Ferien, Frequent Flyer und natürlich Flughafen, aber wer denkt beim Flughafen FMO an „F“ wie Forschung? Tatsächlich kooperiert die Hochschule Osnabrück seit 20 Jahren mit dem Flughafen Münster-Osnabrück. In dieser Woche wurde bei einem Pressetermin gezeigt, woran auf dem Gelände des Osnabrücker Hausflughafens konkret geforscht wird.

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Wie kann die Pilotenausbildung optimiert und gleichzeitig umweltfreundlicher durchgeführt werden? Dieser Frage stellt sich die Hochschule Osnabrück und hat ein Verfahren entwickelt, das in Kombination mit Eye-Tracking, Videoanalyse und Simulation der Mensch- Maschine- Interaktionen im Virtual-Reality-Raum die Pilotenausbildung ressourcenschonender und gleichzeitig auch noch besser machen soll.

Neben Hörsälen, Labors und Werkstätten am Campus Westerberg spielt auch der Flughafen Münster-Osnabrück eine wichtige Rolle, denn hier gehen die Studenten tatsächlich „in die Luft“ um die Theorie in der Praxis zu erproben.

Eine Studentin geht für die Forschung in die Luft

Dieser kalte Novembertag wird für Anna Mistrieh (21) ein ganz besonderer Tag. Die Studentin vom Studiengang Produktentwicklung an der Hochschule Osnabrück testet in der Praxis, was sie bisher nur aus dem Labor für Produktentwicklung und CAE kennt: das Fliegen in einem Flugzeug. Wie die Studentin unserer Redaktion erzählt, ist sie tatsächlich überhaupt noch nie geflogen – auch nicht in einem großen Passagierjet. Heute wird sie selbst die Ausbildungsmaschine vom Typ Fuji FA200 steuern, ein schon gut eingeflogenes Fluggerät, das seinen Erstflug bereits vor 45 Jahren absolvierte.

Anna Mistrieh vor ihrem Erstflug im Hangar des FMO
Anna Mistrieh vor ihrem Erstflug im Hangar des FMO

Die Studentin aus Osnabrück ist Testperson in einer Prozess-Entwicklung, die die gewohnte Pilotenausbildung stark verändern könnte. Mistriehs Aufgabe heute: Zwei Landeanflüge unter Nutzung des Eye-Tracking –Systems aufzuzeichnen und die Auswertungsergebnisse in der entsprechenden Abschlusspräsentation zu transferieren. Ihre Vorkenntnis: Virtuelle Flüge im Labor am Westerberg.

Ein Hochschullehrer, der auch Fluglehrer und Testpilot ist

Doch die tapfere Studentin braucht sich keine Sorgen zu machen, denn ihr Lehrer, Steffen Schrader (Studiengangsleiter Aircraft and Flight Engineering) ist ausgebildeter Fluglehrer und sogar Testpilot und wird neben ihr im Cockpit jederzeit eingreifen können und bei Bedarf das Steuer übernehmen.

Testflug, Hochschule Osnabrück, Flughafen Münster/Osnabrück
Fluglehrer Steffen Schrader erklärt einer Kollegin vom NDR Studio Osnabrück die Eye Tracking Brille

Flugprofi Schrader hat sich gemeinsam mit Prof. Dr. Thomas Derhake (Laborleiter für Produktentwicklung und CAE) der Thematik Optimierung der Pilotenausbildung angenommen.

Schulungsflüge am FMO dienen der Sicherheit und der Forschung

FMO-Geschäftsführer Prof. Dr. Rainer Schwarz betonte zu Beginn des Pressetermins die großen Möglichkeiten für angehende Piloten und deren Airlines: bei rund 35.000 Flugbewegungen pro Jahr am FMO sind rund ein Drittel Schulungsflüge. So birgt eine wahrnehmbare Reduzierung dieser Schulungsflüge für alle Beteiligten enormes Einsparungspotential, auch für die Umwelt.
Prof. Schwarz betonte dabei ausdrücklich, dass diese Schulungsflüge nicht dem Vergnügen einiger weniger Hobbypiloten dienen, wie von Kritikern oft angenommen wird, sondern wie bei den Studierenden der Hochschule Osnabrück der Forschung und der Ausbildung dienen. Steffen Schrader ergänzte später, dass die ersten Flüge mit dem Hochschule-Flugzeug die Studierenden am Ende der Ausbildung dazu befähigen können auch die ganz großen Flugzeuge von Airbus oder Boeing zu fliegen. Die Hochschule Osnabrück unterstützt ihre Studierenden auch eine Verkehrspilotenlizenz zu erwerben – allerdings sind die Kosten dafür von den Studierenden aufzubringen. Die komplette Flugausbildung der Studierenden findet am FMO statt.

Prof. Dr. Rainer Schwarz
Flughafen-Chef Prof. Dr. Rainer Schwarz betont die Bedeutung der am FMO gesammelten Forschungsergebnisse

Die ersten Erkenntnisse des Projekts wurden bereits auf der Internationalen Luftfahrtausstellung (ILA) in Berlin dem Fachpublikum präsentiert. Die konkreten Planungen für die nahe Zukunft sehen den Aufbau entsprechender Erfahrungen bei unterschiedlichen Ausbildungsszenarien vor.

Bei Schulungsflug wird jeder Blick aufgezeichnet

Der Erstflug von Studentin Anna Mistrieh verlief an diesem kalten Novembertag erwartungsgemäß problemlos. Während des Fluges wurde durch eine hochmoderne Eye-Tracking Brille aufgezeichnet, wohin sich ihr Blick und ihre Konzentration richtete. In der obligatorischen Nachbesprechung hat der Fluglehrer – der hier auch gleichzeitig Hochschullehrer ist – die Möglichkeit am Monitor die im echten Flugzeug gesammelten Erfahrungen mit der Flugschülerin aufzuarbeiten. Eine Möglichkeit, die es bislang in der Pilotenausbildung nicht gibt und an der, so Steffen Schrader, die großen Player der Branche bereits ihr Interesse gezeigt haben.

FMO, Hochschule Osnabrück
Durch die Spezialbrille wird die Blickrichtung der Flugschülerin ermittelt und alles auf Video aufgezeichnet

Wenn Fliegen in Zukunft durch eine verbesserte Pilotenausbildung noch sicherer wird, dann hat diese Entwicklung Anfang am Flughafen Münster/Osnabrück genommen.

Mehr zu diesem spannenden Studiengang:
Der Studiengang Aircraft and Flight Engineering, kurz AFE, verknüpft eine luftfahrttechnische Ausbildung des Ingenieurswesens mit einer Ausbildung für Pilotinnen und Piloten. Durch das integrierte Auslandsjahr vermittelt er zudem internationale Qualifikationen. Er ist damit in Europa ein einzigartiger Studiengang, der gemeinsam von der Hochschule Osnabrück und der University of the West of England in Bristol getragen wird. Flexibilität und Wahlmöglichkeiten, beispielsweise die von verschiedenen Lizenzen und Berechtigungen in der Flugausbildung, sind neben der Internationalität die prägenden Merkmale dieses Studiengangs. Absolventinnen und Absolventen arbeiten später in der Flugerprobung, in der technischen Fliegerei, in der Flugzeugwartung oder der technischen Betriebsleitung.