Für einen symbolischen Euro wollte die Stadt Osnabrück den in einen Dornröschenschlaf gefallenen Hotel-Rohbau am Rubbenbruchsee kaufen. Für den damaligen Eigentümer wäre damit auch das Risiko entfallen, dass er für die Kosten der von der Stadt angedrohten Abrissverfügung hätte aufkommen müssen.
Bernd Lingemann, der nach einem Feuer im damaligen Kaffeehaus Barenteich vor inzwischen mehr als zwei Jahrzehnten mit einem von der Stadt genehmigten Hotelneubau durchstarten wollte, war mitten im Bauen das Geld ausgegangen. Nun sah er sich damit konfrontiert, dass wegen der ins Stocken geratenen Bauarbeiten zwischenzeitlich die Baugenehmigung entfallen war. Schließlich drohte ihm, der ohnehin knapp bei Kasse war, auch noch die Stadt mit einer Abrissverfügung.
Eine Summe von 200.000 Euro stand vor gut zwei Jahren im Raum, die Lingemann aber dann doch nicht zahlen müsste, wenn die Stadt das Grundstück (5.500 Quadratmeter Seegrundstück) und den Rohbau für den symbolischen Euro übernehmen würde. Das wäre der Deal gewesen, mit dem der Rohbau-Besitzer sich diesem neuerlichen Kostenrisiko hätte entziehen wollen und mit dem sein Anwalt an die Stadt herangetreten war.
Ausschussmitglieder wurden über erwartete Kosten informiert
200.000 Euro als zu erwartende Abrisskosten wurden auch in einer nicht-öffentlichen Beschlussvorlage (VO/2020/5289, Sachstand zum Grundstück Barenteich 1) von der Stadtverwaltung den Mitgliedern des Stadtentwicklungsausschusses, des Finanzausschusses und des Verwaltungsausschusses mitgeteilt.
Neu-Eigentümer wundert sich über hohe Kostenschätzung
Zwei Jahre später wundert sich Immobilienunternehmer Frank Böhm, der zusammen mit einem weiteren Geschäftspartner inzwischen Seite an Seite mit Bernd Lingemann um die Wiederaufnahme der Bauarbeiten kämpft, wie das von Stadtbaurat Frank Otte geführte Ressort dazu kam, die Kommunalpolitiker und den damaligen Alleineigentümer glauben zu lassen, dass der Abriss tatsächlich so teuer werden würde.
Böhm beauftragte im Februar diesen Jahres ein auf Abrissarbeiten spezialisiertes Unternehmen mit der Erstellung eines verbindlichen Angebots. Von der Einrichtung der Baustellenabsperrung mit einem Bauzaun über den eigentlichen Abbruch des Gebäudes bis hin zur Ausbringung von Rasensaat (die allerdings nach Aufwand erfolgt) reichen die einzelnen Posten, die sich in Summe lediglich auf 94.000 Euro belaufen.
„Vor zwei Jahren wäre das alles noch günstiger zu bekommen gewesen“, zitiert Böhm einen mit der Angebotserstellung beauftragten Mitarbeiter der Spezialfirma.
Und selbst wenn das jetzt vorliegende Angebot noch mit ein paar variablen und unerwarteten Kosten am Ende zu einer etwas höheren Rechnung führen sollte, sei es doch „weit weg von der damaligen Kostenschätzung der Verwaltung“.
Warum kannte die Verwaltung nicht die marktüblichen Preise?
Nach Ansicht von Frank Böhm wurde sein heutiger Co-Gesellschafter – mit ihm auch die Lokalpolitik – von der Verwaltung bewusst über die realistischen Kosten für den Abriss im Unklaren gelassen, „oder irgendjemand bei der Stadtverwaltung kennt die Preise nicht, die am Markt tatsächlich verlangt werden“.
Mehr zum „Haus am See“ im Verlauf dieser Woche…
Hier die bereits veröffentlichten Artikel zum Thema:
Hinweis: Unserer Redaktion liegen mehrere Dokumente aus der Verwaltung vor, in denen die erwarteten Abrisskosten mit 200.000 Euro beziffert werden. Ebenso haben wir das Angebot einer Spezialfirma an den jetzigen Mehrheitsgesellschafter der Eigentümergesellschaft vorliegen, das um mehr als 50% unter der bereits vor zwei Jahren getroffenen Annahme der Verwaltung liegt.