Blut, Fäkalien und fehlender Brandschutz: In der Wohnungslosenunterkunft an der Iburger Straße herrschen erschreckende Zustände. Der Osnabrücker Klaus* lebt dort seit knapp zwei Monaten aufgrund unglücklicher Umstände. Ein Freund von ihm wandte sich an unsere Redaktion, da er fand, dass sein Freund in „dieser Behausung menschenunwürdig“ leben müsse.
Schon seit Jahren befindet sich Klaus in psychologischer Behandlung, ist auch aufgrund seiner körperlichen Verfassung offiziell arbeitsunfähig. Doch die Rentenversicherung akzeptiert diese ärztliche Einschätzung nicht, derzeit bezieht er deshalb Bürgergeld (ehemals Arbeitslosengeld II).
Von seiner Ex-Freundin erhielt er eine Räumungsklage aus der gemeinsamen Wohnung – genau für solche Fälle hält die Stadt Osnabrück einige Wohnungen bereit, damit niemand sprichwörtlich auf der Straße sitzen muss, bis er oder sie eine neue Wohnung gefunden hat. Für Klaus begann damit ein langer und steiniger Weg. Er bewarb sich auf etliche Mietwohnungen, erhielt reihenweise Absagen und wendete sich in seiner Not zuletzt an die Stadt. Diese vermittelte ihn in die Wohnungslosenunterkunft an der Iburger Straße, eine von vier städtischen Unterkünften. Dabei handelt es sich um keine Dauerunterkunft, sondern die Bewohner sind dazu verpflichtet, sich schnellstmöglich um eine neue Wohnung zu kümmern. Mit einem Hotel hat Klaus nicht gerechnet, die Umstände vor Ort haben ihn dann aber doch geschockt.
Klaus schämt sich sichtlich für die Umstände, in denen er jetzt leben muss. Wir treffen uns zunächst an einer Tankstelle und sprechen über seine Geschichte. Erste Eindrücke der Unterkunft zeigt er uns per Fotos auf dem Handy. „Ich schäme mich, dir gleich mein ‚Zuhause‘ zu zeigen“, sagt Klaus. Natürlich sei er weiter auf der Suche nach einer Wohnung, aber die wenigsten Menschen geben ihm eine Chance. Er erhält wenige Absagen, dafür umso öfter gar keine Rückmeldung. Zu Beginn habe er versucht, bei einem Freund auf dem Sofa zu schlafen, aber das habe – insbesondere aufgrund seiner psychischen Erkrankung – nicht geklappt. Eine Nacht habe er sogar auf einer Parkbank geschlafen. Dann sei er zwischenzeitlich in der städtischen Wohnungslosenunterkunft untergekommen. Hier teilt er sich mit vier weiteren Bewohnern ein Bad und eine Küche. Im Haus wohnen noch weitere Wohnungslose. Für dieses Zimmer müsste Klaus rund 170 Euro im Monat zahlen, die Kosten trägt das Jobcenter.
Stadt sei auf Hinweise der Bewohner angewiesen
Auf kleiner Fläche lebt er dort mit seinem Hab und Gut. Das spartanische Zimmer ist mit einem Schrank, Bett und Schreibtisch ausgestattet. Die Wände sind mit Holz verkleidet, dennoch fehlt ein Rauchmelder, der eigentlich in jedem Wohnraum Pflicht ist. Vor Veröffentlichung dieses Artikels haben wir das Presseamt der Stadt mit einigen Bildern konfrontiert. „Fehlende Rauchmelder sind ein allgemeines Problem in allen gemeinschaftlichen Unterkünften, mit dem alle Kommunen im Land zu kämpfen haben“, heißt es vonseiten einer Stadtsprecherin. „Die Rauchmelder werden von den Bewohnern nach Installation oder Ersatz leider immer wieder kurzfristig abgebaut und entsorgt, weil sie in den Räumlichkeiten verbotswidrig rauchen wollen oder sich von den Geräten gestört fühlen. Eine lückenlose Sicherstellung der Ausstattung mit Rauchmeldern ist daher weder finanziell noch personell leistbar.“
Keine Zeit, um Blutspritzer zu entfernen?
