Auf dem Titelbild dieses Artikels sind bewusst keine Menschen zu sehen, denn bei der Einweihung des Gedenksteins am heutigen Freitag (21.09.) ging es nicht um jene, die den Stein ermöglicht haben, nicht um jene, die Reden gehalten haben und auch nicht um jene, die Blumen niederlegten. Es ging um die vielen Kinder von Zwangsarbeiterinnen, die nur wenige Tage oder Monate alt wurde, die unter unmenschlichen Bedingungen ihren Familien entrissen, und durch die Nationalsozialisten ermordet wurden.

AFP

Auf dem Heger Friedhof sind 80 Gräber von Kindern nachweisbar, die in den Osnabrücker Zwangsarbeitslagern ums Leben gekommen sind. Viele von ihnen starben vor ihrem ersten Lebensjahr an Krankheiten und Mangelernährung, manche überlegten den ersten Tag nicht. Direkt nach der Geburt wurden sie ihren Müttern entrissen, damit diese sofort mit der Arbeit weitermachen konnten. Zwischen 1942 bis 1945 wurden allein im Lager „Fernblick“ 312 Geburten und 42 Todesfälle von Kinder meist russischer, polnischer oder französischer Zwangsarbeiterinnen registriert. Festgehalten auf so genannten „Leichenkarten“, die kürzlich wiederentdeckt wurden.

Eure Kinder haben Flügel bekommen

Die rund 200 geladenen Gäste auf der Einweihung, unter ihnen die Familie van Wel aus Holland, deren Schwester 1942 an Unterernährung und Lungenentzündung in Osnabrück verstarb, waren sichtlich bewegt und lauschten den Worten der Redner. Besonders ergreifend war die Meditation von Prof. Dr. Reinhold Morkosch, der über alle Religionen hinweg den Kindern und ihren Familien gedachte. „Eure Kinder haben Flügel bekommen und sind wieder zu Engeln geworden. Doch ihr Mütter musstet weiterleben – vereinsamt unter der Geisel der Sklavenarbeit“, sprach er mit dem Blick auf den Gedenkstein. Er verurteilte die Tötung der Kinder, sagte aber gleichzeitig, dass es aus heutiger Sicht immer leicht ist, jemanden von damals zu verurteilen. Mit ihrem Handeln haben die Verantwortlichen den Müttern die Hoffnung auf Liebe und Leben in ihrer Hölle der Arbeitswelt genommen.

Gedenkstein
Die Familie van Wel legt Blumen nieder

Spuren der Liebe

„Doch das wichtigste“, so Mokrosch weiter, „das wichtigste ist, dass die Kinder und die Mütter Spuren der Liebe auf der Welt hinterlassen haben.“ Mit der Einweihung des Gedenksteins wolle man an sie denken und gleichzeitig daran erinnern, dass viele Schicksale noch nicht aufgeklärt sind. Dr. Volker Issmer erinnerte mit einem kurzen Text an die vielen Geschichten, die offenkundig noch kein Ende gefunden haben. „Vieles ist noch nicht bekannt“, sagte er. „Was wurde aus den Müttern, die in den Lagern arbeiten? Kaum jemand hat gefragt.“ Auch Anette Meyer zu Strohen aus dem Osnabrücker Stadtrat sieht in dem Gedenkstein gleichzeitig eine Aufgabe. „Die Untersuchungen zu den Gräueltaten der NS-Zeit sind noch nicht beendet. Und dieser Gedenkstein ist eine besondere Verpflichtung für uns als Friedensstadt.“ Im Anschluss an die Reden legten viele Besucher Blumen und Kränze vor dem Grab nieder, um den vielen vergessenen Kindern zu gedenken.