Marcel Fratzscher, der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), kritisiert die zögerliche Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) als zu spät und zu restriktiv. Er nennt die EZB mitverantwortlich für die gegenwärtige Wachstumsschwäche und spricht sich für eine größere Leitzinssenkung aus.
Fratzscher: „Die EZB ist zu spät“
Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, sieht in der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) Fehler. „Die EZB ist zu spät“, sagte Fratzscher der „Mediengruppe Bayern“. Besonders kritisch sieht er, dass die Zinsschritte, die für den Donnerstag erwartet werden, schon vor einem halben Jahr hätten erfolgen können: „Die Inflation ist inzwischen wieder auf dem Niveau der Preisstabilität. Wenn man einbezieht, dass die Geldpolitik eineinhalb bis zwei Jahre braucht, bis sie ihre volle Wirkung entfaltet, dann hätten die Zinsschritte schon vor einem halben Jahr passieren können und nicht erst im Juli.“
Kritik an der restriktiven Geldpolitik
Darüber hinaus bezeichnet Fratzscher die Geldpolitik der EZB als zu restriktiv angesichts der wirtschaftlichen Lage in Europa und insbesondere in Deutschland: „Vom Niveau her müssten die Zinsen 150 bis 200 Basispunkte niedriger sein, um auf einem neutralen Niveau zu sein, bei dem die Geldpolitik die Wirtschaft weder befeuert noch bremst.“ Er zeigt Verständnis für die Sorgen der EZB um ihre Glaubwürdigkeit bei einer möglichen erneuten Inflationswelle, glaubt aber, dass diese Bedenken zu einer übermäßig restriktiven Geldpolitik führen.
Plädoyer für eine größere Zinssenkung
Trotz der Marktprognosen spricht sich Fratzscher für eine größere Zinssenkung aus: „Es wäre durchaus sinnvoll, jetzt mit 50 Basispunkten zu operieren. Klar, man will die Märkte nicht überraschen, die einen geringeren Zinsschritt eingepreist haben. Aber man könnte sie zumindest darauf vorbereiten, dass man nun schneller gehen will.“
EZB trägt Verantwortung für Wachstumsschwäche
Fratzscher weist der EZB eine Mitschuld an der aktuellen Wachstumsschwäche zu: „Gerade im letzten und in diesem Jahr war und ist die Geldpolitik der EZB eine der größten Bremsen für die wirtschaftliche Entwicklung.“ Die EZB sei mitverantwortlich für die schwache Investitionsneigung, insbesondere im Bausektor, und für die konsumdämpfende Wirkung ihrer Zinspolitik.
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