An einem der Schränke und auch an der Decke befinden sich augenscheinlich Blutspritzer. Auch dazu hat die Stadt eine Antwort parat: „Die vorhandenen Blutspritzer werden wir im Zuge der nächsten turnusmäßigen Renovierungen beseitigen lassen.“ Weiter heißt es, dass die städtischen Obdachlosenunterkünfte in der Regel zweimal wöchentlich von Mitarbeitern kontrolliert werden würden. Für Renovierungen gebe es allerdings feste Zyklen, akut erforderliche Instandsetzungen würden aber so schnell wie möglich vorgenommen werden.
Und auch die Matratze von Klaus hat bereits bessere Tage gesehen. Schimmel und Dreckflecken zieren die Unterseite – und das offensichtlich nicht erst seit ein paar Wochen. „Matratzen können jederzeit auf Wunsch von uns ausgetauscht werden, es sei denn sie sind nachweislich vom Bewohner selbst verschmutzt worden“, reagiert die Stadt auf die Bilder.
Offene Wände, sichtbare Leitungen und im Keller ein undichtes Fallrohr, durch das Fäkalien wortwörtlich neben der Waschmaschine her in den Abfluss laufen. Dies sei der Stadt nicht bekannt gewesen, heißt es auf Nachfrage. Man wolle das Rohr aber so schnell wie möglich reparieren, wird uns versichert.
Bei Frost frieren die Scheiben ein
Die Fenster sind einfach verglast, teilweise undicht. Bei den vor Weihnachten herrschenden Minusgraden bildeten sich sogar Eiskristalle auf der Innenseite der in einem einfachen Holzrahmen verbauten Scheibe (Video liegt unserer Redaktion vor). Auch von diesem Missstand, der hinsichtlich Wärmedämmung wohl einem Baustandard der frühen 70er Jahre entspricht, will die Stadt nichts gewusst haben. „Beide Mängel wurden uns von den Bewohnern bisher nicht mitgeteilt; darauf sind wir jedoch angewiesen, da wir nicht jede Woche das ganze Haus auf komplette Funktionstüchtigkeit kontrollieren können“, heißt es aus dem städtischen Presseamt. Insgesamt gebe es dort eine „hohe Fluktuation“ und damit verbunden eine „deutliche Abnutzung“.
Bisher 40 Prozent Auslastung in den städtischen Unterkünften
Im Stadtgebiet gibt es neben einer Unterkunft an der Iburger Straße noch drei weitere Unterkünfte mit insgesamt 73 Plätzen. Die Auslastung liege nach Angaben der Stadt derzeit bei knapp 40 Prozent, die Unterkunft von Klaus war fast vollständig belegt. Einen Anstieg der Nachfrage durch steigende Mieten oder erhöhte Lebenshaltungskosten infolge der Inflation habe man in Osnabrück bisher nicht bemerken können, die Zahlen seien seit Jahren gleich geblieben. „Die Auslastung schwankt sehr stark, war bisher aber noch nie ‚im roten Bereich’“, so die Stadtsprecherin. Bisher gab es also noch keine überfüllten Unterkünfte. Sollte dies doch einmal der Fall sein, könne die Stadt kurzfristig auf Hotels oder Pensionen zurückgreifen oder Personen in den bisherigen Wohnraum wiedereinweisen. „Insgesamt sieht sich die Stadt in diesem Bereich jedoch sowohl qualitativ als auch quantitativ gut aufgestellt, wobei wir trotzdem in Zusammenarbeit mit dem SKM ständig an Verbesserungen arbeiten“, lautet das Fazit der Stadt.
Osnabrücker kann bald eigene Wohnung beziehen
Doch für Klaus gibt es nun trotz der Umstände in der Unterkunft gute Nachrichten: Er kann eine eigene kleine Wohnung beziehen. Die Stadt konnte ihm zwei Wohnungsangebote machen. Für den Einzug steht ihm rein rechtlich auch eine Erstausstattung zu. Er hofft, diese so schnell wie möglich zu erhalten und dann in sein richtiges und hoffentlich endgültiges Zuhause zu ziehen.
* Name von der Redaktion geändert