Mit Inkrafttreten des Qualifizierungschancengesetzes am 1. Januar 2019 soll die Weiterbildung von Arbeitnehmern stärker gefördert werden. Ziel ist, eine von Herkunft, sozialen Verhältnissen und anderen Parametern unabhängige Weiterbildungsförderung zu ermöglichen. Wir zeigen, was es mit dem Qualifizierungschancengesetz genau auf sich hat.
Was verändert sich am Arbeitsmarkt?
Seit Jahrzehnten verändert sich der Arbeitsmarkt, so dass Arbeitnehmer immer wieder vor neuen Herausforderungen stehen. Die Veränderungen durch den Arbeitsmarktwandel sind teilweise gravierend, so dass Beschäftigte mit neuen Bedingungen zurechtkommen müssen. In den letzten Jahren hat sich die Arbeitswelt einem starken Wandel unterzogen und tut dies noch. Die drei großen Herausforderungen für die Wirtschaft setzen sich aus Strukturwandel und Transformation, Digitalisierung und Fachkräftemangel zusammen.
- Strukturwandel und Transformation:
Die Wirtschaft ist ständig in Bewegung und mit ihr verändern sich auch die Anforderungen an Arbeitnehmer. Im Rahmen des Strukturwandels nimmt der Beitrag zum gesamtwirtschaftlichen Produktionsergebnis einzelner Wirtschaftsbereiche ab, bei anderen ist ein Zuwachs zu verzeichnen. Rückläufig ist zum Beispiel die Land- und Forstwirtschaft, während der Anteil des Dienstleistungsbereichs zunimmt. Hierbei gilt es, die entscheidenden Weichenstellungen vorzunehmen um die Transformation zu gestalten.
- Digitalisierung:
Neue Technologien bieten unternehmerische Chancen, bringen allerdings auch Herausforderungen mit sich. Einen Anteil an den veränderten Arbeitsplatzbedingungen haben verschiedene Techniken der Digitalisierung wie etwa Dokumentenmanagementsysteme oder Künstliche Intelligenz. Mit einer Anpassung sowie Erweiterung von Kompetenzen und Fähigkeiten der Mitarbeiter kann der Übergang in neue Aufgabengebiete erleichtert werden.
- Fachkräftemangel:
In vielen Bereichen gibt es unbesetzte Stellen, allen voran in der Pflege. Indem geringqualifizierte Mitarbeiter abschlussorientierte Weiterbildungen absolvieren, können sie zu den Fachkräften von morgen werden.
Wie kann das Qualifizierungschancengesetz die Chancengleichheit fördern?
Vor dem Hintergrund der Digitalisierung und des damit einhergehenden strukturellen Wandels hat die Bundesregierung ein Gesetz erlassen, mit welchem die Chancengleichheit gestärkt werden soll. Seit 2019 können Weiterbildungen mit dem Qualifizierungschancengesetz finanziert werden. Neben der stärkeren Weiterbildungsförderung gewährleistet das Gesetz überdies einen Schutz in der Arbeitslosenversicherung.
Von der Weiterbildungsoffensive können nun Arbeitnehmer aller Altersklassen profitieren. Das vorherige Förderprogramm „Weiterbildung Geringqualifizierter und -beschäftigter älterer Arbeitnehmer in Unternehmen“ (WeGebAU) wurde durch das Qualifizierungschancengesetz abgelöst. Somit beschränkt sich die Förderung nun nicht mehr länger auf ältere Arbeitnehmer. Eine weitere Änderung betrifft die Arbeitslosenversicherung: Bislang waren Arbeitnehmer verpflichtet, innerhalb der letzten zwei Jahre zwölf Monate in die Arbeitslosenversicherung einzuzahlen. Diese zeitliche Forderung wurde angepasst, so dass bei Eintritt von Arbeitslosigkeit bereits dann Arbeitslosengeld gezahlt wird, wenn man zuvor innerhalb von drei Jahren mindestens zehn Monate in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt hat.
Die Hintergründe des Qualifizierungschancengesetzes hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) wie folgt zusammengefasst:
„Die Maßnahmen zielen auf Beschäftigte, die berufliche Tätigkeiten ausüben, die durch Technologien ersetzt werden können, in sonstiger Weise von Strukturwandel betroffen sind oder die eine berufliche Weiterbildung in einem Engpassberuf anstreben, also in einem Beruf, in dem Fachkräftemangel besteht. Sie sollen ihre beruflichen Kompetenzen leichter fortentwickeln und anpassen können. Damit stärken wir die Fachkräftebasis und Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft im digitalen Strukturwandel.“
Welche Leistungen beinhaltet das Qualifizierungschancengesetz?
Sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber profitieren vom Qualifizierungschancengesetz. Denn qualifizierte Mitarbeiter tragen maßgeblich zum Erfolg eines Unternehmens bei, wodurch sich die Wettbewerbsfähigkeit stärken lässt. Arbeitnehmer kann eine entsprechende Qualifizierung vor Verlust des Arbeitsplatzes schützen und zudem auf die veränderten Arbeitsbedingungen vorbereiten.
Die Weiterbildungsförderung kommt für folgende Personen infrage:
- Aktuell Beschäftigte – unabhängig von Qualifikation, Lebensalter und Betriebsgröße
- Beschäftigte, die innerhalb eines Unternehmens umsteigen oder aber sich weiterentwickeln möchten
- Beschäftigte, die in besonderem Maße vom Strukturwandel betroffen sind
- Menschen in Engpassberufen, in denen es einen Fachkräftemangel gibt
Einen rechtlichen Anspruch auf die Weiterbildungsförderung haben Beschäftigte übrigens nicht. In jedem Fall ist die Zustimmung durch das arbeitgebende Unternehmen notwendig. Somit stellt eine geförderte Weiterbildung eine Ermessensleistung des Arbeitgebers dar. Sollte es keine gesonderte vertragliche Regelung geben, haben Beschäftigte gegenüber ihrem Arbeitgeber zwar keinen Anspruch auf eine geförderte Weiterbildung. Dank dem Qualifizierungschancengesetz können sie sich aber bei der Agentur für Arbeit zu ihren Weiterbildungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten beraten lassen.
Förderung in Abhängigkeit von der Unternehmensgröße
Wie sieht die Förderung konkret aus? Das Qualifizierungschancengesetz sieht eine Co-Finanzierung durch den Arbeitgeber vor. Das heißt, dass die Weiterbildungskosten für Mitarbeiter grundsätzlich vom Arbeitgeber getragen werden. Dieser kann bei der Agentur für Arbeit jedoch Zuschüsse beantragen. Deshalb muss der Antrag auf eine Weiterbildung auch über den Arbeitgeber laufen. Gefördert wird die Weiterbildung durch die teilweise oder vollständige Erstattung der Lehrgangskosten sowie durch Zuschüsse zum Arbeitsentgelt. Die Höhe der Förderung hängt dabei von der Unternehmensgröße ab. Unternehmen haben die Möglichkeit, sich beim Arbeitgeber-Service umfassend über ihre Optionen und damit einhergehende Förderungsmöglichkeiten beraten zu lassen.
Für Mitarbeiter ohne Berufsabschluss oder mit Schwerbehinderung kann der Lohnkostenzuschuss bis zu 100 % betragen. Zudem können die Weiterbildungskosten für mindestens 45-jährige oder schwerbehinderte Mitarbeiter sowohl bei Kleinstunternehmen als auch bei kleinen und mittleren Unternehmen bis zu 100 % übernommen werden. Auch die Zuschüsse zum Arbeitsentgelt können höher ausfallen: Die Förderung beträgt bis zu 100 % bei fehlendem Berufsabschluss und berufsabschlussbezogenen Weiterbildungen.
Für jede Betriebsgröße gibt es in folgenden Fällen höhere Zuschüsse:
Plus 5 % bei Qualifizierungsvereinbarungen der Sozialpartner
Plus 10 % bei erhöhtem Weiterbildungsbedarf in Ihrem Betrieb
Plus 15 % bei Qualifizierungsvereinbarungen und erhöhtem Weiterbildungsbedarf
So sehen die Voraussetzungen für eine Förderung durch das Qualifizierungschancengesetz aus
Das Qualifizierungschancengesetz ist darauf ausgelegt, Unternehmen bei der Weiterbildung finanziell zu entlasten; Beschäftigte sollen ihre Arbeit während der Weiterbildung bei vollen Bezügen ruhen lassen können. Um den Zugang zu dieser Förderung zu erleichtern, wurde im März 2020 das Arbeit-von-Morgen-Gesetz verabschiedet. Es sieht unter anderem vereinfachte Antrags- und Bewilligungsverfahren vor.
Um von den Leistungen des Qualifizierungschancengesetzes profitieren zu können, müssen einige Voraussetzungen erfüllt werden:
- Der Umfang der Weiterbildung muss mehr als 120 Unterrichteinheiten umfassen
- Die Weiterbildung muss bei einem externen, zertifizierten Träger erfolgen
- Die Weiterbildung muss zukunftsgerichtete Qualifikationen ermitteln, also über arbeitsplatzbezogene Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten hinausgehen
- Die letzte vergleichbare Weiterbildung bzw. die ursprüngliche Ausbildung muss mindestens vier Jahre zurückliegen