Blogs im Allgemeinen, und das gilt auch für I-love-OS, wird gerne vorgeworfen zu einseitig zu agieren. Um das zu vermeiden sind bereits rund um das Thema „Neumarkt“ die Befürworter-Parteien zur Stellungnahme aufgerufen; denn trotz erfolgten Ratsbeschlüssen ist die Debatte in der Bevölkerung noch lange nicht „durch“.
Die SPD hat hier dankenswerter Weise bereits Position bezogen, und heute reicht „Johnny“ einen Beitrag nach, der ebenfalls gegen meine Kontra-Position beim „Mega-Einkaufscenter“ steht.
Insbesondere was die Rolle des Entwicklers mfi angeht, bin ich absolut anderer Meinung als Johnny – denn: mfi wird, allein aus wirtschaftlichen Interessen getrieben, ebenso das Lied „vom Wohl der Stadt“ singen, wie ein Dealer der beim Anfixen vollmundig erklärt, das man ja „einmal probieren“ könne…
Wenn das “Mega-Center” am Neumarkt aber steht, dann gibt es kein Zurück mehr! Egal ob die Mietpreise am Nordwest-Zipfel der Innenstadt aktuell zu hoch sind, werden dann mehr als 20.000qm zusätzlicher Ladenfläche so etwas wie ein Großversuch am (noch) lebenden Objekt einer Innenstadt sein. Eine Innenstadt, die sich weiterhin auch gegen Online-Handel, demographischen Wandel und vielleicht noch größere Kaufkraftverluste in Folge wirtschaftlicher Entwicklungen zur Wehr setzen muss. Sind es nicht gerade die Stimmen aus der politischen Linken, die uns vor den Grenzen des Wachstums warnen? Eben jene Parteien, die nun – zusammen mit einer kurios agierenden FDP – in Osnabrück für dieses Mega-Center votierten.
Im schlimmsten Fall sehen nach 2015 die Krahnstraße und der Domhof so aus, wie jetzt die Johannisstraße – geprägt von weiteren Leerständen und Ramsch-Geschäften, die vom Vermieter nur akzeptiert werden, um wenigstens die Betriebskosten zu erwirtschaften.
HP
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Die neu auflodernde Brisanz des Themas – insbesondere in diesem Blog – rund um das eigentlich schon politisch-abgesegnete Shopping-Center zeigt, dass weder Politik noch Bürger sich mit der derzeitigen Planung abfinden können oder wollen. Hierzu ein etwas anderer Ausblick.
Wandel durch Online-Handel
Die Insolvenz von Jonscher ist traurigerweise ein Fallbeispiel, welches auch die Trendwende hin zu Anbietern wie Amazon, oder thalia zu verantworten hat. In einer Branche, in der es durch die gesetzliche Buchpreisbindung kaum Chancen gibt sich als kleineres Geschäft zu etablieren, beißen den Letzten – und das sind in diesem Fall eben die Kleinen – die Hunde. Große Buchhandlungen bekommen bessere Konditionen, können ihren Warenbestand besser lagern und organisieren und haben somit Bücher auf Vorrat, die in kleinen Geschäften erst bei einem Großhandel, bei Fachliteratur häufig sogar direkt bei den jeweiligen Verlagen, bestellt werden müssen. Dies dauert mindestens bis zum Folgetag, bei selteneren Büchern häufig länger. Neuveröffentlichungen und besonders Schulbücher werden von den „Großen“ auf Verdacht der Nachfrage aufgekauft und sind somit für kleinere Läden erst später verfügbar, während die Exemplare in den Regalen und Lagern der Ketten Staub fangen. Selbstverständlich nimmt der Kunde Wartezeiten nicht in Kauf, sollte sich vielleicht aber darauf besinnen, ob sich der Weg in die Stadt, oder zur nächstgelegen Buchhandlung lohnt, und seinem Umfeld oder seiner Region langfristig besser nutzt als der Mausklick auf den online-Versand, der – wie vielen Kunden gar nicht bewusst – auch der Buchpreisbindung unterliegt.
Also auch mal das Buch den Rest der Shopping-Tour tragen, anstatt es sich im Geschäft anzuschauen und abends online zu bestellen.
In dieser vom Online-Handel geplagten Branche jedoch ist es wichtig, sein Angebot beispielsweise durch Schreibwaren, kleineren Geschenke, Hörspiele oder Karten zu erweitern. Ein zwingend notwendiges Handeln, welches Jonscher in den letzten Jahren schlichtweg verschlafen hat.
Leerstand – ein akutes Problem in Osnabrück
Der Leerstand in den oberen Etagen der Kamp-Promenade, der Großen Straße, der Hasestraße oder des Bereiches um den Domplatz, rührt häufig nicht von fehlender Kundschaft, sondern von ungehörigen Mieten, die für eine Stadt wie Osnabrück in der derzeitigen wirtschaftlichen Lage kurz- und mittelfristig nicht gerechtfertigt sind. Das in vorherigen Artikeln bereits erwähnte Pfefferkorn (ehemals “Träumen Wale vom Fliegen” & “Schnitzelwelt”, …) gilt für jeden Gastronom als totgeborenes Kind. Grund dafür ist eher die Kaltmiete von sagenhaften 8.500 Euro und nicht die eher mäßig frequentierte Einkaufstraße zwischen Nikolaiort und Theater. Jetzt gilt es, dass Eigentümer in die Pflicht genommen werden, einlenken und den derzeitigen Leerstand in Osnabrücks Innenstadt wahrnehmen und ungerechtfertigte Mietpreise für leerstehende Läden an das jetzige Wirtschaftsniveau der Stadt anpassen.
