Corona, weniger Kundschaft und strukturelle Probleme in der Osnabrücker Innenstadt haben in den vergangenen Jahren ihre Spuren hinterlassen. Mit Lille Royal und Bruno & Friends schließen zwei weitere inhabergeführte Geschäfte in Osnabrück ihre Türen.
Nicht nur in Osnabrück, sondern in ganz Deutschland befindet sich der stationäre Einzelhandel in der Krise. Immer mehr Menschen entscheiden sich dazu, ihre Waren nicht mehr vor Ort zu kaufen, sondern über das Internet. Leidtragende der Entwicklung sind in der Regel nicht große Modehäuser, wie H&M, Primark, Zara und Co., sondern kleinere Boutiquen und inhabergeführte Geschäfte. Weil sich viele für den Onlinehandel entscheiden, bleiben die Kundinnen und Kunden in den Innenstädten zunehmend aus – die Geschäfte müssen schließen und es kommt zum Innenstadt- beziehungsweise Ladensterben. Schweren Herzens kamen auch Inga Rieverein (ehemals Kusiek) von Lille Royal und Urte Koch-Lauxtermann von Bruno & Friends zu diesem Entschluss.
Corona-Hilfen nur ein Trostpflaster
Die beiden Geschäftsführerinnen sind frustriert. Schon seit 16 Jahren leitet Inga Rieverein das Modegeschäft Lille Royal in der Bierstraße, vor fünf Jahren zog Urte Koch-Lauxtermann mit dem Geschäft für Hundebedarf Bruno & Friends in die Heger Straße und zuletzt mit ins Geschäft Lille Royal. Die Entscheidung, die Läden zu schließen, fiel ihnen schwer – und doch wäre sie mit den Entwicklungen der letzten Jahre absehbar gewesen. Die Pandemie und damit einhergehende Verkaufsstopps brachen nicht nur Rieverein und Koch-Lauxtermann sprichwörtlich das Genick, sondern auch vielen anderen Einzelhändlern. Die staatlichen Corona-Hilfen wären nur Trostpflaster gewesen. „Im Endeffekt müssen wir die Hilfen natürlich zurückzahlen. Das Elend wurde damit nicht verhindert, sondern nur aufgeschoben“, erklärt die Inhaberin von Bruno & Friends.
Stammkunden hielten das Geschäft lebendig
Rieverein und Koch-Lauxtermann bedanken sich ausdrücklich bei ihren Stammkundinnen und Stammkunden, die die Geschäfte über Jahre hinweg besucht haben. „Wir freuen uns über alle, die regelmäßig gekommen sind und uns unterstützen. Aber mit der Zeit bekamen wir immer weniger Laufkundschaft und so sind die Läden einfach nicht mehr tragbar“, folgert die Inhaberin von Lille Royal.
Aus Leidenschaft heraus entwickelten Rieverein und Koch-Lauxtermann damals ihre Geschäftsideen. Dass sie im stationären Einzelhandel Osnabrücks keine Überlebenschance mehr haben, läge jedoch nicht nur an der Corona-Pandemie oder am Online-Boom, sondern auch an den Strukturschwächen der Innenstadt, wie die Inhaberinnen kritisieren.
Einkaufen jenseits der Großen Straße
Beide Geschäfte liegen in der Bierstraße in der Osnabrücker Altstadt und nicht in der Einkaufsmeile an der Großen Straße. Hierhin zieht es allerdings die meisten Käuferinnen und Käufer – in die Modehäuser und -ketten. Inhabergeführte Läden sind in der Regel weniger frequentiert, vor allem wenn sie nicht direkt in den Einkaufsstraßen liegen. „Jeder will eine belebte Innenstadt, aber wer macht etwas dafür?“, fragt Rieverein. Leerstehende Gebäude und Ladensterben sind Folge der schwindenden Kaufkraft im stationären Einzelhandel, vor allem in Boutiquen. Die ausgepreisten Artikel sind dabei häufig nicht viel teurer als in Fast-Fashion-Geschäften. Rieverein appelliert an Osnabrückerinnen und Osnabrücker, aber auch Besucherinnen und Besucher, in der Stadt über den Tellerrand der „herkömmlichen“ Geschäfte zu blicken. Denn Einkaufsmöglichkeiten gäbe es nicht nur an der Großen Straße, sondern auch weit darüber hinaus. „Menschen fahren leider häufig zum Shoppen in andere Städte und ihre eigene Stadt verkümmert dabei.“
Infrastrukturelle Herausforderungen
Auch die Anreise- und Parksituation in Osnabrück sei ein Hindernis für viele Kundinnen und Kunden. Zwar gibt es in Innen- und Altstadtnähe Parkhäuser, jedoch keine kostenlosen Parkplätze in direkter Nähe. Die Kundschaft Koch-Lauxtermanns sei teilweise aus dem weiteren Umfeld angereist und nicht mit einem Fahrrad. „Aber mittlerweile dauert die Parkplatzsuche genauso lange wie die Anreise“, berichtet die Inhaberin des Hundebedarf-Geschäfts. Dass viele Parkplätze im Innenstadtbereich verbaut werden und wurden, hätte sich zunehmend zu einem Geschäftshindernis entwickelt. Auch die Be- und Entladesituation für die Läden in der Altstadt sei schwierig. Grundsätzlich gilt Parkverbot, morgens dürfen Autos jedoch in der Straße halten, um beispielsweise Waren auszuladen. Trotzdem hätten die Inhaberinnen schon häufiger Strafzettel bekommen. „Das macht uns die Arbeit nur noch schwerer“, sagt Rieverein.
Die Pandemie, sinkende Kundenzahlen, die ausbaufähige Parksituation: Für den stationären Einzelhandel wird es immer schwerer zu überleben. Die beiden Geschäftsführerinnen wünschen sich deswegen vor allem eins: Dass auch kleine, inhabergeführte Geschäfte mehr Kundinnen und Kunden gewinnen.