Das klang bei der Ratssitzung am Dienstagabend noch ganz anders, da betonte Volker Bajus, Fraktionsvorsitzender der Grünen, noch die Notwendigkeit dass die Lokalpolitik gemeinsam mit Oberbürgermeister Wolfgang Griesert den Problemplatz Neumarkt und die daran angrenzende Problemstraße Johannisstraße in Angriff nehmen müssten.
Zwei Tage nach der Ratssitzung melden sich die Grünen wieder zu Wort und kritisieren die zuvor im nicht-öffentlichen Verwaltungsausschuss (VA) getroffene Entscheidung sich vom Berliner Büro Lützow7 zu trennen.
Ausschlaggebend für die Trennung von den Berliner Planern und dem mit ihnen in einer Arbeitsgemeinschaft („Arge Neumarkt“) verbundenen Bremer Planungsbüro bpr, war der Umstand, dass der bereits 2013 in einem Architektenwettbewerb ausgewählte Entwurf eine Betonoberfläche für den Neumarkt vorsah. Die Platzgestaltung sollte ähnlich wie beim Rosenplatz sein. Dort allerdings zeigte sich der Betonbelag schon nach wenigen Jahren der Belastung durch den Verkehr nicht gewachsen und zerbröselt inzwischen in seine Einzelteile.
Grüne haben kein Verständnis für neue Planung
Die Grünen warnen nun vor weiterem Zeitverzug und finden den Beton-Plan – ungeachtet der Rosenplatz-Misere – offensichtlich doch ganz akzeptabel: „Das ist ein hervorragendes Konzept der renommierten Berliner Planer, das sich im Wettbewerb gegen starke bundesweite Konkurrenz durchgesetzt hat. Wir haben überhaupt kein Verständnis dafür, wenn jetzt komplett neu geplant werden soll. Dann verlieren wir noch mehr Zeit und städtebauliche Qualität”, erklärt der Fraktionsvorsitzende Volker Bajus.
Eine der wenigen Baumaßnahmen in eigener Hand der Stadt
Durch die Entscheidung des Verwaltungsausschusses, die Zusammenarbeit mit der bauausführenden Arbeitsgemeinschaft zu kündigen, drohe nach Ansicht der Ökopartei ein langwieriger Rechtsstreit, erhebliche weitere Zeitverzögerungen seien wahrscheinlich.
„Von den vielen Projekten am Neumarkt ist die Straßen- und Platzgestaltung das Einzige, das die Stadt in eigener Hand durchführen kann. Anders als beim Einkaufscenter von Unibail und dem Hotel-“Zauberwürfel“ sind wir dabei nicht auf einen privaten Investor angewiesen. Hier könnten wir also endlich mal vorankommen und etwas für Neumarkt und Johannisstraße tun“, so Bajus.
Die Baustelle sei im Sommer 2019 bereits vorbereitet, provisorische Bushaltestellen gebaut und ein Bus-Notfall-Fahrplan am Start gewesen, als der Oberbürgermeister das Projekt gestoppt hat. „Wir haben überhaupt gar kein Verständnis dafür, dass der OB seit über einem Jahr den Stillstand mit der Standfestigkeitsfrage des Betons rechtfertigt. Wenn er das Projekt zur Chefsache macht, warum hat es dann nicht die Priorität, die es verdient.“, kritisiert Bajus.
Andernorts in Europa werden Plätze erfolgreich betoniert
Die Grünen sehen in dem Entwurf des Berliner Architektenbüros die Chance auf eine moderne und hochwertige Gestaltung. Ziel, so die Grüne Ratsfraktion, bleibe ein Platz für Menschen mit Aufenthaltsqualität. Straßenoberflächen aus Beton seien schließlich kein Wunderwerk. Sie kämen in vielen europäischen Städten zum Einsatz. Es müsse doch möglich sein, die Ausschreibungskriterien anderer Projekte zu übernehmen und gemeinsam mit den fachlich anerkannten Architekten eine zu Lösung finden, ohne dass man die Fehler vom Rosenplatz wiederhole.
