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Ein Jahr nach dem 7. Oktober: Neue Studie der Uni Osnabrück zeigt wachsenden Antisemitismus

Ein Jahr nach dem schockierenden Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 sind die Auswirkungen auf jüdische Gemeinschaften weltweit weiterhin spürbar. Eine zum Jahrestag veröffentlichte Studie der Universität Osnabrück hat die langfristigen Folgen für in Deutschland lebende Jüdinnen und Juden untersucht. Im Ergebnis zeigt sich unter anderem ein wachsender Antisemitismus.

Das Forschungsteam um Maor Shani, Jana Gerber und Marie Herb führte dazu qualitative Interviews mit 18 jüdischen Personen in Deutschland, um ein differenziertes Bild der Situation zu erhalten. Die Befragten, im Alter zwischen 23 und 68 Jahren, repräsentieren eine Bandbreite an sozioökonomischen Hintergründen sowie unterschiedlichen religiösen Bindungen. Die Interviews wurden auf Deutsch, Englisch oder Hebräisch geführt, abhängig von den Präferenzen der Teilnehmenden. Mithilfe der qualitativen Netzwerkanalyse wurden zentrale Themen und individuelle Erfahrungen der Befragten identifiziert.

Erfahrungen von Trauma und Verlust

Im Ergebnis zeigt sich, dass die Ereignisse vom 7. Oktober 2023 bei vielen der befragten jüdischen Personen zu tiefen emotionalen Erschütterungen führten. Gefühle wie Schock, Angst und Trauer waren weit verbreitet, einige Personen berichteten von anhaltenden Belastungen wie Albträumen und aufdringlichen Gedanken, die an posttraumatischen Stress erinnerten. Durch persönliche Verbindungen nach Israel und intensivem Nachrichtenkonsum habe sich die emotionale Belastung zusätzlich verstärkt, zeigt die Studie weiter.

Gleichzeitig offenbart der Bericht, dass viele der Befragten eine verstärkte Unsicherheit und Wachsamkeit im Alltag verspürten. Insbesondere in Gegenden mit größeren muslimischen oder arabischen Bevölkerungsanteilen gaben einige der Teilnehmenden an, ihre jüdische Identität weniger offen zu zeigen und zum Beispiel auf das Tragen religiöser Symbole oder das Sprechen von Hebräisch in der Öffentlichkeit zu verzichten.

Veränderungen im sozialen Umfeld und kollektive Resilienz

Die Studie zeigt auch, dass der 7. Oktober zu einer spürbaren Veränderung der sozialen Beziehungen führte. Viele Befragte berichteten, dass sie sich von nicht-jüdischen Bekannten zurückzogen, da sie das Gefühl hatten, dass deren Unterstützung und Verständnis fehlte. Dies führte in einigen Fällen zu einer Erosion ihrer sozialen Netzwerke außerhalb der jüdischen Gemeinschaft.

Gleichzeitig beobachteten die Forschenden eine Zunahme des Engagements innerhalb der jüdischen und israelischen Gemeinschaften in Deutschland. Einige Befragte berichteten, dass sie ihre jüdische Identität nach den Angriffen bewusster pflegten und häufiger an kulturellen und religiösen Veranstaltungen teilnahmen. Die verstärkte Identifikation mit der eigenen Gemeinschaft wird im Bericht als eine Form der Resilienz beschrieben, die es den Betroffenen ermöglichte, ihre Zugehörigkeit zu bewahren und sich gegen die Erfahrungen von Ausgrenzung zu behaupten.

Ansteigender Antisemitismus

Ein weiteres zentrales Thema der Studie ist der Anstieg des Antisemitismus in Deutschland nach den Ereignissen. Die Befragten berichteten von einer Zunahme antisemitischer Vorfälle, die sich sowohl im Alltag als auch in den sozialen Medien widerspiegelten. Viele von ihnen nahmen eine Verschärfung der gesellschaftlichen Spannungen wahr und äußerten Bedenken über die langfristige Lebensfähigkeit jüdischen Lebens in Deutschland. Einige befürchten, dass die wachsende Unsicherheit die nachfolgenden Generationen dazu veranlassen könnte, ihre jüdische Identität in der Öffentlichkeit zu verstecken oder gar das Land zu verlassen.

Gleichzeitig zeigt die Studie, dass es auch positive Reaktionen auf die Herausforderungen gab. Viele der befragten Personen engagierten sich verstärkt im Aktivismus, um auf die Gefahren von Antisemitismus hinzuweisen und das Bewusstsein für jüdische Themen in der breiten Öffentlichkeit zu stärken. Sie beteiligten sich an öffentlichen Demonstrationen, setzten sich in sozialen Medien für Aufklärung ein und organisierten Bildungsinitiativen. Diese Aktivitäten dienten sowohl der Bewältigung des eigenen Traumas als auch dem Versuch, den gesellschaftlichen Dialog zu fördern.

Mehr psychologische Unterstützung und interreligiöse Veranstaltungen

Auf Grundlage ihrer Erkenntnisse sprechen die Autorinnen und Autoren der Studie mehrere Empfehlungen aus. Sie plädieren für den Ausbau gezielter psychologischer Unterstützung, um den Umgang mit Trauma und Angst zu erleichtern. Außerdem betonen sie die Bedeutung von Programmen zur Stärkung der internen Gemeinschaftsnetzwerke sowie zur Förderung des Dialogs mit der breiteren deutschen Gesellschaft. Der rechtliche Schutz gegen Antisemitismus solle weiter verstärkt und Bildungsprogramme über jüdische Geschichte und aktuelle jüdische Themen in Schulen und der Öffentlichkeit ausgeweitet werden.

Zudem schlagen die Autorinnen und Autoren Maßnahmen zur Förderung eines sicheren und offenen Umgangs mit jüdischer Identität im öffentlichen Raum vor. Interreligiöse Veranstaltungen könnten dazu beitragen, den sozialen Zusammenhalt zu stärken und Vorurteile abzubauen. Langfristig sei es wichtig, Strategien zu entwickeln, die eine bessere Integration der jüdischen und deutschen Identitäten ermöglichen und eine inklusive Gesellschaft fördern.

Zur vollständigen Studie geht es hier.


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