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Hinter den Kulissen: Den Wams vom Osnabrücker Nikolaus trägt eine Frau

Nicht nur Kinderaugen staunten, als der bärtige Nikolaus am 6. Dezember mit unerwartet hoher Stimme kleine Geschenke überreichte. Auf dem Osnabrücker Weihnachtsmarkt werden Nikolaus und Knecht Ruprecht von zwei Statistinnen des Osnabrücker Theaters gespielt.

Zwei Frauen spielen Nikolaus und Knecht Ruprecht

Zugegeben, selbst der erste Anblick von den beiden historischen Figuren bringt einen zum Schmunzeln, so überragt der schmale Knecht Ruprecht um mindestens Haupteslänge den kleinen, rundlichen Nikolaus. Im Gespräch erwartet den Beschenkten die nächste Überraschung, denn professionell verkleidet verraten sie sich erst durch ihre Stimmen: Kathrin González und Sarah Piaszenski stecken in den Kostümen.

Kathrin González, die den Nikolaus spielt, war bis vor Kurzem als Rettungsschwimmerin und in der Notfallseelsorge für die Polizei tätig. „Diese Arbeit geht schon an die Substanz. Ich spiele lieber den Weihnachtsmann für die Kinder, das bringt mehr Freude“, beschreibt Kathrin González ihren Wechsel ans Theater. „Ich kann alles spielen, ob Baum oder Zwerg“, lacht sie. „Aber am meisten macht mir das hier Spaß.“ Schon wird sie direkt wieder von zwei Kindern mit großen Augen angeschaut, die vor ihr stehen bleiben. Die meisten Kinder wirken ehrfürchtig und bringen kaum ein Wort über ihre Lippen. Die Eltern führen die Kinder sanft zum Nikolaus und Knecht Ruprecht. Sie bekommen Süßigkeiten und zaghaft wird dann auch für ein Foto mit den beiden Figuren posiert.

Wenn Sarah Piaszenski nicht als Statistin oder Knecht Ruprecht arbeitet, ist sie Lehrerin in der Psychosomatik des Christlichen Kinderhospitals Osnabrück. Wie ihre Kollegin wird sie seit vergangenem Jahr vom Marketing Osnabrück gebucht, um am Nikolaustag über den Osnabrücker Weihnachtsmarkt zu ziehen. Bis dahin füllten viele Jahre lang Schausteller die Rollen aus, und das sogar täglich. Personell war das jedoch nicht mehr zu stemmen. Daher trat Diana Riepenhoff, Eventmanagerin des Stadtmarketings, an das Theater Osnabrück heran, die sich begeistert zeigten, erzählt sie. Für sie sind es vor allem „die leuchtenden Kinderaugen“, um die es ihr geht. Daher ist es ihr neben ihrer Verpflichtung als Projektleiterin des Weihnachtsmarktes eine Herzensangelegenheit, den Nikolaus und den Knecht Ruprecht an diesem Tag zu begleiten.

Spaziergang zum Adventskalender

Doch nicht nur Kinder freuten sich über Geschenke von „Frau Nikolaus“, wie sie manchmal genannt worden ist, sogar Senioren und Teenies zeigten sich mitunter ganz sentimental. Auch Schausteller in ihren Buden wurden beschenkt, Musiker und Hilfsbedürftige nicht vergessen. Ganz im Zeichen der christlichen Nikolaus-Tradition. Im Gegensatz dazu hörte man, dass auch hier, neben den Fassaden kletternden Weihnachtsmännern, der weihnachtliche Amerikanismus Einzug gehalten hat, am gelegentlichen „Danke, Santa“. Begleitet wurde der einstündige Spaziergang über den historischen Weihnachtsmarkt von Liv Rückert, Social-Media-Beauftragte beim Marketing Osnabrück.

Über den Domplatz ging es vorbei an der Weihnachtspyramide, der größten vollfunktionstüchtigste Spieldose der Welt und dem riesengroßen Nussknacker, auch voll funktionsfähig, zum Marktplatz. Dort warteten der überdimensionale Adventskalender sowie eine Schar von Kindern mit ihren Eltern und Begleitern schon auf den Nikolaus und Knecht Ruprecht. Die beiden hatten unterwegs nämlich nicht nur Süßwaren im Gepäck. Für die Kinder gab es Kärtchen zum Ausfüllen, um an der Auslosung des sechsten Türchens teilnehmen zu können.

