Im Frühjahr dieses Jahres erschütterte ein tragischer Vorfall den Zoo Osnabrück: Eine Verkettung unglücklicher Zufälle führte dazu, dass der Eisbär-Braunbär-Mischling Tips aus seinem Gehege entweichen konnte und zum Schutz der Menschen vor Ort erschossen werden musste. Nun stellte der Zoo den Tierkörper des besonderen Bären der Wissenschaft zur Verfügung.
HASEPOST berichtete im April ausführlich über den Ausbruch.
„Wir haben lange mit unseren Mitarbeitern überlegt, was wir mit dem Körper der allseits beliebten und bekannten Hybridbärin Tips machen“, berichtete Zoopräsident Reinhard Sliwka. „Uns ist bewusst, dass dies ein sehr sensibles Thema ist, denn sowohl unsere Mitarbeiter als auch viele Besucher kennen die Bärin von klein auf und hängen an hier. Sie erschießen zu müssen war für alle schwer zu verkraften.“
Keine Alternative: Tierkörperbeseitigungsanlage
Bei den Gesprächen mit Mitarbeitern und wissenschaftlichen Experten war man sich schnell über eine Sache einig: „Wir wollten den Körper nicht einfach wie grundsätzlich vorgeschrieben der Tierkörperbeseitigungsanlage übergeben. Denn ‚beerdigen‘, wie sich manch einer das vielleicht wünscht, dürfen wir Tips nach rechtlichen Vorgaben nicht“, berichtet Zoodirektor Prof. Michael Böer. „Da das Tier für die Wissenschaft einen unglaublichen Wert hat – schließlich gibt es nicht viele Exemplare dieser Hybridart – und da wir als Zoo auch eine wissenschaftliche Einrichtung sind, haben wir gemeinsam beschlossen, den Körper im Rahmen einer Kooperation an das staatliche Museum für Naturkunde in Stuttgart zu geben. Hier können Experten wichtige Proben für wissenschaftliche Untersuchungen nehmen, sowie eine Präparation des Tieres zum Erhalt für die Nachwelt vornehmen.“ Für die Wissenschaft sei es wichtig, Gewebs- oder Fellproben zu nehmen, sowie den Knochenbau zu untersuchen. Der Vollständigkeit halber wird das Tier dann auch präpariert, was keine einfache Entscheidung für den Zoo war: „Wir möchten Tips auf keinen Fall hier im Zoo zur Schau stellen. Für uns aber auch für unsere Besucher wäre das schwierig – zu viele Emotionen hängen daran. Allerdings war Tips ja Klimabotschafterin hier im Zoo und vielleicht kann sie irgendwann auch nach ihrem Tod wieder auf dieses Thema im Rahmen von Ausstellungen aufmerksam machen“, berichtet Thorsten Vaupel, Tierpfleger und Revierleiter der nordischen Tierwelt „Kajanaland“, in der Tips mit Bruder Taps lebte.
Hybridbären gibt es auch in der Wildnis
Die Mischlingsbären waren 2004 unbeabsichtigt im Zoo Osnabrück auf die Welt gekommen, als die Einrichtung dabei war die gemeinsame Haltung unterschiedlicher Bärenarten aufzugeben. Inzwischen wurden derartige Hybridbären auch in der Wildbahn entdeckt und Wissenschaftler vermuten, dass die Gründe hierfür im Klimawandel liegen.