Dass die Grünen in der vergangenen Ratssitzung so auf Gemeinsamkeit gepocht hätten, ohne bereits zu diesem Zeitpunkt ihr Festhalten an den ursprünglichen Berliner Beton-Plänen zu betonen, erklären die Grünen damit dass man endlich vorankommen wolle und deshalb dazu ein fraktionsübergreifender Workshop beschlossen wurde. „Die Einstimmigkeit zeigt, wie groß die Unzufriedenheit über den Stillstand bei allen Fraktionen ist”, so Bajus. Dass auch die CDU-Fraktion den Vorschlag unterstützt habe, zeige dass auch hier die Geduld zu Ende sei. „Mit fortgesetzter Bedenkenträgerei kommen wir jedenfalls nicht weiter”, meint Bajus.
Kommentar des Redakteurs
Da haben die Grünen wohl zu spät gemerkt, dass sie mit der „Ruck-Rede“ von Volker Bajus vergangenen Dienstag auch die zuvor im Verwaltungsausschuss beschlossene Trennung von der Arge Neumarkt legitimiert haben?
Dem, der das alles bezahlen muss, ist es kaum noch zu vermitteln, warum man für einen Straßenbelag oder eine simple Platzgestaltung immer einen aufwendigen Gestaltungswettbewerb und irgendwelche Hipster aus der Hauptstadt benötigt. Wann fing dieser Wahnsinn eigentlich an?
Wie man einen Platz betoniert, asphaltiert oder pflastert, dafür sollte es doch auch in der Verwaltung genügend Kompetenzen geben? Dann gibt es halt keinen Springbrunnen!
Schaut man sich die Entwürfe für die Umgestaltung des Neumarkts an, dann war der Springbrunnen tatsächlich die einzige Innovation. Die Geschichte und Erfahrung zeigt: Die Brunnen sind in Osnabrück ohnehin in Rekordzeit außer Betrieb – das Winterhalbjahr über sowieso.
Wenn man die eigenen Leute nur richtig machen lässt, dann würde es auch vorangehen. Die benötigte Teermaschine und der Asphalt – gerne bunt eingefärbt – sind auch lokal schnell bestellt. Man muss einfach nur loslegen!
Von mir aus ist das eine provinzielle Herangehensweise, aber sie ist pragmatisch, schnell und vor allem kostengünstig.
Was bleibt ist natürlich das Kostenrisiko für die bisherige Planung. Wird Osnabrück in einen teuren Rechtsstreit geraten, weil man sich nicht mehr auf die Beton-Experimente am Neumarkt einlassen will? Das kann schon sein und ist bitter, vor allem für den Steuerzahler. Verträge sind einzuhalten oder ein entsprechender Schadenersatz zu zahlen. Da kommt vielleicht noch was auf uns zu und die Forderungen von Lützow7 könnten durchaus berechtigt sein.
Aber aus Angst vor den Kosten einer (sauberen) Trennungsvereinbarung das Risiko einzugehen, dass der Neumarkt bald genauso schlimm aussieht wie der Rosenplatz, das wäre sicher die schlechtere Alternative.
Optimal wäre natürlich, wenn die Planer der Beton-Variante eine Gewährleistung für diese Form der Gestaltung geben oder einen Beton-Lieferanten finden, der selbst so sehr auf sein Produkt vertraut. Gibt es aber wohl nicht.
Ohne eine solche Sicherheit und vor dem Hintergrund des langsam wegbröckelnden Rosenplatzes, wäre das aber ein Risiko zu Lasten der Stadtkasse, das am Ende deutlich teurer werden kann als die nun in Angriff genommene Trennung von den alten Plänen.
Wie auch immer die Politik dazu steht: Macht endlich den Neumarkt und die Johannisstraße fertig, verzichtet auf den ganzen Klimbim, vor allem aber: „macht endlich“!