Das Shopping-Center und die bösen Jungs von „mfi“
Die Front, die sich gegen das neue Einkaufzentrum bildet, rührt nicht von der Angst eines allgemeinen wirtschaftlichen Schadens für Osnabrück her, sondern ist ein gezieltes “Hetzen” der Einzelhändler in eben jenen Bereichen und der absoluten Übermacht L+T. Als Quasi-Monopolist und Vorreiter der innerstädtischen Wirtschafts-Apokalypse kommt den Herren Rauschen ein größenmäßig ebenbürtiger Martkbegleiter selbstverständlich nicht gelegen. Traditionelle Einzelhändler und Geschäfte von Krahnstraße über Nikolaiort und Domplatz rebellieren gegen die Verschiebung der innerstädtischen Knotenpunktes in Richtung Neumarkt.
Hier zeigt sich deutlich, dass nicht unbedingt die Mehrheit die politischen Geschicke lenkt, sondern die wirtschaftlich Stärkeren und Lauteren.
In dieser Debatte geht der eigentliche Grund zu Umgestaltung des Neumarkts völlig verloren: Die Rettung des südlichen Innenstadtbereiches und der Johannisstraße! Die Aufwertung dieses Bereiches ist die notwendigste aller städtebaulichen Maßnahmen, da es für die Johannisstraße sonst auf lange Sicht keine Chance auf ein Bestehen, geschweige denn auf eine wirtschaftliche Verbesserung geben kann.
Der Neumarkt rutscht durch Schließung des Tunnels, Bau der Kamp-Promenade und somit neuer “Bummel-Route” der Besucher, sowie stetiger Erweiterung des L+T-Imperiums, immer mehr an den Rand der Innenstadt.
Dass die mfi vorgibt „im Wohle der Stadt“ zu handeln, ist dahingehend glaubhaft, dass das Shopping-Center nicht in der Lage sein wird, sich gegen die Dominanz der Großen Straße zu behaupten. Es gilt vielmehr, die Chancen zu nutzen und Hand in Hand mit bestehenden Unternehmen zu agieren, eben um Osnabrück einen Anstoß zu geben. Im Beispiel Münsters hat die Zusammenführung zweier Einkaufsstraßen durch den Bau der Arkaden vorbildlich geklappt.
Die im vorherigen Artikel anonym beklagte fehlende Parkplatzkapazität ist kein Plan der mfi, sondern wurde von CDU im Stadtrat gedrosselt.
Osnabrück und deine Plätze
„Ein neuer “urbaner Platz” soll entstehen. Was haben wir nicht alle für Plätze: Marktplatz, Jürgensort, Nikolaiort. Kamp-Promenade, Domplatz, Platz der Deutschen Einheit usw. ? – und was ist da los – mal mehr, mal weniger. „ (Reizthema Neumarkt: baut sich der Oberbürgermeister ein Denkmal?)
Jürgensort? Der Jürgensort ist eine Straße, bzw ein Knick in der Großen Straße.
Kamp-Promenade? Kaum Möglichkeiten zu verweilen – das Eiscafé erzielt jedoch eben jenen Effekt bei Sonnenschein perfekt. Das dreieckige Ungetüm nicht in die Mitte des Platzes zu klatschen, sondern eine sonnige Terasse für eine oder mehrere Gastronomin wäre im Nachhinein sicher die sinnvollere Lösung gewesen.
An den weiteren Plätzen in Osnabrück, mit Ausnahme des Nikolaiortes gibt es wenig gastronomische Möglichkeiten zum verweilen. Und am Neumarkt verbringt – ausser weniger dubiosen Gestalten – niemand mehr Zeit als nötig. Ein neuer urbaner Raum ist somit, insofern er sinnvoll und mit interessantem gastronomischem Angebot konzipiert wird, nicht verkehrt. Aber auch hier sind wieder die Eigentümer in Sachen Mietpreis gefragt.
Altstadt, du traurige Altstadt
Die Osnabrücker Altstadt gilt in Osnabrück als veraltetes Anhängel hinter dem Eiscafé Fontanella, Rathaus und Heger Tor. Wenige Menschen verirren sich abseits der Events in die beschaulichen Gassen. Abgeschottet vom Rest der Innenstadt fristet die Altstadt – eigentlich sogar schon beginnend mit der Krahnstraße ab Nikolaiort ihr Dasein. Auch hier sind unverhältnismäßige Mietpreise mitverantwortlich für Leerstand, stete Besitzerwechsel und Geschäfte, die für einen klassischen Stadtbummel unattraktiv sind. Hier muss die Stadt ein- und den Pächtern unter die Arme greifen, einheitliche Dekorationen zur Adventszeit und Ähnliches mitfinanzieren, organisatorische Hilfe bei Events leisten. Ein funktionierender Zusammenschluss der altstädtischen Einzelhändler kann jedoch nur bei längerfristigem Bestehen der Geschäfte möglich sein.
Selbstreden ist dabei, dass beim Fest der Kulturen viele Inhaber gar nicht öffnen, weil es sich einfach nicht lohnt. Die fantastische Schokolaterie „Ein Stück Glück“ von T. Jankowski ist ein absolutes Highlight der Heger Straße – bekommt aber rundherum zu wenig Unterstützung, sich angemessen präsentieren zu können. In kaum einer anderen Stadt sind historische Altstadt und Einkaufsstraße so sehr getrennt wie in Osnabrück. Eine Tatsache die den Unternehmen mehr zu denken geben sollte, als ein Einkaufszentrum am anderen Ende der Stadt, denn ein etabliertes Fachgeschäft wie Prelle (um ein Beispiel zu nennen) sollte sich selbst doch so fest im Sattel geben, dass eine Mc Paper-Filiale am anderen Ende der Einkaufszone ihnen nichts anhaben kann. So viel Selbstbewusstsein sollte sein.
Johnny