Kindern via Video auf den Philippinen veranlasst hat.
Die Union begründet die Vorratsdatenspeicherung inzwischen mit der Strafverfolgung von Kinderpornographie, was halten Sie davon?
Das Thema Vorratsdatenspeicherung ist für mich als Freier Demokrat natürlich sehr schwer zu akzeptieren. Man muss sich aber die Frage stellen, was diese im Rahmen der aktuellen gesetzlichen Regelung tatsächlich bringt? Die Vorratsdatenspeicherung ist zeitlich begrenzt. Wenn man von der Auswertung von Kinderpornographischen Material spricht, sprechen wir nicht von hunderten oder tausenden Bildern, sondern von Millionen und Milliarden Dateien, die primär von Menschen noch manuell ausgewertet werden. Das ist kaum machbar. Aus meiner Sich ist es viel wichtiger, die Strafverfolgungsbehörden viel umfangreicher mit Personal und Technik auszustatten, damit die diese Auswertung vornehmen können, als dass man Daten wahllos speichert.
Inzwischen wird ja auch darüber diskutiert einige Straftaten weniger hart zu bestrafen – zum Beispiel hat der ehemalige Justizminister Heiko Maas die Idee aufgebracht, dass es vor Gericht zukünftig keinen „Mord“ mehr geben soll. Auf einer ganz anderen Eben wird auch darüber nachgedacht das Schwarzfahren zu entkriminalisieren, ist das der richtige Ansatz?
Der Gedanke von Heiko Maas bzgl. des Mordes war damit begründet, dass wir bzgl. „Mord“ noch auf der Basis aus dem NS-Regime arbeiten. Das ist ein rechtspolitisches Problem, wie man die Tatbestandsmerkmale bezeichnet. Ich bin aber grundsätzlich gegen die „Entkriminalisierung“ von Kleinstdelikten. Wenn wir diese Delikte entkriminalisieren, dann färben wir unsere Statistiken schön, das Problem wird aber nicht beseitigt.
Das Problem ist doch, dass die Polizei mangels entsprechenden Personals nicht mehr die Arbeit vollständig schaffen kann. Die Polizisten schieben Überstunden in Massen und müssen sich auch mit immer mehr gegen Sie gerichtet Gewalt auseinandersetzen. Wo ziehen wir denn die Grenze, was demnächst noch verfolgt werden soll und was nicht? Heute ist es das Schwarzfahren, morgen Autofahren ohne Führerschein und dann der Einbruch in Nachbars Wohnung? So löst man keine Probleme.
Bevor man Delikte entkriminalisiert, sollte man zunächst erstmal schauen, ob man die Folgen einer solchen Tat nicht anders ermitteln kann.
Ein von Ihnen bei der HASEPOST im Januar veröffentlichter Gastbeitrag hat dadurch, dass er von Til Schweiger über Facebook geteilt wurde, sehr viel Aufmerksamkeit erhalten. Brauchen wir mehr Persönlichkeiten aus dem öffentlichen Leben, die klar Stellung beziehen, ähnlich der aktuellen #MeToo-Aktionen?
Mich persönlich hat das sehr gefreut, dass er das gemacht hat. Wir haben damit viel Aufmerksamkeit bekommen und ich bin Herrn Schweiger sehr dankbar, dass er zu diesem Thema öffentlich immer Stellung nimmt und dies aus meiner Sicht ohne Rücksicht auf seine Reputation.
Das Feedback, was ich dadurch bekommen habe, motiviert meine Mitstreiter und mich, umso mehr, das Thema in die Öffentlichkeit zu bringen. Es würde mich freuen, wenn dies mehr Menschen des öffentlichen Lebens machen würden und nicht nur dann, wenn man medienwirksam bei einem aktuellen Vorfall betroffen in die Kamera schauen kann.
Vielen Dank Herr Gallenkamp, ich wünsche Ihnen ganz persönlich viel Erfolg mit Ihrem Engagement.
Das Interview führte Heiko Pohlmann, Herausgeber der HASEPOST.