Die Arbeitsgruppen des Schutzprozesses und Bischof Franz-Josef Bode konnten heute eine positive Zwischenbilanz des “Schutzprozesses” ziehen. V.l.n.r.: Hermann Haarmann (Pressesprecher Bistum Osnabrück), Thomas Veen (Präsident des Landgerichts Osnabrück), Heinz-Wilhelm Brockman (ehemaliger Staatssekretär im hessischen Kultusministerium und früherer Vizepräsident des „Zentralkomitees der deutschen Katholiken“), Michaela Pilters (ehemalige Redaktionsleiterin beim ZDF), Franz-Josef Bode (Bischof von Osnabrück). / Foto: Dieter Reinhard.
Ein Jahr ist vergangen, seitdem Bischof Franz-Josef Bode das Konzept für den Umgang mit sexualisierter Gewalt und geistlichem Missbrauch im Bistum Osnabrück vorgestellt hat. Heute, am 26. Februar 2020, löste er sein Versprechen ein und zog eine erste Zwischenbilanz des „Schutzprozesses“.
Fast 70 Menschen wurden im Bistum Osnabrück seit 1946 von Mitgliedern der katholischen Kirche missbraucht. Eine erschreckende Zahl, die in Realität eventuell sogar höher sein könnte. Vor knapp einem Jahr, am 27. Februar 2019, stellte Bischof Franz-Josef Bode ein Konzept gegen sexualisierte Gewalt und geistlichen Missbrauch im Bistum Osnabrück vor. Es beinhaltet alte Missbrauchsfälle aufzuarbeiten und neuen konkret entgegenzutreten. Der sogenannte „Schutzprozess“ baut auf fünf Säulen: Prävention, Intervention, Begleitung Betroffener, Umgang mit Beschuldigten und die Sanktionierung von Tätern sowie die Klärung systemischer Grundsatzfragen. Heute zog der Bischof gemeinsam mit Angehörigen der Projektgruppen eine erste Zwischenbilanz der Konzeptumsetzung.
Präventionsmaßnahmen bereits in 80 Prozent der Einrichtungen umgesetzt
Innerhalb des letzten Jahres konnten einige Fortschritte in Bezug auf die Umsetzung des Schutzprozesses verzeichnet werden. Knapp 60 ehrenamtliche Helfer, Mitarbeiter des Bistums, aber auch Betroffene arbeiten in sechs Arbeitsgruppen zusammen, um die fünf Handlungsfelder zu konkretisieren. Die Arbeitsgruppe Prävention unterstützt bistumweit die Entwicklung und Durchführung von Präventionsmaßnahmen in einzelnen Gemeinden. In 80 Prozent der zuständigen Einrichtungen konnte das institutionelle Schutzkonzept bereits umgesetzt werden; Schulungen zum richtigen Umgang mit Missbrauchsvorwürfen werden fortlaufend durchgeführt. Die Interventionsgruppe kümmert sich in akuten Verdachtsfällen um den sachgemäßen Ablauf der vorgeschriebenen Interventionsmaßnahmen und hat dafür bereits ein vorläufiges Konzept entwickelt.
Täter kann nur belangt werden, wenn man seinen Namen nennt
„Es bedarf eines klaren Schemas wie man mit Anschuldigungen umgehen soll, damit man nicht aus dem Bauch heraus handeln muss. Das Vorgehen muss klaren Grundprinzipen folgen: Betroffene sollen geschützt, eine Vertuschung innerhalb der Kirche verhindert und die ungehinderte strafrechtliche Verfolgung der Täter gewährleistet werden“, so Dr. Thomas Veen, Sprecher der Monitoring-Gruppe und Präsident des Landgerichts Osnabrück. Missbrauchsopfern fällt es aber vielmals nicht leicht sich zu öffnen, vor allem nicht im größeren Rahmen. „Die externen Ansprechpersonen, also die Missbrauchsbeauftragten, sind daher gehalten Gespräche so zu führen, dass der Betroffene am Ende des Gesprächsprozesses an die Öffentlichkeit treten kann. Natürlich können wir niemanden zwingen und das wollen wir auch nicht, aber nur so kann der Täter belangt werden.“ Die konkrete Vorgehensweise im Verdachtsfall finden sie hier.
Problem muss auch an der Wurzel behandelt werden
Der Satz „Es mangelt(e) an konkreten Handlungsabläufen“ fiel nicht nur einmalig während des Pressegesprächs. Die Arbeitsgruppe „Systemische Grundfragen“ muss sich Herausforderungen stellen, die nicht nur das Bistum Osnabrück betreffen. „Wenn man ein Problem behandeln will, muss man auch das System betrachten, in das es eingebunden ist. Wir beschäftigen uns vorrangig mit Fragen nach Macht und Klerikalismus, der Frauenposition in der Kirche, der Rolle von Sexualität und priesterlichen Lebensformen“, führt Michaela Pilters, ehemalige Redaktionsleiterin beim ZDF und Sprecherin der Arbeitsgruppe „Systemische Grundfragen“. Der Umgang mit Macht und Machtmissbrauch soll in Zukunft stärker thematisiert werden. Am 1. Juli soll ein Fachtag zur Ebene „Macht“ stattfinden, an dem Führungsprinzipien für den Klerikerstand entwickelt werden sollen.
Autonomie statt geistlichem Missbrauch
Geistlicher Machtmissbrauch ist ein Thema, dass Bischof Franz-Josef Bode nicht kalt lässt: „Er beginnt dort, wo jemand einen Menschen, der von ihm Weg-Weisung erwartet, stattdessen mithilfe biblischer Aussagen, theologischer Inhalte oder spiritueller Praktiken manipuliert und unter Druck setzt. Statt in eine befreiende und erfüllende Beziehung mit Gott wird die missbrauchte Person auf solche Weise in die Irre, in Enge und Isolierung geführt. Das Ergebnis ist Abhängigkeit statt Autonomie.“ Die Arbeitsgruppe „Sanktionierung und Kontrolle von Tätern und Umgang mit Beschuldigten“ befasst sich mit konkreten Fällen sexuellen und geistlichen Missbrauchs und gibt entsprechende Handlungsempfehlungen für die Bistumleitung, etwa zu der Frage, welche Sanktionen für einen Beschuldigten fällig werden.
Tatbestand ist nicht entschädigbar
„Wir wollen die Betroffenen anerkennen und ihnen helfen, sei es therapeutisch oder durch eine finanzielle Entschädigung. Schlussendlich haben wir es aber mit einem Tatbestand zu tun, der nicht entschädigbar ist“, erzählt Bode betroffen. Abschließend steht zwar fest, dass der Schutzprozess gegen sexualisierte Gewalt und geistlichen Missbrauch nach einem Jahr der Reifephase eine gute Zwischenbilanz vorweisen kann. Jedoch wird auch weiterhin intensive Arbeit notwendig sein, um den Verarbeitungsprozess der Betroffenen und den strafrechtlichen Verfolgungsprozess der Täter zu ermöglichen.