Roman Heyn, geschäftsführender Vorstand des Schaustellerverbandes, mimte den Weihnachtself hinter der Bühne und kümmerte sich um die Musik und um die Versorgung mit Geschenken. Bestimmt drei Kartonagen Schokoladen-Nikoläuse wurden verteilt, während weihnachtliche Melodien über den Marktplatz klangen. Zu guter letzt durften sich drei Kinder über apart eingepackte Geschenke von Schäffer freuen, die in diesem Jahr den Adventskalender sponsern. „Den Job macht man gerne“, sagt Roman Heyn bestimmt. „Die lächelnden Kinderaugen sind einfach das Schönste.“ Er ist es auch, der Kathrin González noch schnell ein Geschenke-Päckchen von Schäffer und ein paar Nikoläuse zur Seite legt, als er hört, dass sie anschließend noch einen Sonderauftrag im Kinderkrankenhaus hat.

Sonderauftrag Kinderhospital

Im Christlichen Kinderhospital Osnabrück weiß man noch nicht, dass gleich der Nikolaus durch die gläserne Drehtür kommen wird. Im Eilschritt durchquert Kathrin González, voll kostümiert, mit einem über fünf Kilo schweren Wams, die Innenstadt. Zum Glück hat sie die Taschen noch voll mit kleinen Schokoladen-Nikoläusen, denn die kleinen Kinder, die sie unterwegs trifft, denken wohl überwiegend, dass sie den echten Weihnachtsmann vor sich hätten. So bleibt sie auch unterwegs in ihrer Rolle und verteilt neben Süßigkeiten warme Worte.

An der Johanniskirche gab es fast noch einen Fauxpas für die anwesenden Kinder, als dort schon ein Christkind im weißen Gewand und ein Nikolaus mit Bischofsstab stehen, schließlich gibt es den Weihnachtsmann ja nur ein Mal. An der Kirche vorbei eilt Kathrin González in Richtung Krankenhaus und wird im Foyer mit großen Kinderaugen und lächelnden Eltern empfangen. Auch sie erhalten Aufmerksamkeiten, doch das ist nicht das Ziel. Unter Zeitdruck, weil die Make-up-Artistin zum Abschminken im Theater wartet, rauscht Kathrin González die Treppe hinauf, verheddert sich in ihrem Wams, stolpert und liegt der Länge nach auf den Stufen. „Ich bin einfach zu klein für das Kostüm“, lacht die 1,63 Meter große Frau den Sturz weg, rafft Ihren Mantel, und weiter marschiert sie die Treppen rauf.

Auf der Station erkennt man sie nicht gleich, doch kaum hört man ihre markante Stimme, schallt es, „Ach, Du bist es!“. Kathrin González ist zurzeit jeden Tag hier. Sie betreut mit SOS Kinderdorf ehrenamtlich ein afghanisches 9-jähriges Mädchen, das ohne Angehörige medizinisch in Deutschland versorgt wird. Die Tür zum Patienten-Zimmer, in dem drei Mädchen untergebracht sind, hat ein kleines Sichtfenster. Die Kinder essen gerade zu Abend, als sie erschrocken aufschreien, in dem Moment, wo sie das bärtige Gesicht mit der roten Mütze durch das Glas sehen. Alles löst sich in Wohlgefallen auf, als auch sie merken, wer sie da tatsächlich besucht. Es wird gesungen, Geschenke überreicht und ein Erinnerungsfoto mit dem Handy gemacht. Dann ist die kurze Besuchszeit vorüber, denn die Make-up-Artistin wartet.

Zurück in die Maske

An der Johanniskirche treffen sich zeitgleich wieder Nikoläuse und Christkind, es wird geschwisterlich gewunken und, was für ein Glück, eine freundliche Busfahrerin erlaubt, bis zum Neumarkt mitfahren zu dürfen. In der Innenstadt werden die letzten Süßigkeiten verteilt, dann ist das Theater erreicht und Kathrin González lässt sich erschöpft in den Stuhl vor dem Spiegel fallen. Ihr ist richtig warm. Man sieht es ihr an, Schweißperlen sind auf ihrem hochroten Gesicht zu sehen. Ein Job mit sehr viel Engagement und Herz.

Lena Blecks schminkt sie ab und bringt die hübsche Frau wieder zum Vorschein, die sich in dem Kostüm und unter dem dichten Bart und den buschigen Augenbrauen verbarg. Das Abschminken und Ausziehen geht sehr viel schneller als das Herrichten. Eine Stunde wird vorab dafür benötigt. „Das Make-up muss so aufgetragen werden, dass es nicht wie geschminkt aussieht. Damit die Magie transportiert werden kann, braucht es Zeit“, erklärt Lena Blecks. „Diese Ehre gebührt Silke Ludger, das Wiederherrichten ist relativ unspektakulär.“

Kathrin González ist glücklich. Nicht nur, weil sie den kiloschweren Fat Suit runter hat, sondern, weil sie diese Arbeit „richtig schön“ findet. „Ich bin sehr dankbar“, fügt sie hinzu. „Und nächstes Jahr singen wir an der Bühne ‚In der Weihnachtsbäckerei‘, gemeinsam mit den Kindern.“


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