Orang-Utan Weibchen Dayang kam vorige Woche aus dem niederländischen Apeldorn in ihre neue Heimat, dem Zoo Osnabrück. Wie wir bereits berichten durften, erhofft sich der Zoo durch den Tiertransfer den Artenschutz der bedrohten Borneo Orang-Utans zu fördern. Daher wurde die zwölfjährige Dayang nach einer kurzen Eingewöhnungsphase im „Orang-Utan-Dschungeltempel“ vorsichtig mit ihrem männlichen Artgenossen Damai bekannt gemacht – ein geglückter Verkupplungsversuch.
Eingewöhnungsphase in der neuen Heimat
„Für die Menschenaffen ist ein solcher Tiertransfer mit Stress verbunden“, so Tobias Klumpe, wissenschaftlicher Kurator des Zoos Osnabrück, weshalb eine individuelle Betreuung der Orang-Utans und Fingerspitzengefühl von großer Bedeutung seien. Mit den Hilfestellungen einer niederländischen Tierpflegerin, die den weiblichen Neuzugang gut kennt, und wohlüberlegten Strategien, habe die Integration gut funktioniert. So habe man ihre Vorliebe zu süßen Früchten berücksichtigt und das zurückhaltende Tier zunächst auf eigene Faust das Innengehege ihrer neuen Heimat erkunden lassen. Erst nach dieser Phase der Eingewöhnung wurde Dayang vorsichtig an ihren männlichen Artgenossen Damai über ein Kontaktgitter angenähert.
Harmonische Zusammenführung
Auch wenn die Tierpfleger die Charaktere der rothaarigen Menschenaffen als unterschiedlich bewerten, scheinen der sture Damai und die sensible Dayang aneinander interessiert. Nachdem bei der ersten Kontaktaufnahme über das Gitter keine Aggressionen zu verzeichnen waren, wurden die Schieber geöffnet und es erfolgte eine ruhige und positive Annäherung. Die Zuneigung der Affen wurde durch gegenseitige Streicheleinheiten und Fellpflege sichtbar. Zudem beobachtete Revierleiter Dirk Wieferich ein weiteres Zeichen für eine erfolgreiche Zusammenführung: „Dayang setzt sich sogar schon mit dem Rücken zu Damai gewandt hin. Das zeugt unter den Menschenaffen von großem Vertrauen.“
Liebe auf den ersten Blick?
Die langfristige Hoffnung des Koordinators des Europäischen Erhaltungszuchtprogramms (EEP) ist, dass die Borneo Orang-Utans einander zugeneigt sind und es bald Nachwuchs geben kann. „Bereits beim zweiten Aufeinandertreffen kam es zur Paarung. Damai war direkt interessiert und auch Dayang war nicht abgeneigt. Man kann fast sagen, dass es momentan nach ‚Liebe auf den ersten Blick‘ zwischen den beiden aussieht“, erklärt Klumpe. Dennoch nehme Dayang aktuell noch die Anti-Baby-Pille, die erst im Verlauf des Jahres abgesetzt werden soll. Bis dahin soll sich der weibliche Neuzugang auch mit den anderen Orang-Utans sozialisieren und in ihrer neuen Heimat ankommen.
Forschungsaspekt des Erhaltungszuchtprogramms
Das Verhalten der Menschenaffen wird täglich sorgsam von den Tierpflegern observiert und durch die Beobachtungen von FSJlern sowie Bachelor- und Masterstudenten aus entsprechenden Studiengängen vervollständigt. Durch diese Verhaltensuntersuchungen könne man gemeinsame Ergebnisse erzielen, die in der Forschung neue Aufschlüsse bieten würden. So beteiligt sich der Zoo Osnabrück auch an einem Projekt, welches den Tiertransfer in der Zukunft erleichtern soll. In einer Kooperation mit anderen Tiergärten werden die Verhaltensanalysen dazu genutzt, um die Partnerwahl der Menschenaffen besser zu interpretieren. Ähnlich wie bei Dating-Netzwerken sollen die Orang-Utans an speziellen Bildschirmen ihre Partnerpräferenzen anhand von Fotos und Tiergeräuschen festmachen können. Auf diese Weise könne (bisher noch in der Theorie), die Wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen Tiertransfers antizipiert werden. Dayang und Damai haben sich noch auf dem klassischen Weg des Erhaltungszuchtprogramms kennengelernt und erwecken die Hoffnung der Tierpfleger auf eine Vermehrung. Über dem „Orang-Utan-Dschungeltempel“ klappern indes zwei Störche auf einem Mast: Möglicherweise ein glücksverheißendes Omen für Nachwuchs im kommenden Jahr.
© : Zoo Osnabrück (Svenja Vortmann)