Die Energiewende scheint hierzulande ins Stocken zu geraten, während die Welt immer mehr auf Wind- und Sonnenenergie setzt, um sich aus der Abhängigkeit von Gas und Kohle zu befreien. Es fehlt an Fachkräften, und das gilt branchenübergreifend. Das Handwerk schlägt Alarm: Ohne die Beseitigung dieses Engpasses werden die ambitionierten Ziele der Energiewende kaum erreichbar sein.
Der Wirtschaftsminister Robert Habeck betont kontinuierlich die essenzielle Rolle der Windenergie und den dringenden Bedarf für den Ausbau erneuerbarer Energiequellen. Deutschland plant, seine zukünftige Energieversorgung nachhaltiger zu gestalten. Doch trotz dieser klaren Ansagen kommt die Energiewende nur schleppend voran. Ein prägnantes Beispiel dafür ist der Sektor der Windenergie. Die Zahlen des Bundesverbandes Windenergie zeigen, dass zwischen 2018 und 2022 nur 1.972 neue Windenergieanlagen an Land aufgebaut wurden. Dieser Wert übersteigt den im gesamten Jahr 2017 erreichten Wert nur geringfügig.
Beispiel Elektriker – ein Berufsfeld mit zukunftssicherer Perspektive
Langwierige Genehmigungsverfahren stehen dem Ausbau oft im Weg. Doch ein weiterer Faktor dürfte die Energiewende in naher Zukunft noch weiter verlangsamen: der Fachkräftemangel. Laut einer aktuellen Studie des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung (KOFA), ein Projekt im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), fehlen in der Wind- und Solarenergiebranche derzeit mehr als 200.000 Fachkräfte. Besonders große Engpässe bestehen bei Elektrikern, Klimatechnikern und Informatikern. Bei den als „Nadelöhr der Energiewende“ bezeichneten Elektrofachkräften besteht laut Studie ein Defizit von 17.000.
Dass der Beruf des Elektrikers als einer der zukunftssichersten und stabilsten Berufe gilt, verwundert angesichts dieser Zahlen kaum. Der Fachkräftemangel spiegelt sich in den im Vergleich zu den Vorjahren stetig gestiegenen Gehältern wider, wie ein Blick auf das Durchschnittsgehalt eines Elektrikers zeigt.
Immer mehr Handwerksbetriebe in Osnabrück und Umgebung wenden sich aktiv an Schulabgänger und stellen ihre Dienste auf Messen vor, um die zukünftigen Fachkräfte zu rekrutieren. Obwohl der offizielle Berufstitel mittlerweile von „Elektriker“ zu „Elektroniker“ geändert wurde, bleibt die ursprüngliche Bezeichnung im alltäglichen Gebrauch bestehen. Es gibt keine spezifische schulische Voraussetzung für eine Ausbildung zum Elektriker oder Elektroniker. Unternehmen haben unterschiedliche Erwartungen an ihre Bewerber, wobei ein Hauptschulabschluss oft ausreichend ist. Die Ausbildung dauert dreieinhalb Jahre und erfolgt in einem dualen System. Die Ausbildungsinhalte umfassen unter anderem Bereiche wie Informations- und Telekommunikationstechnik, Energie- und Gebäudetechnik, Automatisierungstechnik im Handwerk sowie Automatisierungs- und Systemtechnik.
Für diejenigen, die die Fachhochschulreife oder das Abitur besitzen, besteht nach der Ausbildung auch die Möglichkeit, an einer Hochschule zu studieren. Ein akademischer Abschluss öffnet die Tür zu einer Karriere als Fach- oder Führungskraft. Insbesondere technisch-naturwissenschaftliche Studiengänge wie Elektrotechnik kommen in Frage.
Personalengpass – eine sich stetig intensivierende Krise
Der Fachkräftemangel, der unter anderem die Entwicklung der Energiewende behindert, ist kein abrupt auftretendes Phänomen. Analysen des KOFA weisen darauf hin, dass die Rekrutierung von qualifiziertem Personal im Handwerk über Jahre hinweg immer schwieriger geworden ist. Laut KOFA-Daten verzeichnete das Handwerk von 2012 bis 2018 einen kontinuierlichen Anstieg an unbesetzten Stellen.
