Am Samstag (1. April) feierte die Inszenierung des Romans „Der Weg zurück“ von Erich Maria Remarque Premiere im Theater Osnabrück. Neben einer düsteren Erzählung von Krieg und Rückkehr können sich Besucherinnen und Besucher des Theaters auf tragende Charaktere sowie eine gut durchdachte Dramaturgie freuen.
Die Anfangsszene setzt den Tenor des Stückes. Der von Mario Lopatta verkörperte Protagonist Ernst Birkholz bewegt seine Hände zu Klaviermusik. Spielerisch verträumt wandern sie über die imaginären Tasten, bis sie sich im Takt verlieren. Die Musik läuft weiter, seine Hände allerdings nicht – eine Metapher zum Leben von Soldaten, die nach dem Ersten Weltkrieg in ihre Heimat zurückkehrten. Ernst und seine Kameraden kämpften vier Jahre im Krieg und lernten neue Selbstverständlichkeiten kennen, während das Leben in der Heimat seinen „normalen“ Lauf nahm. Ungewissheit, Überleben und Töten prägten den Alltag an der Front. Einen Weg zurück in das bereits vergessene Leben vor dem Krieg zu finden, ist nicht leicht.
Fulminant, bildgewaltig und ausgesprochen wortnah
Von diesem befremdlichen, teils absurden Überlebenskampf erzählt „Der Weg zurück“ von Erich Maria Remarque. Die Fortsetzung von „Im Westen nichts Neues“ berichtet von Revolution, Reintegration, Schulabschluss, Ehebruch und Kriegsfolgen – sowohl psychischer als auch physischer Natur. Posttraumatische Belastungsstörungen, Verstümmelungen und die große Frage nach dem „Warum“ begleiten Ernst Birkholz, Georg Rahe, Albert Troßke, Ludwig Breyer und Adolf Bethke zurück in der Heimat auf Schritt und Tritt. Die Inszenierung des Osnabrücker Theaters greift die düstere Rückkehrerzählung Remarques fulminant, bildgewaltig und ausgesprochen wortnah an der Romanvorlage auf.
Neben Mario Lopatta, der den Protagonisten tollpatschig jungenhaft und doch vom Krieg gezeichnet verkörpert, glänzen auch Katharina Kessler (Georg Rahe, Weßling, Frau Birkholz, Bruder Troßke), Stefan Haschke (Albert Troßke), Laila Richter (Ludwig Breyer, Adele, Frau Bethke), Janko Kahle (Adolf Bethke, Giesecke, Frau Troßke) und Ronald Funke (Soldat, Herr Birkholz, Direktor, Staatsanwalt) in ihren Rollen. Sie greifen die verschiedenen Persönlichkeiten sowie Sichtweisen der Soldaten gekonnt auf und verdeutlichen damit geschickt den Zwist der Kriegsrückkehrer: dort weitermachen, wo sie vor vier Jahren stehengeblieben sind, oder komplett neu starten? Insbesondere der raumgreifende und nahezu taktangebende Auftritt Katharina Kesslers konnte das Publikum abholen und einnehmen. Auch die Kulisse passt zum Thema: Viel Nebel, reduzierte Requisiten sowie atmosphärische Bilder vom Beamer bilden ein insgesamt wirkungsvoll simples Bühnenbild und unterstreichen neben der Nachkriegstristesse auch die Gedankenwelt der Soldaten. Reduziert auf den Überlebensinstinkt, an der Front das Wichtigste, kommt auch die Inszenierung des Theaters nur mit dem Notwendigsten aus.
Triggerwarnung wäre nötig gewesen
Menschen mit Erkrankungen der Atemwege sowie strikte Nichtraucherinnen und -raucher sollten möglicherweise auf den ersten oder zweiten Rang ausweichen: Die Schauspielerinnen und Schauspieler rauchen während der Aufführung und die Nebelmaschine läuft über weite Passagen. Zudem gilt eine – im Spielplan des Theaters leider nicht ausgewiesene – Triggerwarnung: Das Stück beinhaltet nicht nur explizite Darstellungen von Gewalt, sondern auch die präzise Schilderung eines Suizids. Abgesehen davon liefert das Ensemble das Osnabrücker Theaters eine überwältigende und dramaturgisch gut durchdachte Vorstellung. Zwar werden einige Sequenzen des Romans ausgespart, insbesondere die kameradschaftsbetonenden Momente von gemeinsamen Alkoholexzessen und Teilnahmen an Tanzwettbewerben. Die Schlüsselszenen des Klassikers werden dadurch jedoch zu einer noch aussagekräftigeren Antikriegserzählung verdichtet – wie passend zum 375-jährigen Jubiläum des Westfälischen Friedens angekündigt.