Das Netzwerk „Mobile Retter“ setzt auf Smartphone-basierte Ersthelfer-Alarmierung. Weil im Notfall jede Sekunde zählt, hofft die Initiative auch in der gut aufgestellten Gemeinde Bissendorf weitere Mitstreiterinnen und Mitstreiter gewinnen zu können.
Unterstützung von Hilfsorganisationen und Feuerwehr
Das Netz der Mobilen Retter ist deutschlandweit in 50 verschiedene Regionen aufgeteilt. In der Region Osnabrück wird das 2015 initiierte System durch den Landkreis Osnabrück und die Stadt Osnabrück maßgeblich in Zusammenarbeit mit den Hilfsorganisationen und Feuerwehren getragen.
Woche der Wiederbelebung
„Anlässlich der Woche der Wiederbelebung vom 16. bis 23. September, mit der der Berufsverband Deutscher Anästhesisten und die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin die Herzdruckmassage bei Herz-Kreislauf-Stillständen in Deutschland weiterverbreiten wollen, möchten auch wir von der Gemeinde Bissendorf erneut aktiv auf dieses wichtige Thema aufmerksam machen“, unterstreicht Bürgermeister Guido Halfter.
„Wir sind in der Region Osnabrück schon recht gut unterwegs. Insbesondere Bissendorf steht mit 86 Mobilen Rettern gut da. Darauf können und wollen wir uns aber keineswegs ausruhen. Unser Ziel ist es, so viele Leute wie möglich ins System zu bringen und das Netz so dicht wie möglich zu etablieren“, schildert Amin Schnieder, der die Mobile Retter-Region Osnabrück gemeinsam mit Ingrid Holland aus dem Fachdienst 5 Ordnung beim Landkreis Osnabrück koordiniert.
Ziel: Team weiter ausbauen nach Corona-Pandemie
„Wie in vielen weiteren Bereichen des Ehrenamtes hat Corona auch im Bereich Bevölkerungsschutz mit Fokus auf Spontanhelfende manches kaputt gemacht. Insgesamt zählen wir in Stadt und Landkreis aktuell zirka 2000 Mobile Retter. Ehrgeiziges Ziel wäre die Verdoppelung dieser Zahl. Denn generell gilt: Genügend Retter gibt es nie“, betont Holland.
In Bissendorf bilden die Einsatzkräfte der Gemeindefeuerwehr Bissendorf und der Bereitschaft des DRK-Ortsvereins Bissendorf einen Großteil des auf Ehrenamt basierenden Systems. „Erst 2023 wurden seitens der Feuerwehr rund 20 Kameradinnen und Kameraden durch den Mobile Retter-Ausbilder Stefan Kienker für diese wichtige Aufgabe qualifiziert. Bei entsprechendem Bedarf würden wir weitere Schulungen unterstützen“, berichtet Gemeindebrandmeister Torben Preuss.
Helfen können grundsätzlich alle
„Grundlegend kann jeder zum Netzwerk „Mobile Retter“ dazustoßen, der eine gewisse medizinische Qualifikation mitbringt und keine Scheu hat, Menschen anzufassen. Neben Personen aus dem so genannten Blaulicht-Milieu, wie Polizei, Feuerwehr, Ärzten und Rettungssanitätern, gehören auch Hebammen, Physiotherapeuten, Mitarbeiter aus der Alten- und Krankenpflege, betriebliche Ersthelfer und etliche Quereinsteiger dazu“, schildert Schnieder.
Der Bissendorfer André Kienker erlebte vor ein paar Jahren eine Wiederbelebungssituation, die ihn wachgerüttelt hat. „Bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand im Ortsteil Jeggen tauchten nach der Wahl des Notrufs auf einmal zwei Männer in Zivil auf. Sie stellten sich als per GPS-Ortung automatisch parallel durch die Leitstelle alarmierte Mobile Retter vor und begleiteten die Situation, bis einige Minuten später der Rettungsdienst eintraf und übernahm“. Beeindruckt von diesem Engagement nahm André Kienker Kontakt zum regionalen Ansprechpartner beim Landkreis auf und absolvierte ein circa 2,5-stündiges Mobile Retter-Training. Seitdem ist der 46-Jährige selbst Teil des Systems, hatte inzwischen sechs Einsätze und engagiert sich als betrieblicher Ersthelfer in einem Bissendorfer Unternehmen.
„Immer wieder erleben Mobile Retter Verwunderung. Auch wenn die Leitstelle die jeweilige Situation gut begleitet und sagt: ‚Da kommt gleich jemand, der sieht nicht aus wie ein Notarzt. Eventuell kommt er oder sie in Arbeitsklamotten‘, kennen nur wenige Menschen das System. Das sollte sich ändern – damit die flächendeckende Verbreitung weiterwächst“, so Kienker.
Überleben bleibt Standortfrage trotz 851 Reanimationen durch Mobile Retter in 2023 in Stadt und Landkreis Osnabrück
Der Jahresbericht des Deutschen Reanimationsregisters spiegelt konkrete Zahlen für Stadt und Landkreis Osnabrück wider: Im Jahr 2023 gab es 851 Reanimationen durch Mobile Retter. „Seit dem 1. September erfolgt eine landkreisübergreifende Alarmierung. So können auch Mobiler Retter, die zum Beispiel in einer anderen Region Urlaub machen, erreicht werden“, berichtet Amin Schnieder.
Darüber hinaus gäbe es auch immer mal wieder Überlegungen, verschiedene, in anderen Regionen verbreitete Systeme, die aktuell getrennt nebeneinander her existieren (z.B. Kat-Retter, corhelper oder die noch im Aufbau befindliche ADAC Stiftung) zu vereinen. Dass die durchschnittliche Überlebensrate im Bereich der Reanimation gerade mal bei 20 Prozent liegt, möchte der langjährige Leiter einer Feuerwehr, Notfallsanitäter sowie organisatorischer Leiter Rettungsdienst nicht verschweigen. „Ausgehend von immer größeren Herausforderungen in der präklinischen Notfallversorgung und der Frage: ‚Wo ist der nächste Mobile Retter?‘ ist Überleben oftmals eine Standortfrage“.
Geraten Mobile Retter einmal in eine Situation, bei der sie Hilfe zur Verarbeitung des erlebten Einsatzes benötigen, ist die Psychosoziale Notfallversorgung (PSNV) zur Stelle. Zum Glück gibt es in der knapp 16.000 Einwohner großen Gemeinde Bissendorf und andernorts aber auch etliche Beispiele, in denen es per Smartphone alarmierten Ersthelfern gelungen ist, Leben zu retten.