Trotz eines leichten Rückgangs der Nachfrage nach sachkundigen Handwerkern in den Jahren 2019 und 2020 übersteigt die Zahl der offenen Stellen weiterhin die Zahl der arbeitslosen Handwerker. Das KOFA identifizierte die größten Lücken speziell in den Sektoren Gebäudeelektrik sowie Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik. Nach den Erhebungen des Kompetenzzentrums standen im Jahr 2021 für je 100 offene Stellen in diesen Bereichen nur etwas mehr als 20 Arbeitslose zur Verfügung, die über eine entsprechende Qualifikation verfügten. Im Jahr 2022 konnte nur noch jede fünfte offene Stelle mit entsprechend qualifizierten Bewerbern besetzt werden.
Wärmepumpen – viele Bereiche vom Fachkräftemangel betroffen
In Deutschland hat der von der Politik unterstützte Ausbau der Installation von Wärmepumpen dazu geführt, dass der Fachkräftemangel für einige Bürger deutlich spürbar geworden ist. Das ehrgeizige Ziel ist die Installation von jährlich einer halben Million neuer Wärmepumpen ab dem Jahr 2024. Schon jetzt zeigen sich die Schwierigkeiten dieses Vorhabens, denn Wärmepumpen erfordern auch eine hohe Anzahl an Fachkräften im Bereich der Klimatechnik. Zur Installation einer Wärmepumpe sind nach Angaben des Zentralverbands Sanitär Heizung Klima nur etwa 15 bis 30 Prozent der Betriebe in der Lage.
Viele Betriebe arbeiten bereits an der Kapazitätsgrenze. Potenziell qualifizierte Mitarbeiter werden daher nicht zu passenden Schulungen geschickt, da sie während der Schulungszeit nicht arbeiten könnten. Nach Verbandsangaben fehlen der Branche aktuell rund 40.000 Installateure und über 30.000 Auszubildende.
Lösungswege – die Sichtweise der Unternehmen
Fachkräftemangel hinterlässt Spuren – sowohl in den betroffenen Unternehmen als auch in der gesamten Volkswirtschaft. Wenn Personalengpässe das sonst mögliche Dienstleistungs- und Produktionsangebot einschränken, können Wohlstands- und Wachstumspotenziale sowie öffentliche Einnahmen gefährdet sein. Wie groß das Problem ist, zeigt der Fachkräftereport 2022 der Deutschen Industrie- und Handelskammer. 53 Prozent der Unternehmen aller Branchen und 58 Prozent der Unternehmen in der Industrie und im Baugewerbe sehen sich von Personalengpässen betroffen.
Als Antwort darauf, was zur Sicherung von Fachkräften beitragen könnte, gaben mehr als die Hälfte der Umfrageteilnehmer (52 Prozent) an, dass der Abbau von Bürokratie eine wesentliche Rolle spielen könnte. Wenn Unternehmen von Berichts-, Dokumentations- oder Meldepflichten entlastet würden, hätten die Mitarbeiter mehr Zeit, sich auf ihre eigentlichen betrieblichen Aufgaben zu konzentrieren. An zweiter Stelle der Wunschliste steht die Förderung der beruflichen Bildung, die von 46 Prozent der Unternehmen genannt wurde. Mehr als ein Drittel der Unternehmen (35 Prozent) sieht in der erleichterten Anwerbung ausländischer Fach- und Arbeitskräfte eine Möglichkeit, ihre Fachkräftesituation zu verbessern, und 31 Prozent sprechen sich für eine bessere Qualifizierung sowie Vermittlung von Arbeitslosen aus.
Um Fachkräfte zu gewinnen und zu halten, würden 24 Prozent der Unternehmen davon profitieren, wenn ihre Region als attraktiver Lebens- und Arbeitsort wahrgenommen würde, jeweils 22 Prozent sprechen sich für eine Verbesserung der digitalen Infrastruktur, einen bedarfsgerechten Ausbau der Kinderbetreuung oder eine flexiblere Beschäftigung Älterer aus.