Tierkörper wurde im Museum aufbewahrt
Bei der Entscheidung beratend unterstützt hatte Biologe Norbert Niedernostheide, Leiter des benachbarten Museums am Schölerberg. „Als wir von dem tragischen Vorfall im Zoo hörten, haben wir sofort angeboten, den Körper des Tieres in unserer Kühlzelle einzufrieren. Als Wissenschaftler schlagen hier zwei Herzen in meiner Brust: Der Verlust des Tieres ist sehr traurig, gleichzeitig ist es auch wichtig bei so einer besonderen Hybridform den Tierkörper wissenschaftlich zu untersuchen“, so Niedernostheide. Dabei könne man wertvolle Ergebnisse festhalten, die Aufschluss über die Zukunft der Bären und Bärenmischlinge in der Natur geben können beziehungsweise über ihre Entstehung. „Eigentlich wurden Eisbären und Braunbären als jeweils eigene Art geführt. Dann dürften sie sich aber nicht erfolgreich verpaaren können. Da die Mischlingsbären zusätzlich auch noch fortpflanzungsfähig sind, ist dies ein Zeichen dafür, dass es sich nicht um unterschiedliche Arten handelt“, erläutert Niedernostheide. Um hier mehr Licht ins Dunkel zu bringen, werden die Untersuchungsergebnisse des Osnabrücker Hybridbären mit denen von Braun- beziehungsweise Eisbären verglichen. „Die Forschung zu den Mischlingsbären startet gerade erst, deswegen ist es für die Wissenschaft so wichtig, Ergebnisse zu sammeln, zu vergleichen und zu bewahren. Es werden Gewebeproben und der genetische Kodex untersucht oder auch markante Knochen genau vermessen, um daraus Rückschlüsse zu ziehen, ob die Hybriden eher Eis- oder Braunbären oder eine eigene Art sind“, so der Biologe. Entsprechende Proben seien beispielsweise bereits an das Senckenberg Forschungsinstitut in Frankfurt gegangen und weitere weltweite Anfragen liegen vor. „Wenn wir die Proben und das Skelett bewahren, können Wissenschaftler in 20, 40 oder 100 Jahren, wenn es noch weitere Untersuchungsmöglichkeiten gibt, noch ganz andere Ergebnisse herausfinden“, blickt Niedernostheide in die Zukunft.
Experten aus Stuttgart und Leipzig arbeiten nun daran den Tierkörper für die aktuelle Forschung und die Nachwelt zu erhalten und zu konservieren. Das Präparat und das Skelett des Bären werden jedoch erstmal nicht für die Öffentlichkeit zu sehen sein. „Langfristig könnten wir uns vorstellen, dass die Bärin im Rahmen einer Klimawandelausstellung in einem Museum zu sehen ist, um zu zeigen, welche Auswirkungen der menschgemachte Klimawandel auf die Tierwelt hat. So hätte Tips auch noch eine wichtige pädagogische Funktion. Aber vorerst wollen wir das nicht, da die Bärin für viele ein sensibles Thema ist“, so Reinhard Sliwka, Präsident der Zoogesellschaft Osnabrück e.V.
Hintergrund:
Am 11. März 2017 entwich Mischlingsbärin Tips aus ihrem Gehege im Osnabrücker Zoo. Sie musste im Eingangsbereich des Zoos erschossen werden, da sie einen Mitarbeiter angreifen wollte, und dieser sich in Lebensgefahr befand. Zwar hatten die Mitarbeiter auch ein Narkosegewehr vor Ort, allerdings wirken Narkosemittel erst ab circa 10 bis 20 Minuten – eine Zeitspanne, die angesichts der Gefahr für die Mitarbeiter sowie für die zahlreichen Besucher, die am Eingangsbereich warteten, nicht riskiert werden konnte. Die Bärin war zuvor vermutlich im Jagdrausch nach der Winterruhe durch einen E-Zaun gegangen. Eingegrenzt zwischen dem E-Zaun und dem Außenzaun des Geheges hatte sie sich durch eine 35 Mal 40 Zentimeter große Klappe in das benachbarte Silberfuchsgehege gezwängt und anschließend den dortigen Außenzaun aufgedrückt. An dieser dritten Barriere stellte der Zoo bei der Nachuntersuchung einen verdeckten Montagefehler fest. Der Zoo hatte im Nachgang genau unter diesem Aspekt alle Gehege mit als gefährlich und sehr gefährlich eingestuften Tierarten überprüft, um einen derartigen Fehler auszuschließen.
Fotos: Zoo Osnabrück