Sind stolz auf das neue Projekt (von links): Christel Tesch (Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur), Sebastian Deck (Mitarbeiter von Prof. Ulbrich), Andreas Ulbrich (Professor für Gemüseproduktion- und verarbeitung an der Hochschule Osnabrück), Andreas Bertram (Hochschulpräsident), Julika Bruning (Projektleiterin) und Martin Ferner (Hüdepohl.Ferner Architektur- und Ingenieurgesellschaft mbH). / Foto: Rykov
Am Dienstag (29. November) eröffnete die Hochschule Osnabrück die „Indoor-Farm“ als neues Agrarprojekt. In einem Gebäude am Campus Haste werden ab sofort verschiedene Pflanzenarten gezüchtet und ihr Wachstum erforscht, um sich auf mögliche Ernährungskrisen der Zukunft vorzubereiten.
Immer mehr Menschen ziehen vom Land in die Stadt. Der Grad der Urbanisierung liegt in Deutschland schon lange auf einem hohen Niveau und die Tendenz steigt: Waren im Jahr 2000 noch 75 Prozent der Bewohner Deutschlands in einem Stadtgebiet wohnhaft, waren es 2021 bereits 77,5 Prozent. Mit der zunehmenden Verlagerung des Lebensmittelpunktes in die Stadt muss auch Ernährung neu gedacht werden. Die Hochschule Osnabrück hat sich deshalb zum Ziel gesetzt, neue Formen der Landwirtschaft zu entwickeln, um mögliche Ernährungskrisen der Zukunft schon jetzt in Angriff zu nehmen.
Beziehung zu Landwirtschaft aufbauen
„Wir wollen Agrarsysteme der Zukunft schaffen und haben gemeinsam mit der Stadt Osnabrück einen Masterplan erarbeitet“, so Hochschulpräsident Prof. Dr. Andreas Bertram. „Als Hochschule für angewandte Wissenschaften sind wir davon überzeugt, dass landwirtschaftliche Orte wieder zu Lernorten werden müssen; dass wir Gefühle und eine Beziehung zu ihnen aufbauen müssen.“ Als Vorzeige- und Leuchtturmprojekt soll die neue Indoor-Farm am Campus Haste stehen. Ab sofort werden hier neue und nachhaltige Anbaumöglichkeiten für viele Pflanzen erforscht – unter anderem für Salat, Pfeffer, Vanille und Tomaten. Sie werden in sechs Anzuchtkammern im Erdgeschoss und einem großen Gewächshaus im zweiten Obergeschoss angebaut.
Bei der Pflanze beginnen
Prof. Dr. Andreas Ulbrich, Professor für Gemüseproduktion- und verarbeitung an der Hochschule Osnabrück, war von Anfang an an der Erarbeitung des Projekts beteiligt. „Ende 2016 kam ein Ruf aus dem Präsidium nach innovativen Ideen für den urbanen Raum. Dem kamen wir natürlich nach und haben innerhalb von einer Nacht das Konzept für die Indoor-Farm entwickelt.“ Mitte des Jahres 2017 stellte die Hochschule den Förderantrag an das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur, Anfang 2018 wurden die Gelder bewilligt und die Planung konnte konkreter werden. „Anders als die Architekten, die uns von Beginn an tatkräftig unterstützt haben, denken wir den Prozess von der Pflanze heraus“, schilderte Ulbrich, der sich dem Projekt als ehemaliger Gärtner besonders verbunden fühlt. „Wir müssen nicht nur mit Blick auf die Zukunft, sondern insgesamt nachhaltiger produzieren. Deswegen erforschen wir jetzt, welche Kulturen gut in solchen Indoor-Farmen wachsen können und welche nicht. Weil wir die klimatischen Bedingungen verändern können, sehen wir auch, wie beispielsweise Pfeffer auf Temperaturschwankungen reagiert.“ So kann sich das Forscherteam nicht nur um Ernährungskrisen der Zukunft kümmern, sondern auch die Klimaresilienz der Stadt erforschen.
Technik als größte Herausforderung
Der Spatenstich für das Gebäude der Indoor-Farm fiel vor zwei Jahren. „Das Grundstück war zwar vorgegeben, aber die Lage ist perfekt“, berichtet Architekt Martin Ferner (Hüdepohl.Ferner Architektur- und Ingenieurgesellschaft mbH). Es liegt auf einer großen freien Fläche und ist erhöht. Die technische Ausstattung des Gebäudes war für die Architekten die größte Herausforderung beim Bau: Lichtverhältnisse und Luftfeuchtigkeit werden in den Pflanzkammern simuliert. Das bedeutet, dass die Kontrolle der Wachstumsbedingungen dauerhaft möglich sein muss. Insgesamt kostete der Bau der Indoor-Farm 4,6 Millionen Euro, mehr als die Hälfte davon wurde für die Technik aufgewendet.
Sechs Aufzuchtkammern, ein großes Gewächshaus
Die Indoor-Farm erstreckt sich über drei Etagen. Im Erdgeschoss befinden sich das Labor, Büroräume und sechs Aufzuchtkammern, in denen momentan unter anderem Salat und Vanille gezüchtet werden. Zu jeder Aufzuchtkammer gehört ein Kontroll-Panel, über das Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Helligkeit im Raum eingestellt werden können. In der zweiten Etage liegt der technische Kern des Gebäudes. Auf der dritten Etage befindet sich das große Gewächshaus, in dem Pfeffer, Tomaten, Salat und Vanille wachsen.