Auf einem anonymen Gräberfeld des Heger Friedhofs in Osnabrück wurde eine Insektenwiese angelegt. Während Naturschützer das Projekt begrüßen, fühlt sich eine Angehörige durch die Umsetzung übergangen und in ihrer Trauer beeinträchtigt. Was hat es damit auf sich?
Gehört eine Insektenwiese auf einen Friedhof?
Kirsten Harmsen, deren Mutter auf dem anonymen Feld des Friedhofs beigesetzt wurde, zeigt sich entsetzt: „Zum einen finde ich, dass so etwas nicht auf einen Friedhof gehört, auch wenn mir bewusst ist, dass für die Insekten etwas getan werden muss. Aber eine Insektenwiese direkt auf dem anonymen Gräberfeld anzulegen, empfinde ich als gedankenlos und völlig empathielos gegenüber den Angehörigen.“
Die Wiese, die nun mit kniehohem Gras bewachsen ist, erschwert es Harmsen und anderen Angehörigen, zu den Beisetzungsstellen ihrer Verstorbenen zu gelangen. „Früher konnte man den gepflegten Rasen immer betreten, aber wer möchte jetzt durch kniehohes Gras gehen? Obwohl die Idee, etwas für die Natur zu tun, grundsätzlich gut ist, frage ich mich, ob man sich der Situation vor Ort wirklich bewusst war“, kritisiert Harmsen.
Die Osnabrückerin schlägt vor, alternative Flächen für die Insektenwiese zu nutzen, die die Angehörigen weniger beeinträchtigen würden. „Man hätte die Insektenwiese anderswo anlegen können. Zum Beispiel auf der großen Wiese gegenüber, in Richtung Krematorium. Diese Fläche ist viel größer. Auch wenn dort größtenteils Schatten liegt, gibt es Aussaaten, die damit klarkommen. Alternativ hätte man die Rasenfläche am Haupteingang nutzen können – dort gibt es genug Sonne.“ Ganz persönlich sei sie der Meinung, dass solche Projekte nicht auf einen Friedhof gehören. „Friedhöfe sind Orte der Ruhe und des Gedenkens, und die Bedürfnisse der Angehörigen sollten Priorität haben.“
Friedhofsverwaltung verteidigt die Maßnahme
Die Friedhofsverwaltung reagiert auf die Kritik mit einem Verweis auf die Friedhofssatzung. Katrin Hofmann vom Osnabrücker ServiceBetrieb (OSB) erklärt dazu gegenüber unserer Redaktion: „Bei der Grabart ‘Anonymes Urnenreihengrab’ werden die Urnen durch die Friedhofsverwaltung anonym – ohne Beisein der Angehörigen und ohne Namensnennung – in einem Wiesenbereich beigesetzt. Diese Grabfelder werden insgesamt und ausschließlich von der Stadt unterhalten. Sie erhalten keine besondere Gestaltung und keine Hinweise auf die Verstorbenen.“
Darüber hinaus betont Hofmann, dass ökologische Aspekte bei der Entscheidung eine wichtige Rolle spielten: „Da sich in diesem Wiesenbereich besonders seltene Arten befinden, wurde gemeinsam mit der Hochschule Osnabrück festgelegt, hier den Mährhythmus zu verringern, um diesen Arten zu einer Blüte zu verhelfen.“
Auf die Kritik, dass der Zugang zu den Gräbern erschwert sei, reagiert die OSB-Sprecherin mit einem klaren Hinweis: „Die Begehung der Wiese war schon immer und ist weiterhin zulässig. Eventuelle Absteckungen sind lediglich als Hinweise für Friedhofsarbeiter gedacht.“ Für Angehörige wie Kirsten Harmsen ist es aber durch das kniehohe Gras nicht mehr so einfach möglich, überhaupt die Stelle zu finden, an der ihre Mutter beigesetzt wurde.